Metropole Dakar im Senegal
Mit den Wahlen im Senegal im März 2024 sind die politischen Karten neu gemischt worden. Das sagt der deutsche Bundestagsabgeordnete Dr. Karamba Diaby, der selbst im Senegal geboren ist. Die Erwartungen an die neue Regierung unter dem Präsidenten Bassirou Diomaye Faye und Premierminister Ousmane Sonko sind enorm – das Land muss etwa die hohe Arbeitslosigkeit vor allem unter den jungen Menschen senken. Unter dem Schlagwort „rupture“ kündigte der neue Präsident einen radikalen politischen Wandel an. Im Interview spricht Dr. Diaby, der auch den Vorsitz der Parlamentariergruppe Westafrika innehat, über den Aufbruch im Senegal und die Bedeutung der Wahlen für die deutsch-senegalesischen Wirtschaftsbeziehungen.
Senegal hat am 24. März 2024 mit überwältigender Mehrheit den politischen Newcomer Bassirou Diomaye Faye zum fünften Präsidenten seit der Unabhängigkeit des Landes gewählt. Rund eine Woche später wurde er als jüngster amtierender gewählter Präsident in Afrika offiziell vereidigt und begann sofort mit der Regierungsbildung. Präsident Faye hat seinen politischen Weggefährten Ousmane Sonko zum Premierminister ernannt. Faye hatte anstelle des populären Sonko kandidiert, weil dieser von der Wahl ausgeschlossen war.
Senegalesen setzen große Hoffnungen in die neue Regierung
Herr Dr. Diaby, was erwarten Sie von der neuen Regierung?
Vorab: Der demokratische Machtwechsel verlief friedlich und transparent. Das ist ein großer Erfolg. Der Ausgang der Wahl zeigt, dass Senegal von einer langen demokratischen Tradition geprägt ist; das ist in Westafrika nicht selbstverständlich. Umso mehr ist - nach einer schwierigen Phase - der Ablauf der Wahlen im Senegal zu begrüßen.
Nun zu Ihrer Frage: Die Erwartungen vor allem der jungen Menschen im Senegal an die Regierung sind riesengroß. Dies zeigen allein schon die Massen, die auf die Straßen gegangen sind, nachdem der Oppositionspolitiker Faye (heute Präsident Senegals) und Sonko (Premierminister) aus dem Gefängnis entlassen wurden. Die neue Regierung muss den in sie gesetzten Hoffnungen und den gemachten Versprechen zeitnah gerecht werden. Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit muss sie bekämpfen. Dazu braucht es große nationale Anstrengungen. Die Maßnahmen der alten Regierung haben hier nicht genügt. Und: Die neue Regierung wird hier zügig Erfolge aufweisen müssen, sonst werden sich die jungen Menschen von ihr abwenden.
Vor der Wahl befand sich der Senegal in einer schweren Krise. Was sind die Gründe dafür?
Trotz der 60-jährigen demokratischen Kontinuität hatten wir dieses Mal eine besonders tiefgreifende politische Krise. Dies geschah infolge einer Verkettung ungünstiger Entscheidungen, die schließlich in der Verhaftung der beiden wichtigsten Oppositionsführer Sonko und Faye gipfelte. Was aber zählt, ist das Ergebnis: Das oberste Gericht hat die Verschiebung der Wahlen abgelehnt und konnte sich durchsetzen.
Der Abstimmung war in dem sonst als stabil geltenden Land eine schwere politische Krise vorangegangen. Mehrere Proteste mit zahlreichen Toten richteten sich zunächst gegen eine dritte Kandidatur des alten Präsidenten Macky Sall und gegen die Korruption wichtiger Repräsentanten. Im Zuge einer weiteren Eskalation gab es Proteste gegen die Inhaftierung des populären Oppositionsführers Sonko sowie Fayes und gegen die Verschiebung der Präsidentschaftswahl.
Macky Sall konnte seine Machtansprüche gegenüber dem Obersten Gerichtshof am Schluss nicht durchsetzen und dem internen und externen Druck nicht mehr standhalten. Im Rahmen einer breit angelegten Amnestie entließ Sall - gerade mal zehn Tage vor der Wahl - die beiden Oppositionspolitiker Faye und Sonko aus dem Gefängnis.
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus dieser Krise?
Eine wichtige Lehre aus der Krise ist, dass die staatlichen Institutionen greifen und die Unabhängigkeit der Justiz weiterhin gewahrt werden muss. Wichtig ist jetzt, den nationalen Dialog wiederzubeleben. Dies war zuvor vernachlässigt worden. Außerdem muss das Parlament gegenüber der übermächtigen Position des Präsidenten im Präsidialsystem gestärkt werden.
Neue Regierung sucht den Dialog mit Investoren und Nachbarländern
Was für ein wirtschaftspolitischer Kurs zeichnet sich nach den Wahlen ab?
Positiv anzumerken ist, dass die radikale Rhetorik der Oppositionspartei Pastef nach ihrem Regierungsantritt mittlerweile weitaus moderater ausfällt. Diese Entwicklung ist sehr begrüßenswert. In Richtung Wirtschaftsverbände und ausländische sowie inländische Investoren hatte ein gewisser Verbalradikalismus für Verunsicherung gesorgt.
Im Übrigen konzentriert sich Präsident Faye gegenwärtig auf den Dialog mit den westafrikanischen Nachbarländern, was für die Wirtschaftsentwicklung Senegals und der Region von großer Bedeutung ist.
Was bedeutet der Regierungswechsel für die deutschen Unternehmen?
Mein Appell an die deutschen Unternehmen lautet: Senegal ist ein stabiles Land, die Wahlen haben das gezeigt. Senegal ist auch ein sicheres Land und ein politisch wichtiger Stabilitätsanker für die Region. Damit dient Senegal deutschen Unternehmen auch als Brücke für die Zusammenarbeit mit den Ländern, die die westafrikanische Wirtschaftsregion ECOWAS verlassen wollen bzw. es schon getan haben. Diesen Ländern, damit meine ich Niger, Burkina Faso und Mali, hat die neue Regierung Senegals die Hand gereicht.
Stabile deutsch-senegalesische Zusammenarbeit: erneuerbare Energien und Pharma
Was wünschen Sie sich für die deutsch-senegalesische Entwicklungszusammenarbeit?
Zunächst wünsche ich mir, dass die sehr gute wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung so weitergeht. Da bin ich zuversichtlich. Senegal hat immer ein hohes Maß an Zuverlässigkeit bei der Zusammenarbeit mit deutschen, aber auch europäischen Akteuren an den Tag gelegt. Aufgrund der politischen Stabilität konnte Senegal Vertrauen aufbauen - sowohl bei Unternehmen als auch bei den verschiedenen deutschen Institutionen, wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Welche Beispiele können Sie zum Thema Entwicklungszusammenarbeit nennen?
Ein gutes Beispiel sind die erneuerbaren Energien. Senegal wurde im November 2023 in das Programm Just Energy Transition Partnership aufgenommen. Die Partnerschaft stellt technische Unterstützung und 2,5 Milliarden Euro für Senegals Energiewende und nachhaltige Energieinfrastruktur bereit. Die Finanzierung erfolgt durch Deutschland, Frankreich, die USA, das Vereinigte Königreich, Kanada und die EU.
Ein anderer Bereich ist der Ausbau der lokalen Impfstoff- und Pharmaindustrie. Seit der COVID-19-Pandemie unterstützt Deutschland die Herstellung von Impfstoffen in vier Ländern. Das sind: Ghana, Ruanda, Südafrika und nicht zuletzt der Senegal. Ich war im Februar 2022 selbst dabei, als Bundespräsident Steinmeier zu diesem Zweck den Grundstein zur Erweiterung des Institut Pasteur de Dakar gelegt hat – begleitet von einer sehr stark besetzten deutschen Wirtschaftsdelegation.
Was sind die Erwartungen der senegalesischen Regierung an Deutschland?
Die Mitglieder der neuen senegalesischen Regierung haben immer betont, dass sie auf Augenhöhe mit ihren Partnern arbeiten und ihre Partner nach Maßgabe des eigenen Nutzens aussuchen wollen. Dieses Prinzip kommt Deutschland entgegen, weil Deutschland immer auch auf den Nutzen des anderen geschaut hat. Ich bin davon fest überzeugt: Auch wenn es immer etwas zu verbessern gibt, so bringen wir alle Voraussetzungen mit, um mit der neuen Regierung gut zu fahren.
Das Interview führte Fausi Najjar von Germany Trade & Invest im Juni 2024.