Pillen

Souleymane Ouoba ist etwas verschnupft. Der aus Burkina Faso stammende Markt-Consultant erkennt im französischsprachigen Westafrika Chancen, die sich dort gerade jetzt für deutsche Pharmahersteller auftun. Leider interessiere sich dafür kaum ein deutsches Unternehmen. Ouoba, der seit 1987 in Deutschland lebt, sucht aktuell von Oberursel aus Partner für die Medpharma, ein Treffen der Pharmabranche im ivorischen Abidjan. Im Videointerview erzählt der 63-jährige gelernte Logistiker Erstaunliches über seine Versuche, deutsche Manager zu einem Blick nach Afrika zu bewegen.

Große Nachfrage, kleines Angebot

Herr Dr. Ouoba, welche Absatzchancen sehen Sie in Westafrika?

Dr. Souleymane Labity Ouoba privat Dr. Souleymane Labity Ouoba

Die Märkte für höherpreisige Arzneimittel dort sind immer noch eine Art Hinterhof Frankreichs. Der Stern der alten Kolonialmacht ist aber seit Jahren im Sinken. Das sieht man nicht nur an Staatsstreichen wie in Mali oder Niger. Vor allem die junge Generation will sich von Frankreich emanzipieren. Sie möchte auch weg von französischen Produkten und sucht Alternativen dafür. Sehr gerne auch aus Deutschland – „Made in Germany“ ist begehrt, gerade bei Arzneimitteln. Davon profitiert selbst ein US-Anbieter wie MSD, nur weil das „Merck“ im Firmennamen deutsch klingt.

Müssen Medikamente in Westafrika nicht vor allem billig sein?

Tatsächlich kommen sehr viele Präparate aus Indien oder China, zunehmend übrigens auch aus indischen Fabriken in der Region. Diese Produkte sind aber oft lausig schlecht. Dabei gibt es längst eine Mittelschicht, die bereit ist, für Qualität zu bezahlen. Es ist wie bei den Autos. Meine Frau fährt in Côte d'Ivoire einen BMW. 

Und diese Leute kaufen dann Pillen aus Deutschland?

Eben nicht. Jedenfalls viel seltener, als sie eigentlich wollen. Der Grund ist, dass deutsche Anbieter kaum im Markt vertreten sind. Das ist doppelt ärgerlich, weil das Quasi-Monopol des Vertriebs über Frankreich gerade aufweicht.

Noch läuft der Vertriebsweg vielfach über Frankreich

Was meinen Sie mit Quasi-Monopol?

Höherwertige Arzneimittel für Afrika werden zu einem sehr großen Teil über UbiPharm in Rouen vertrieben. Dieses Unternehmen kauft Medikamente in aller Welt ein, produziert auch selbst welche in Indien, und verkauft sie dann in Afrika. Es gibt noch ein paar weitere solcher Vertriebsfirmen, wie Copharmed. Sie sitzen aber alle in Frankreich, und UbiPharm ist der absolute Platzhirsch. Gründe dafür reichen bis in den Kolonialismus zurück. Mit dessen Erbe wollen die Westafrikaner immer weniger zu tun haben. Nun ist auch in der Region selbst, genauer in Senegal und in Côte d‘Ivoire, der Bau großer Pharma-Verteilzentren geplant. Damit könnte der Umweg über Frankreich entfallen. Investor ist allerdings wieder der Quasi-Monopolist UbiPharm. 

Gibt es solche französischen Monopole auch in anderen Branchen?

Sie sind überall. Schlachthöfe in Burkina Faso bestellen die Patronen für ihre Bolzenschussgeräte seit vielen Jahren nur in Frankreich, geliefert wird erst nach Vorkasse. Nur ist die letzte Sendung aus Frankreich immer noch nicht angekommen, trotz bereits geleisteter Zahlung: „Air France fliegt nicht mehr dorthin“, heißt es, aufgrund der Putsche. Ein Versand zum Beispiel über Deutschland wäre natürlich möglich. In Frankreich findet man aber tausend Gründe, warum das nicht geht. Die Kunden in Afrika haben es einfach satt. Allerdings, es ist wie bei den Medikamenten: Es fehlen Alternativen. 

Liefern auch deutsche Hersteller ihre Medikamente über Frankreich nach Westafrika?

Ja. Typisch ist der Generikahersteller und Exportspezialist Denk aus München. Dessen Präparate sind in Westafrika sehr begehrt. Und das, obwohl sie relativ teuer sind – und die zusätzliche Vertriebsstufe über UbiPharm macht sie bestimmt nicht billiger. Dabei hat Denk einen Vertreter in Côte d‘Ivoire, der dort Marketing macht, also Ärzte, Krankenhäuser oder Apotheken besucht. Kommt es aber zu einer Lieferung, geht die tatsächlich über das Lagerhaus in Rouen. 

Überzeugungsarbeit mit Hindernissen

Warum sparen sich nicht deutsche Firmen diese zusätzliche Vertriebsstufe?

Fragen Sie mich etwas anderes. Es scheint einfach kein Interesse daran zu bestehen, wie für den gesamten Markt Westafrika. Es gibt da dieses negative Afrika-Bild in der westlichen Presse, die Sprachbarriere oder auch pure Unkenntnis. Dabei ist die Nachfrage da und Monopole sind auf dem Rückzug: Jetzt ist für deutsche Firmen die Zeit, den Schritt nach Westafrika zu machen. 

Und Sie versuchen deutsche Pharmafirmen vom Gang nach Westafrika zu überzeugen?

Ja, das ist aber ein hartes Brot. „Afrika ist nicht auf unserer Agenda“, sagt mir zum Beispiel ein namhafter deutscher Hersteller von Generika. Auf diese Haltung treffe ich nicht nur bei Lieferanten von Medikamenten. Typisch ein Telefongespräch von heute morgen: Wegen der Medpharma Africa rufe ich bei einem großen Unternehmen in Baden-Württemberg an, das Technik auch für Pharmahersteller im Programm hat. Schon in der Telefonvermittlung bleibe ich 20 Minuten lang hängen: Was ich denn will, wer ich überhaupt bin; der Datenschutz. Und ja, schicken Sie mal eine Mail an die Infoadresse.

Gibt es denn auch Ausnahmen?

Natürlich, B. Braun zum Beispiel ist in Afrika sehr gut aufgestellt. Insgesamt ist es aber schade, dass deutsche Unternehmen die hohe Qualität ihrer Produkte nicht für einen entsprechenden Auftritt in Afrika nutzen. 

Fachverbände einbinden, staatliche Unterstützung nutzen

Versuchen Sie die Kontaktaufnahme auch über Verbände, die in Deutschland ja sehr wichtig sind? 

Natürlich. Bei der German Health Alliance stieß ich in der Tat von Anfang an auf Interesse. Aber sonst? „Haben Sie Ihre Anfrage so formuliert, dass wir sie eins zu eins auf unseren Verteiler setzen können?“, bekam ich neulich sinngemäß in einer Mail zurück. Und zwar vom Afrika-Beauftragten des Verbandes, an den ich mich bei der Suche nach deutschen Partnern zielgenau gewandt hatte. Ein bisschen mehr Engagement erwarte ich da schon. So wäre es hilfreich, wenn der Verband mir aus seiner Mitgliederliste eine Auswahl mit zehn potenziellen Partnerunternehmen schicken könnte! 

Wie empfinden Sie die Unterstützung durch staatliche deutsche Player?

Sehr hilfreich. Allerdings gibt es da viele Behörden und Agenturen oder neue Netzwerke. Selbst ich als langjähriger Berater blicke kaum noch durch, wer was macht. Die Bundesländer zum Beispiel haben eine sehr gute Afrika-Kompetenz aufgebaut. Aber jeder macht sein eigenes Ding. Das gemeinsame Ziel, die Förderung des deutschen Geschäfts mit Afrika, ist zu sehr in den Hintergrund geraten.

Fühlen sich deutsche Firmen bei Kontakten mit Afrika eher in die Geberrolle gedrängt und sind deshalb vorsichtig? 

Manchmal kann dieser Eindruck tatsächlich entstehen. Namentlich Behörden fordern sehr gerne Investitionen, wo der Deutsche nur verkaufen will, andere eine außergewöhnlich gute Finanzierung. Sehr viele afrikanische Firmen können Beschaffungen und auch Investitionen jedoch durchaus marktüblich finanzieren. Zu oft bekommen sie dafür aber keine passenden Angebote. 

Gefragt: Maschinen, Verpackungen und Know-how

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Côte d'Ivoire will ein Zentrum für die Pharmaindustrie werden, und die Regierung fördert dies zum Beispiel mit Vorschriften für den Local Content. Neben Indern haben dort auch Tunesier investiert. Für die Medpharma Africa suchen ivorische und auch senegalesische Pharmahersteller Anbieter von Maschinen oder Verpackungen. Und zwar explizit aus Deutschland, sie wollen die Marke „Made in Germany“. Ich kontaktierte also einen sehr gut passenden deutschen Maschinenbauer – Antwort: „Im Moment sehen wir für Afrika keinen Bedarf“. 

Und in anderen Ländern?

In Senegal haben sich mehrere lokale Firmen im SenPharm-Projekt zusammengetan und bereits angefangen, Arzneimittel herzustellen. Geld ist da, auch von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Auch die staatliche Exportkreditagentur Euler Hermes ist mit im Boot. Was fehlt, sind deutsche Firmen. Die bräuchte man als Partner für die Lieferung von Maschinen oder die Bereitstellung von Know-how. 

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Februar 2024.

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