Bearbeitung in der Ensinger Africa Academy in Nairobi, Kenia

Zerspanung in der Ensinger Africa Academy in Nairobi, Kenia

Im Maschinenbau ist Afrika ein fast unbeschriebenes Blatt. Trotzdem investiert ein deutscher Zulieferer jetzt in ein Projektteam in Kenia: Die Ensinger Gruppe aus Nufringen bei Stuttgart gehört zu den weltweit führenden Unternehmen bei Halbzeugen und Zuschnitten aus technischen Kunststoffen, aus denen Zahnräder, Gleitschienen, Düsen und Tausende andere Teile hergestellt werden. Jan van Schaik verantwortet in dem Familienunternehmen mit 2.700 Mitarbeitern und 616 Millionen Euro Umsatz den Geschäftsbereich Halbzeuge, gemeinsam mit Firmen-Miteigentümer Thomas Ensinger. Der 45-jährige Niederländer treibt zudem die Markterschließung Afrikas voran. Er erklärt hier, welche Rolle deutsche Abfüllmaschinen dabei spielen und wieso ihn Erfahrungen aus Brasilien zuversichtlich machen.

Maschinenbau ist klein, Bedarf an Ersatzteilen groß

Herr van Schaik, ein wichtiger Kunde für Sie ist der Maschinenbau – den es in Afrika kaum gibt. Wie das? 

Jan van Schaik, Ensinger GmbH Ensinger GmbH Jan van Schaik, Ensinger GmbH

Es stimmt, Afrika steht für weniger als fünf Prozent unserer direkten Umsätze. Perspektivisch sehen wir dort aber einen nicht zu unterschätzenden Bedarf. Wichtigster Absatzmarkt auf dem Kontinent ist bisher Südafrika, wo es viele Maschinenbau-Unternehmen gibt. Danach kommt Ägypten, wo sich die Branche ebenfalls entwickelt, gefolgt von Marokko, Algerien und Tunesien. Sonst gibt es in Afrika tatsächlich kaum Maschinenbau.

Warum gehen Sie dann nach Kenia?

Es gibt dort einen Bedarf an Ersatz- und Verschleißteilen namentlich durch die Anlagen, in denen unsere Komponenten verbaut sind. Bei der Versorgung damit "brennt" es in Afrika oft, sie wollen wir verbessern. 

Ein Beispiel?

Die Abfüllanlagen von deutschen Herstellern sind im Einsatz bei Coca-Cola und den globalen Biergiganten, die auch in Afrika dominieren. Krones oder Maschinenbauer wie KHS, GEA, Marel und Tetra Pack verbauen in ihren Anlagen vielfältige Kunststoffteile, etwa Abfülldüsen. Die Düse kann von uns direkt stammen oder von Firmen, die dafür unser Halbzeug – Rohre, Platten, Stäbe – verarbeitet haben. Wenn nur eine bestimmte Abfülldüse ausfällt, steht die gesamte Anlage. Und das kommt sehr teuer. Coca-Cola, die Brauerei oder der Ketchup-Hersteller wollen das also schnell in den Griff bekommen, ebenso der Lieferant der Abfüllanlage.

Mit Garantie und Service von der Konkurrenz abheben

Die Kunden brauchen also eine rasche Verfügbarkeit der Teile vor Ort.

Genau. Es gibt im Land zwar Ersatzteillager, die sind aber klein. Und es wird immer das benötigt, was nicht da ist. Einfache Produkte wie Gleitschienen können die Kunden selbst lokal beschaffen und anpassen, manche produzieren sie selbst mit 3-D-Druckern. Das meiste muss aber kostspielig aus dem Ausland als Originalteil eingeflogen werden. Auch deshalb übrigens, weil die Anwender damit Service und Garantie durch den Anlagenbauer sicherstellen. Das dauert aber und kostet, und immer wieder bleiben Sendungen im Zoll hängen. 

Eine Belieferung durch lokale Hersteller ist bisher nicht möglich? 

Unsere Kunden berichten uns, dass sie vor Ort bisher nur schwer das richtige Material und auch kaum Firmen finden, die das Halbzeug zur Düse oder zum Zahnrad verarbeiten können. Es gibt in Kenia zwar Dreh- oder Fräsbetriebe, die unsere Rohre, Stäbe und Platten zerspanen könnten. Diese Firmen sind aber nicht wettbewerbsfähig und bieten keine akzeptable Qualität. Dabei klemmt es vor allem an der Ausbildung der Leute. 

Deshalb wollen Sie die Teile künftig selbst in Kenia herstellen?

Ja. Wenn wir die Komponenten aus lokaler Produktion liefern können, sind wir mit unseren Halbzeugen und Fertigteilen nachhaltig im Geschäft. Außerdem stärken wir damit die Marktstellung der deutschen Maschinenbauer: Sie können sich mit einer umfassenden und vor allem prompten Ersatzteilversorgung absetzen von Konkurrenten, die einfachere Anlagen mit weniger Service anbieten.

Ausbildung in Eigenregie

Eine Nachfrage für Ihre Teile haben Sie also festgestellt. Was war Ihr nächster Schritt für die Markterschließung?

Vor etwa drei Jahren schauten wir uns selbst Firmen an, die als Zulieferer in Frage kommen: Da passt wirklich keiner zu uns. Deshalb haben wir im April dieses Jahres damit begonnen, in Nairobi Schulungen für Zerspanungsmechaniker zu organisieren. 

Was finden Sie in den Berufsschulen vor?

Dass es vieles nicht gibt, was die Wirtschaft bräuchte, zum Beispiel eine brauchbare Ausbildung für die Zerspanung. In diese Lücken gehen wir rein. Wir bilden also Lehrer aus und tragen die Strom- und Unterhaltskosten für die Ausbildungsmaschinen. Die Schüler zerspanen damit Kunststoffe, "unser" Material.

Wie sind die Berufsschulen ausgestattet?

Überraschend gut. Da stehen fast neue Dreh- und Fräsmaschinen – die kaum benutzt werden, weil dafür eben kein Geld da ist oder Lehrer fehlen. Die Maschinen stammen meistens aus China, aus einem umfangreichen Programm, das finanziert, aber offenkundig nicht nachhaltig weitergeführt wurde. 

Sparen Sie durch eine lokale Produktion Einfuhrzölle?

Im Gegenteil. Kenia lässt Fertigteile zollfrei ins Land, erhebt auf Halbzeuge aber 30 Prozent. Erklären kann mir das niemand. Kenia will ja wie so viele andere Länder die Produktion im Land unterstützen. 

In Brasilien bewährte sich Langfrist-Strategie

Das ist alles recht viel Aufwand für Sie. Wird sich der mal lohnen?

In Brasilien sind wir vor 25 Jahren mit einer ähnlichen Strategie in den Markt gegangen. Dort war die Branche damals ebenfalls kaum entwickelt. Wir haben also erst in die Ausbildung sowie Beratung der Kunden investiert – diese Faktoren machen den großen Unterschied. Heute sind wir in Brasilien sehr gut aufgestellt und das Geschäft dort ist profitabel. 

In Brasilien hat es 25 Jahre bis zum Break-Even gedauert?

So lange nicht. Aber in Afrika haben wir die Absicht, in zehn Jahren profitabel zu sein. So ein langfristiger Horizont ist nur in einem Unternehmen wie unserem denkbar. Es ist vollständig im Besitz der Familie Ensinger, die auch bestimmte gesellschaftliche Werte vertritt und umsetzt.

Fachkräfte allein machen aber noch keine gute Zulieferstruktur. 

Deshalb müssen die Maschinenanbieter und andere Kunden auch in Kenia die Bereitschaft mitbringen, am Aufbau eines Fertigungskreislaufs mitzuarbeiten. Wir gehen dabei gerne voran und sind bereits in guten Gesprächen mit Firmen, die schwerpunktmäßig aus Deutschland stammen. Auch unser Erfolg in Brasilien damals basierte auf einer Zusammenarbeit mit Partnern, beispielsweise mit Nahrungsmittelverarbeitern und Landmaschinenherstellern.

Pilotprojekt für den Kontinent

Wie bearbeiten Sie Ihre Märkte in Afrika bisher?

In Nord- und in Südafrika haben wir externe Vertriebspartner, die teilweise auch selbst Fertigteile aus unseren Halbzeugen produzieren. Eine eigene Niederlassung haben wir nicht auf dem Kontinent. Das Projekt in Kenia betreuen aktuell drei Mitarbeiter. Kenia sehen wir in Afrika jenseits unserer bestehenden Absatzmärkte als jenes Land, in dem wir am ehesten einen Markt aufbauen können. Später dehnen wir das Projekt dort eventuell auf andere Länder aus.

Wer sind Ihre bisherigen Kunden in Afrika?

In Südafrika der Maschinenbau sowie eine Vielzahl von Unternehmen aus der dort recht breit aufgestellten Industrie. In Nordafrika beliefern wir vor allem die Near-Shoring-Industrie, die etwa Kfz- oder Luftfahrzeug-Teile für Europa produziert. 

Was macht eigentlich Ihre Konkurrenz in Afrika? 

Mit Ausnahme einer Präsenz in Südafrika nehmen wir auf dem Kontinent kaum Aktivitäten unserer globalen Wettbewerber wahr.

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Oktober 2024.

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