Lobito-Bahnkorridor

Lobito-Bahnkorridor; bestehende Bahnen (schwarz), geplante Bahnen (grün)

Ende 2023 ging ein erster Transport von Kupferkonzentrat aus dem Rohstoffgürtel der DR Kongo per Zug zum Hafen Lobito an der angolanischen Küste. Im Vergleich zu den bisherigen Versandrouten per Lkw spart die Bahnlinie zwei Drittel der Strecke und viel Aufwand. Inzwischen fahren fast täglich Güterzüge, sagt Eric Peiffer von Vecturis im Video-Interview. Die belgische Firma ist Teil eines Konsortiums, das die Verbindung nach Lobito ausbauen, unterhalten und betreiben wird. Die EU hat das Vorhaben als „Leuchtturmprojekt“ in ihre Global-Gateway-Initiative übernommen. Eric Peiffer sieht darin eine große Chance: Er hofft, dass die EU den strategischen Charakter des Korridors nicht nur anerkennt, sondern auch ihre Präsenz im Rohstoffsektor mit konkreten Maßnahmen ausbaut. 

EU-„Leuchtturm“, aber noch wenig Aktion 

Herr Peiffer, sehen Sie ein großes Interesse der EU am Lobito-Korridor?

Das schon. Im März war eine Gruppe der EU-Delegation aus Kongos Hauptstadt Kinshasa in Lubumbashi, dem Zentrum des südkongolesischen Kupfergebiets. Sie zeigte sich dort interessiert am Ausbau des kongolesischen Teils der Bahnlinie. Das sind die 427 Kilometer von Kolwezi im kongolesischen Minengürtel bis zur angolanischen Grenze. Ein Engagement wäre sehr willkommen. In der Konzession tragen die Anteilseigener – das sind das portugiesische Bauunternehmen Mota-Engil, der Rohstoffhändler Trafigura und wir – die Hälfte der vorgesehenen Investitionen von insgesamt 555 Millionen US-Dollar selbst. Der Rest soll von externen Finanzierungspartnern kommen. 

Leistet die EU nach der Projektklassifizierung als „Leuchtturm“ auch konkrete Unterstützung?

Nein, leider haben wir keine Interessensbekundungen von europäischen Finanzinstituten erhalten, die sich an der Finanzierung dieses Projekts beteiligen wollten. Zumindest nicht in dem kurzen Zeitraum, den uns die Konzessionsvereinbarung dafür vorgab. Wir als Konsortium befinden uns in der Endphase von Verhandlungen mit der US-amerikanischen Entwicklungsbank (DFC) und dem südafrikanischen Pendant (DBSA).

Strategischer Zugang zu Kupfer und Kobalt

Was bringt denn dann die EU-Klassifizierung als „Leuchtturm“?

Das ist eine Frage, die wir uns als Europäer stellen müssen. Wir brauchen auf jeden Fall mehr Dialog zwischen dem Privatsektor und der Europäischen Kommission. Das gilt sowohl für die Identifizierung von strukturierenden oder strategischen Projekten als auch bei deren Umsetzung und Finanzierung. In den Teams der EU wie auch in den europäischen Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, gibt es ein großes Maß an Fachwissen und gutem Willen. Wir müssen nur lernen zusammenzuarbeiten, wie es unsere Konkurrenten bereits tun.

Mit ihrer Initiative Global Gateway ist die EU besonders in Afrika aktiv. Mehr als die Hälfte der im Jahr 2024 nominierten Vorzeigeprojekte befindet sich auf dem Kontinent. 

Warum hat die EU das Projekt dann überhaupt in ihre Liste mit aufgenommen?

Politische Vertreter der EU und aus europäischen Staaten werden nicht müde, ebendiese „strategische Bedeutung“ zu betonen. Die Verbindung verschafft tatsächlich Zugang zu Kupfer, Kobalt und anderen kritischen Rohstoffen, die es für die Mobilitätswende braucht. Schon die Kolonialherren aus Portugal und Belgien hatten die Bahn Anfang des 20. Jahrhundert gebaut, um die mineralischen Rohstoffe zur Atlantikküste zu bringen.

Korridor birgt Chance für Rohstoffverarbeitung

Die EU könnte durch die Bahn ihre Rohstoffposition gegenüber den USA und China stärken?

Natürlich. Die Wiederbelebung des Korridors und die Tatsache, dass es sich um eine offene Infrastruktur handelt, werden hoffentlich den Ausschlag dafür geben, dass sich Europa wieder engagiert. Und zwar im vorgelagerten Bergbau und auch in der nachgelagerten Gewinnung und Verarbeitung der Produkte, die über diesen Korridor transportiert werden. Es geht da um Kupfer in Kathoden- oder Blisterform, ein fast reines Produkt, das allerdings noch einer industriellen Verarbeitung bedarf. 

Unterstützt die EU im zentralen Afrika die Förderung und Verarbeitung von Rohstoffen?

Gegenwärtig ist die europäische Industrie auf dieser Wertschöpfungsstufe kaum vertreten. Sie bezieht ihre Kupferprodukte mit höherer Wertschöpfung weitgehend aus China. Die Abhängigkeit bleibt also praktisch unverändert. Bei den USA ist dies nicht anders: Auch wenn sie sich jetzt finanziell engagieren, müssen sie über ein erneutes Engagement in den vor- und nachgelagerten Bereichen nachdenken. Die Öffnung des Korridors bietet jedenfalls eine Chance, die durch eine umfassendere Industrie- und Handelspolitik ergänzt werden muss.

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im März 2024.