Bahnstrecke in Cape Town, South Africa
Christian R. Gutzwiller hat sich in den letzten vier Jahren daran gewöhnt, ein Spinner genannt zu werden. Der 66-jährige Ex-Banker, der im ehemaligen Belgisch-Kongo als Sohn eines Schweizer Forstexperten geboren wurde, will Afrika mit einer riesigen Eisenbahn erschließen. Seine Trans Africa Railway Corporation (TARC) soll Hauptstädte und Wirtschaftszentren entlang der Küsten des Kontinents miteinander verbinden. Die Bahnlinien wären 24.000 Kilometer lang und würden 300 Milliarden US-Dollar kosten. Gutzwiller lebt in Schruns im österreichischen Montafon. Von dort aus erläutert er im Videointerview sein Vorhaben und den Weg, auf dem er private Kapitalgeber dafür finden will.
Zu wenig länderübergreifende Transportwege in Afrika
Herr Gutzwiller, wie kamen Sie auf die Idee mit der Transafrika-Eisenbahn?
2019 wurde ich in Ghana auf die Afrikanische Freihandelszone aufmerksam, welche die Afrikanische Union (AU) gerade gründete. Ein Hauptproblem dabei ist ja, dass es viel zu wenige Transportwege zwischen den Staaten gibt. Die AU hatte sich von einer kanadischen Firma eine millionenteure Studie über ein Hochgeschwindigkeits-Bahnnetz auf dem Kontinent anfertigen lassen. Viel mehr ist jedoch nicht passiert. Mir war aber klar: So eine Bahn ist die Grundlage für weitere Entwicklung. Ich will dabei helfen, dass zum Beispiel ein Uni-Absolvent in Ghana einen Job findet. In dem Land habe ich zehn Jahre meiner Jugend verbracht, nachdem die Landwirtschaftsorganisation der UNO meinen Vater nach Accra geschickt hatte. Das verbindet.
Woher wollen Sie 300 Milliarden Dollar für so ein Projekt bekommen?
Nach dem Geld fragen mich alle immer als erstes, gerade die Afrikaner. Klar ist, dass Staaten das nicht stemmen können. Das Projekt wird komplett von Privaten finanziert und später auch betrieben werden. Regierungen dürfen erst nach 35 Jahren einsteigen, und dann auch nur mit einem kleinen Minderheitsanteil. Aber klar ist, wir denken groß und out of the box, das soll „auf der grünen Wiese“ neu gebaut werden.
Projektstruktur kommt vor Finanzierung
Aber wie wollen Sie Private überzeugen, so viel Geld in eine Riesen-Eisenbahn in Afrika zu investieren?
Wir strukturieren das Projekt professionell und konservativ. Schließlich haben ich und mein wichtigster Mitstreiter Jean-Claude Rochat, ein Anti-Fraud-Spezialist, früher bei Schweizer Großbanken im Audit gearbeitet. Unser Geschäftsplan fußt auf elektrifizierten Hochgeschwindigkeits-Güterbahnen. Die können nachweislich ab 800 Kilometern Länge profitabel sein. Nach zehn Jahren Betriebszeit sind 50 Milliarden Dollar Einnahmen zu erwarten. Aus diesem Cashflow finanzieren sich dann die weiteren Investitionen.
Welche privaten Kapitalgeber haben Sie im Auge?
Vor allem Private-Equity-Firmen und andere Investmentgesellschaften aus dem globalen Norden. Geldgeber aus China, der Türkei oder anderen Staaten werden ebenfalls Interesse haben. An den Kapitalmärkten gibt es immer Anleger, die lohnende Projekte suchen.
Registrieren Sie denn schon positive Signale solcher Firmen?
Nein. Wir haben da auch bewusst noch keine Fühler ausgestreckt. Erst strukturieren wir das Vorhaben perfekt, bevor wir es möglichen Investoren präsentieren. Da muss der erste Schuss sitzen. Sonst ist das Projekt verbrannt.
Plan für ersten Abschnitt von Côte d’Ivoire bis Nigeria
Über welche Streckenabschnitte sprechen wir?
Wir fangen natürlich mit einem Teilstück an, und zwar in Westafrika mit der Strecke von Abidjan in Côte d'Ivoire nach Lagos in Nigeria. Dafür steht als Nächstes die Erstellung einer technischen Machbarkeitsstudie an. Die dauert ein halbes Jahr und kostet 1,5 Millionen Dollar.
Und wer finanziert die Machbarkeitsstudie für die Strecke in Westafrika?
Dieses Geld müssen die betroffenen Länder bis spätestens Ende 2024 beibringen, entweder selbst oder zum Beispiel über die Afrikanische Entwicklungsbank. Wenn sie das nicht schaffen, lassen wir das ganze Projekt fallen. Es geht schließlich um einen geringen Betrag für ein Vorhaben, das ihnen einen riesigen Nutzen bringt. Dieses Geld nicht zusammenzubekommen, das wäre für uns eine Sollbruchstelle für das gesamte Vorhaben.
Haben Sie denn schon die Zustimmung der Regierungen?
Die braucht man in der Tat. Das Land, die Stromversorgung und vieles mehr ist ohne grünes Licht der Staaten nicht zu bekommen. Wir sind in guten Gesprächen mit 34 Regierungen und deren Infrastrukturministern. Eine Unterschrift liegt zwar noch nicht vor, wir haben aber bislang nur positive, ja begeisterte Rückmeldungen erhalten. In Westafrika hat uns Nigerias Ex-Präsident Obasanjo viele Türen geöffnet.
Herausforderung: Bahnlinien und Stakeholder integrieren
Wird Ihr Projekt auch bestehende Eisenbahnen einbeziehen?
Nach Möglichkeit schon, beispielsweise den zu erwartenden LAPSSET-Korridor aus der kenianischen Küstenstadt Lamu. Allerdings verlaufen die meisten der wenigen Bahnlinien des Kontinents aus Binnenstaaten zu Seehäfen, um Rohstoffe abzutransportieren. TARC hingegen führt wie ein Ring an den Küstenlinien entlang, um Seehäfen, Wirtschaftszentren und Hauptstädte zu verbinden. Weitere Voraussetzung ist, dass die Schienen in Standardbreite verlegt sind (SGR).
Wer sind Ihre wichtigsten Mitstreiter?
Technisches Know-how bringt ein nigerianischer Ingenieur, der im Bereich Hochgeschwindigkeits-Bahntechnik in Großbritannien arbeitet. Zwei Transaction Adviser aus Nigeria und Marokko vermitteln uns den Weg zu möglichen Kapitalgebern. Bei vertraglichen Regelungen mit Regierungen und anderen Stakeholdern berät uns die Münchner Organisation ImPPPact. Ich selber arbeite im Schnitt zwei Tage die Woche an dem Projekt.
In sozialen Netzwerken wie LinkedIn schießen Sie ja aus allen Rohren …
Ja, aber das Projekt müsste Sie als Vertreter der deutschen Außenwirtschaftsförderung interessieren. Es ist auch eine riesige Chance für deutsche Firmen.
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Januar 2024.
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