In Afrika sind Empfehlungen und ein persönliches Netzwerk entscheidend.
Die 2016 gegründete Beratungsfirma Itare hat ihren Fokus auf Subsahara-Afrika und den Nahen Osten. Zum Angebot gehören Geschäftsentwicklung sowie finanzielle und technische Projektberatung für verschiedene Branchen. Die Gründer und festen Mitarbeiter haben viele Jahre in Kenia oder Südafrika gearbeitet, hauptsächlich für die italienische Exportkreditagentur SACE. Giorgio Traietti ist seit 2017 dabei. Er erzählt im Interview, warum Manager kleinerer italienischer Firmen gut in Afrika zurechtkommen oder wie ein Geschäft in Uganda seinen Anfang im fernen Angola nahm.
Herr Traietti, wie verhelfen Sie Ihren Kunden in Afrika zu Abschlüssen?
In Kenias Zementindustrie hat zum Beispiel ein italienisches Unternehmen, das auf die Herstellung von Maschinen für Betonprodukte spezialisiert ist, in einem Jahr ein Dutzend Projekte abgeschlossen. Einer der Schlüsselfaktoren war die persönliche Beziehung, die wir zu den kenianischen Kunden aufgebaut haben. Bei 90 Prozent der Abschlüsse fanden die entscheidenden Gespräche bei Abendessen statt. Ein Anteil übrigens, der sich nach unserer Erfahrung in etwa auf den gesamten Kontinent übertragen lässt.
Das Geschäft basiert also stark auf persönlichen Beziehungen?
Wie anderswo auch muss zunächst das Angebot stimmen. Gefragt ist ein Gesamtpaket mit gutem Preis-Leistungsverhältnis, bei dem sehr oft die Finanzierung der entscheidende Teil ist. Abgesehen davon allerdings ist in Afrika der persönliche Kontakt besonders wichtig. Die Kunden wollen in der Regel erst eine Beziehung zum Anbieter haben, und zwar zum Chef oder Eigentümer.
Solche Beziehungen sind doch fast überall wichtig, auch in China oder Lateinamerika.
Nun ja, in Singapur drängte man mich bei einem längeren Aufenthalt gleich am ersten Tag zum Druck von Visitenkarten. Bei den Gesprächen danach war ich dann vor allem der Vertreter meiner Organisation. In Afrika hingegen ist die Visitenkarte weniger wichtig. Mein Gegenüber spricht in erster Linie mit Giorgio, der erst in zweiter Linie für Itare arbeitet. Dadurch ist das Netzwerk, das man in Afrika aufbaut, viel persönlicher als auf dem asiatischen Markt.
Sind auch Verbindungen zwischen den Ländern Afrikas wichtig?
Ja, die sind überraschend stark. In Uganda zum Beispiel hatte ich bei einem neuen Partner einen äußerst hilfreichen Start – nur weil ich eine Empfehlung hatte von einem gemeinsamen Bekannten in Angolas Hauptstadt Luanda, am anderen Rand des Kontinents. Ähnlich war dies bei einem Partner in der Elfenbeinküste, dank eines Kunden mit Sitz in Ghana, sowie im Senegal.
Italiens kleine Firmen gut im Netzwerken
Die Betonung des Persönlichen kommt italienischen Anbietern entgegen?
Ja. Italiens Industrie ist geprägt von kleinen, familiengeführten Unternehmen, in denen sich der Chef selbst oder, bei größeren Unternehmen, das Top-Management um wichtige Kontakte und Projekte kümmert. Er oder ein Verwandter pflegt ein persönliches Netzwerk, mit vielen Besuchen bei Partnern und mit großem persönlichen Einsatz. Mit diesem Netzwerk ist es einfacher, überhaupt den richtigen Partner in Afrika zu finden – was für alle ausländischen Firmen eine große Herausforderung ist. Natürlich ist es für ein italienisches KMU nicht leicht, einem so riesigen Kontinent wie Afrika zu bedienen. Itare verfügt über ein ausgedehntes Netzwerk in mehreren afrikanischen Ländern und unterstützt die Partner bei den täglichen Aktivitäten.
Sehen Sie andere Vorteile italienischer Anbieter in Afrika?
Flexibilität und die Fähigkeit, eine maßgeschneiderte Lösung zu entwickeln, sind in Afrika unerlässlich. Darin sind italienische Unternehmen extrem gut. Darüber hinaus haben die meisten unserer italienischen Partner in ihrem Produktportfolio technische und geschäftliche Lösungen, die perfekt zu den Bedürfnissen des afrikanischen Marktes passen: robuste Maschinen, leicht zu handhaben, an das örtliche Klima angepasst, auch nach vielen Jahren noch zuverlässig. Der Preis kann natürlich, im Vergleich zu internationalen Konkurrenten, recht hoch sein, aber die Vorteile - einschließlich der wettbewerbsfähigen finanziellen Lösungen, die in Europa erhältlich sind - überwiegen die Nachteile.
Wie groß ist der typische italienische Anbieter in einem afrikanischen Markt?
Neben den – eindeutig multinationalen - Unternehmen, die an Energie- und Infrastrukturprojekten interessiert sind, haben die typischen italienischen Hersteller in Afrika einen Jahresumsatz zwischen 10 Millionen und 80 Millionen Euro. Sie sind gut in dem, was sie tun: Sie sind internationalisiert und flexibel und betrachten den Kontinent mit einer mittelfristigen Perspektive. One-Shot-Geschäfte können in Afrika vorkommen, aber nur eine mittelfristige Strategie erlaubt es ihnen, in diesen Märkten zu bleiben.
Kaum deutsche Konkurrenz bei kleineren Projekten
Wie agieren deutsche Firmen in diesem Umfeld?
Bei den überwiegend kleineren Projekten etwa in der Nahrungsmittelindustrie sehen wir kaum deutsche Maschinenbauer. Hier konkurrieren Italiener außer gegen die Chinesen eher mit Firmen aus Spanien, Portugal oder auch aus der Türkei. Bei einem Projektwert von wenigen Tausend Euro sind Aufwand und Kosten relativ hoch.
Wo haben deutsche Konkurrenten Vorteile?
Bei großen und kapitalkräftigen Kunden, etwa in der Stahl- oder Zementindustrie. Diese Unternehmen wollen Anlagen eher aus der oberen Preisklasse, die nach Standardanforderungen effizient große Stückzahlen produzieren. Da sind deutsche Anlagenbauer stark.
Wie gehen Italiener typischerweise in einen neuen Markt?
Bis vor ein paar Jahren waren die typischen Wege dafür Mundpropaganda, Messen und die Unterstützung durch Partner in anderen Ländern. In der letzten Zeit beobachten wir einen stärker strukturierten und strategischen Ansatz, der auf den besten Lösungen für nachfolgende Schlüsselmärkte basiert, mit der richtigen Struktur und den richtigen Partnern.
Corona behindert Beziehungspflege
Sehen Sie auch Defizite bei dieser "italienischen" Herangehensweise?
Italienische KMUs zögern immer noch, sich neuen Ländern zu nähern, besonders jenen, die wir als Frontiers-Märkte bezeichnen können - die schwieriger zu bedienen sind und wo man im Team arbeiten sowie in Wertschöpfungsketten denken muss.
Wie hat Corona dies verändert?
Auf einem Kontinent wie Afrika, wo die physische Vernetzung wichtig ist, machen viele Unternehmen wegen der beschränkten Reisemöglichkeiten nun deutlich weniger Geschäfte. Gleichzeitig verändert Covid auch die Einstellung, wie man sich Afrika nähert: Wir erhalten immer mehr Anfragen von Unternehmen, die daran interessiert sind, einen Partner in strategischen Märkten zu finden, oder die das Netzwerk von Itare für die Pflege ihrer Kundenbeziehungen nutzen.
Wie engagieren sich italienische Firmen in Afrikas Infrastrukturbau?
Italienische Generalunternehmer sind seit jeher in Afrika präsent. Sie bevorzugen in der Regel EPCF-Projekte (Engineering, Procurement, Construction and Financing) gegenüber PPP (Public Private Partnership): PPP-Vorhaben erfordern in der Regel erhebliche finanzielle Mittel zu Beginn und ein starkes Engagement für mehr als zehn bis 15 Jahre. Die meisten italienischen Unternehmen sind dazu nicht bereit. Die französischen Konkurrenten in Afrika zum Beispiel sind viel agiler und besser aufgestellt.
Gute Finanzierung kann selbst die Chinesen stoppen
Zurück zum Projektgeschäft, hilft eine gute Finanzierung auch gegen die Konkurrenz aus China?
Viele afrikanische Kunden haben ein extrem enges Budget, da ist gegen die billige Konkurrenz aus Fernost kein Kraut gewachsen. Aber wenn der Preisunterschied nicht zu groß ist - sagen wir, 100 zu 70 -, können die Italiener den Auftrag erhalten, indem sie wettbewerbsfähige Finanzpakete vorschlagen. Nicht nur die Manager in der äthiopischen Zuckerindustrie bevorzugen eigentlich Technik aus Europa - so ähnlich ist das in ganz Afrika und über alle Branchen hinweg.
Wie wichtig sind Exportkredite?
Die meisten der von uns bedienten Transaktionen sind durch eine Exportkreditversicherung (ECA) abgesichert, nicht nur durch die italienische. In manchen Zielländern funktioniert das besser als in anderen, vor allem dort, wo ECA-gedeckte Transaktionen häufiger vorkommen und daher den Mitarbeitern und Managern der Bank bekannt sind. Ich habe sehr gute Erfahrungen gemacht in Kenia, Uganda, Ghana und Ruanda. In Ländern wie Tansania, Senegal oder Kamerun war das schwieriger.
Sind hier Kooperationen zwischen europäischen Lieferanten denkbar?
Ja. Wenn zum Beispiel die ECA eines Landes nur einen Teil eines großen Projekts garantieren kann, können andere ECAs Teil des Geschäfts sein. Das setzt natürlich voraus, dass Unternehmen aus verschiedenen Ländern eine Rolle spielen.
Und bei den nicht durch ECA gedeckten Projekten?
Dann können andere Optionen auf dem lokalen Markt oder auf panafrikanischer Ebene geprüft werden: lokale, internationale, multilaterale oder panafrikanische Banken und Versicherungen.
Welche Länder sind aus Ihrer Sicht besonders schwierig für Geschäfte europäischer Firmen?
Sehr schwierig fand ich immer die Arbeit in Nigeria, einem Kontinent im Kontinent, selbst angesichts der riesigen Perspektiven dort. Dann Äthiopien, das enorme Möglichkeiten bietet, wo aber der Devisenmangel das Tätigkeitsfeld stark einschränkt. Im Kongo hat die Wirtschaftskrise der letzten Jahre die Geschäftsmöglichkeiten unserer Partner sehr beschnitten.
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Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Februar 2021.