Voith Hydro bietet Ausrüstung und Know-How, um Elektrizität aus Wasserkraft zu erzeugen.
Voith Hydro mit Sitz in Heidenheim liefert Turbinen und andere elektromechanische Ausrüstungen und Dienstleistungen, mit denen weltweit ein Viertel der Elektrizität aus Wasserkraft erzeugt wird. Immer mehr in den Fokus rückt dabei Afrika. Dort dürften durch den großen Nachholbedarf des Kontinents viele neue Projekte entstehen, etwa zum Umgang mit dem Klimawandel und rund um das Zukunftsthema Grüner Wasserstoff. Das bedeutet jedoch viel Vorarbeit und man braucht einen langen Atem – insbesondere bei Finanzierungsfragen.
Ungenutztes Potenzial beim Ausbau der erneuerbaren Energien
Frau Bergmann, ist Afrika für Voith Hydro ein Zukunftsmarkt?
Auf der ganzen Welt wird Wasserkraft eine entscheidende Rolle beim Aus- und Umbau der Energieversorgung spielen – besonders auch in Afrika, wo sich die Bevölkerung nach aktuellen Schätzungen der Vereinten Nationen bis 2050 mehr als verdoppeln wird. Bereits um 1900 wurden dort die ersten Wasserkraftwerke gebaut. Voith Hydro ist auf dem Kontinent schon seit den 1930er Jahren aktiv. Wir haben früh den überproportional wachsenden Markt erkannt, als viele afrikanische Länder Wasserkraftvorhaben in ihre nationalen Energieentwicklungspläne aufgenommen haben. In den nächsten zehn Jahren sehen wir, im Verhältnis zu den Vorjahren, weniger große Projekte. Dennoch erwarten wir ein erhebliches Potenzial zur Rehabilitierung und Modernisierung von bestehenden Wasserkraftwerken, sowie hunderte von kleineren Projekten im Service und bei Kleinanlagen.
Welche Gründe sehen Sie für einen Ausbau der Wasserkraft in Afrika?
Das Potenzial der Wasserkraft in Afrika ist mit einer installierten Leistung von aktuell rund 38 Gigawatt nur zu 11 Prozent ausgeschöpft. Auf der anderen Seite sehen wir, dass in Subsahara-Afrika nur etwa 45 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Strom hat. In manchen Ländern sind es noch weniger, in der Demokratischen Republik Kongo etwa nur jeder zehnte Einwohner.
Neben größeren und kleineren Laufwasserkraftwerken werden zukünftig Pumpspeicherkraftwerke benötigt. Die International Energy Agency betonte jüngst in einer Studie, wie wichtig diese für die Integration von Solar- und Windkraft und zur Netzstabilisierung sind. Der afrikanische Kontinent hat aufgrund der unterschiedlichen Regen- und Trockenzeiten großes Potenzial für Hybridlösungen, wie zum Beispiel die Kombination von Solarzellen und Wasserkraft. So kann Wasserkraft einen wesentlichen Beitrag gegen den Klimawandel und zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele leisten.
Welche Rolle messen Sie dem Grünen Wasserstoff zu?
Eine sehr große. In unserer nationalen Wasserstoffstrategie braucht Deutschland Partner zur Erzeugung von grünem Strom aus erneuerbaren Energien. Afrika ist hier mit seinem riesigen Potenzial an Sonnen- und Windenergie, aber eben auch dem bisher nicht ausgeschöpften Wasserkraftpotenzial der ideale Standort. Mit der Wasserstofftechnologie und dem damit verbundenen Technologie- und Wissenstransfer, nicht nur aus Deutschland, sondern aus ganz Europa, hat Afrika die Chance Teil der sich neu etablierenden globalen Lieferkette zu sein.
Afrikas Strommärkte noch wenig privatisiert
Wie können Deutschland und andere Industriestaaten den Ausbau der öffentlichen Stromerzeugung in Afrika unterstützen?
Hauptsächlich erfolgt das heute mit bi- und multilateralen Entwicklungsbanken. Diese Institutionen finanzieren außerdem nationale Energieentwicklungspläne und die Ausarbeitung von Normen und Regularien des Energiesektors. Das ist wichtig, um einen fairen Wettbewerb zu schaffen und auch für die afrikanischen Kunden nachhaltige Projekte umzusetzen. Dazu gehören etwa Stromeinspeise-Regelungen, ohne die gerade privatwirtschaftlich betriebene Kraftwerksprojekte schwer vorankommen. Deutschland ist in Afrika mit der KfW Entwicklungsbank gut vertreten und auf technischer Seite leistet die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wertvolle Arbeit.
Haben Sie es in der öffentlichen Stromversorgung in Afrika hauptsächlich mit staatlichen Akteuren zu tun?
Anders als etwa in Lateinamerika, wo der Sektor teils früh und umfassend privatisiert wurde, ist auf den afrikanischen Märkten weiterhin alles stark reglementiert. Die privatwirtschaftliche Öffnung mit allen notwendigen juristischen Rahmenbedingungen gelingt nur sehr langsam. Behörden und Energieversorger in Afrika bestimmen weiterhin das Tarifsystem, die Stromverteilung und andere Rahmenbedingungen. Der Staat fokussiert sich dann oft nur auf den Bau relativ großer Wasserkraftvorhaben. Initiativen zur dezentralen Energieversorgung und Modernisierungsprojekte stehen meist an zweiter Stelle.
Aber mangels staatlicher Kapazitäten sehen wir eindeutig einen Trend zur Liberalisierung und zu mehr privatem Engagement im Elektrizitätssektor. Denn dezentrale Lösungen sind zunehmend gefragt, weil es zum Beispiel an Übertragungsleitungen fehlt, um die ländlichen Regionen zu elektrifizieren und damit die Landflucht einzudämmen. Mit einer besseren lokalen Verfügbarkeit von Strom verbessern sich die Perspektiven für eine intensivere Landwirtschaft und die Verarbeitung von Agrarprodukten. Dadurch wird mehr lokale Wertschöpfung erreicht.
Sind gute Informationen die Basis der Projektakquise, Frau Bergmann?
Ja, wir haben ein seit langem bestehendes Vertriebsinformationssystem, das auch die Marktaktivitäten in Afrika abdeckt. Zudem haben wir drei lokale Niederlassungen in Angola, Äthiopien und Südafrika. Die Informationen zu den geplanten Wasserkraftvorhaben erhalten wir durch öffentliche Publikationen, beispielsweise in der Fachpresse oder auf Konferenzen. Des Weiteren stehen wir natürlich in engem Austausch mit Kunden, verschiedenen Regierungsinstitutionen, Ministerien, Beratungsfirmen und Bauunternehmen.
Von der Projektfinanzierung bis zur Projektumsetzung
Wer bringt ein staatliches Wasserkraftprojekt üblicherweise ins Laufen?
Das ist in jedem Projekt anders und man kann nur schwer allgemeine Gesetzmäßigkeiten feststellen. Häufig kommt der Impuls von der zuständigen Behörde. Doch Detailwissen zu einem Vorhaben hat diese zu diesem Zeitpunkt zunächst wenig. Dieses Wissen wird dann häufig von Beratungsteams und Unternehmen beigesteuert, welche die späteren Arbeiten durchführen können – zum Beispiel von uns. Das funktioniert natürlich nur, wenn wir frühzeitig in die Entwicklung des Projektes involviert sind. Ähnliche technische Expertise steuern Vertreter der anderen Gewerke, wie beispielsweise Bauunternehmen, bei.
Danach kommen die Ingenieursconsultants ins Spiel?
Auch das hängt vom jeweiligen Fall ab. Manchmal wurden Berater von der Behörde auch schon vorher kontaktiert. Die Consultants analysieren das Projekt als Ganzes. Ergebnis sollte immer eine Machbarkeitsstudie sein, welche die Grundlage für das weitere Projekt bildet und nicht nur technische und kommerzielle Aspekte berücksichtigt, sondern auch Auskunft zur Umwelt- und Sozialverträglichkeit gibt. Erst dann kann ein Vorhaben als nachhaltig oder eben auch verbesserungswürdig eingestuft werden. Um einen Consultant allerdings überhaupt beauftragen zu können, braucht es finanzielle Mittel. Leider ist oft schon dafür kein Geld vorhanden. Das ist der Hauptgrund, warum so viele Projekte in der Schublade verschwinden. Die vielfältigen Afrika-Initiativen gerade auch der Bundesregierung setzen unter anderem auch hier an und versuchen, das Know-how in Afrika zu fördern.
Und hier helfen dann Entwicklungsbanken?
Entwicklungsbanken, wie die KfW, haben dafür gesorgt, dass in den letzten Jahren wieder deutlich mehr Mittel in Projektstudien für Kraftwerke in Afrika fließen. Die Banken sind dann in Kontakt mit der Behörde als Projekteigner. Sie werden auch kontaktiert – von uns oder anderen Firmen, die an der Ausführung interessiert sind. Wir haben gute Erfahrungen mit Vorhaben, die von der KfW oder anderen Institutionen wie der Afrikanischen Entwicklungsbank finanziert wurden. Diese Institutionen legen Wert auf Nachhaltigkeit, etwa indem sie die Grundrahmendaten des Projekts auf eine nachhaltige Basis stellen und dann im Zeitverlauf auch die Schulungen für die späteren Kraftwerksbetreiber nicht vergessen. Das kommt uns entgegen, weil Nachhaltigkeit und Langlebigkeit einer Anlage ohnehin Basis unserer Arbeit sind.
Zukünftig wäre eine effektivere Verzahnung internationaler Entwicklungshilfeaktionen und Finanzprodukten mit schlanken Strukturen und schneller Reaktionsfähigkeit wünschenswert. Das beginnt hier in Deutschland, wo wir uns für einen Wirtschaftsfonds Afrika stark machen, der Entwicklungshilfe und Außenwirtschaftsfinanzierung besser kombiniert und da ansetzt, wo Exporteure nachhaltige Projekte wegen der fehlenden Finanzierung nicht durchführen können.
Wie werden Projekte vergeben?
Nach öffentlichen Ausschreibungen. Die Behörde teilt das Projekt dafür manchmal auf mehrere Lose auf. Einfacher wird es – insbesondere für den Endkunden und die Finanzierungsinstitutionen –, wenn es wie üblich als Gesamtpaket an einen Hauptauftragnehmer vergeben wird. Das ist normalerweise ein Bauunternehmen, von denen wir eine Vielzahl in Europa haben. Der Hauptauftragnehmer vergibt dann seinerseits per Ausschreibung die nachfolgenden Gewerke, zum Beispiel den gesamten elektromechanischen Teil an Voith. Kommerziell gibt es da verschiedenste Konstellationen.
Es gibt viele Entwicklungsbanken mit teils überlappenden Aktivitäten. Wie orientiert man sich da?
Die deutsche KfW und die französische AFD zum Beispiel finanzieren staatliche, oft große Vorhaben. Deren Töchter DEG beziehungsweise Proparco konzentrieren sich auf privatwirtschaftliche, kleinere bis mittlere Projekte. Andere Institutionen wie die Afrikanische Entwicklungsbank und die Weltbank haben öffentliche wie private Kunden oder führen dafür jeweils eigene Sparten. Sehr hilfreich sind Kooperationen der Entwicklungsbanken aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden: DEG, Proparco und FMO teilen sich dann bei gemeinsamer Finanzierung eines Projekts die anfallenden Aufgaben klar auf. Um die Refinanzierung etwa kümmert sich dann die FMO, um die Risikobewertung die DEG. Im Bereich der staatlichen Kreditnehmer haben KfW und die französische AFD zum Beispiel in Uganda oder im Dreiländereck Burundi, DR Kongo und Ruanda schon auf ähnliche Weise kooperiert.
Weiterführende Informationen |
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im August 2021.