Start des Elektromobilitäts-Projektes in Ruanda (Sabine Dall’Omo, CEO von Siemens Südafrika, Edouard Ngirente, Premierminister von Ruanda, Dr. Bernd Althusmann, ehem. Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, Michaella Rugwizangoga, ehem. CEO von Volkswagen Mobility Solutions Ruanda und Thomas Schäfer, Mitglied des Volkswagen-Konzernvorstands).
Am 20. November 2023 richtete die Subsahara-Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI) den vierten G20 Investment Summit – German Business and the CwA Countries in Berlin aus. Thomas Schäfer ist SAFRI-Vorsitzender und sieht in dem Gipfel eine hohe Bedeutung für die deutsch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen. Im Interview erklärt er, wie wichtig das Zusammenspiel zwischen Staat und Privatwirtschaft ist und auf welche Weise Deutschland als starker Afrika-Partner auftreten sollte. In seiner Funktion als Mitglied des Volkswagen-Konzernvorstands betont Schäfer die Potenziale des afrikanischen Kontinents als Investitionsziel – für die Automobilindustrie und darüber hinaus.
Neue Allianzen für stärkere Zusammenarbeit mit Afrika
Herr Schäfer, welche Bedeutung hat der Compact with Africa-Gipfel für die deutsche Wirtschaft?
Der Gipfel ist extrem wichtig und bietet viele Chancen. Er hat sich zu einer großartigen Plattform entwickelt, an der Staatsoberhäupter und eine Vielzahl an Entscheidern aus Wirtschaft und Gesellschaft aus dem Afrikaumfeld teilnehmen. Das gibt uns die Möglichkeit, zügig Themen zu besprechen und Projekte auf den Weg zu bringen. Afrika hat ein riesiges Potenzial. Deutschland muss sich hier noch besser positionieren. Wir müssen stärker zusammenarbeiten und noch mehr Chancen ergreifen.
Welche Form der Unterstützung wünschen sich deutsche Unternehmen bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten in Afrika?
Es geht darum, dass wir Allianzen schmieden, um die Zusammenarbeit mit Afrika zu verstärken. Dazu braucht es den politischen Willen und die Flankierung seitens der Bundesregierung. Aber auch noch mehr Initiative und Mut der Wirtschaft und der begleitenden Institutionen.
Also geht es um das Zusammenspiel aus Staat und Privatwirtschaft?
Die Regierungen in Afrika und Deutschland müssen die Voraussetzungen schaffen, etwa im Bereich der Regulierung. Unternehmen müssen sich dann auf dieser Grundlage noch viel stärker engagieren. Dazu gehören auch internationale Institutionen wie die Weltbank. Wir brauchen insgesamt mehr Vernetzung und Kollaboration. Wenn jeder für sich allein agiert, wird nichts passieren.
Können Sie ein Beispiel für solch eine Zusammenarbeit geben?
In Ruanda etwa hat Volkswagen Siemens für ein gemeinsames Elektromobilitätsprojekt gewonnen. Allein würde Siemens dort keine Ladestationen für Elektrofahrzeuge aufbauen. Umgekehrt würden wir auch nicht ohne einen Partner nach Ruanda gehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft noch viel kollaborativer denken müssen, um Dinge erfolgreich auf den Weg zu bringen.
Perspektive: „One-Stop-Shop“ und Leuchtturmprojekte
Welche Prioritäten sehen Sie für sich als SAFRI-Vorsitzender?
Meine oberste Priorität ist es, Deutschland als starken Partner für Afrika zu positionieren. Dafür benötigen wir aber eine klare Struktur unseren Freunden in Afrika gegenüber. Derzeit sind wir mit den vielen verschiedenen Institutionen sehr fragmentiert aufgestellt. Wir haben bisher keinen „One-Stop-Shop“, an den sich interessierte Unternehmen aus Afrika wenden können. Das machen andere besser.
Was also wäre Ihre strategische Empfehlung für das deutsche Afrika-Engagement?
Es geht im ersten Schritt darum, das Engagement besser zu bündeln, unseren Partnern gegenüber Flagge zu zeigen sowie Leuchtturmprojekte herauszustellen. Wir wollen zeigen, wie ernst wir die Partnerschaft mit Afrika meinen. Es geht eben nicht nur um Entwicklungshilfe, sondern tatsächlich um strukturelle Themen, die allen helfen. Dazu brauchen wir als deutsche Wirtschaft nach meiner Überzeugung eine Art „Afrika-Desk“. Es muss klar sein, wer wobei unterstützt. Dabei soll niemandem etwas weggenommen werden. Stattdessen soll die Arbeit konzertiert und fokussiert angegangen werden.
Welche Themen stehen dabei im Mittelpunkt?
Inhaltlich wollen wir uns auf die Themen kontinentale Zusammenarbeit, Lieferketten, Bildung und die Entwicklung von wirklich mutigen Leuchttürmen konzentrieren. Das ist die Perspektive, die ich für 2024 mitgestalten möchte.
Welche Herausforderungen stellen sich für ein deutsches Unternehmen in Afrika?
Wir haben das Glück, als großes globales Industrieunternehmen gehört zu werden. Ich verfüge daher in Afrika über relativ viele persönliche Kontakte. Die können auch für andere Unternehmen sehr hilfreich sein. Ich habe generell das Gefühl, dass afrikanische Partner gerne mit uns reden und sich über unsere Vorschläge freuen. Wir brauchen aber mehr und häufigeren Kontakt. Eventuell muss man sich auch aufteilen, so dass sich ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen mit einem Land intensiver beschäftigt. Dadurch könnte die Last etwas verteilt werden.
Automobilindustrie profitiert von regionaler Integration
Welche Hoffnungen setzen Sie auf eine stärkere kontinentale und regionale Integration?
Das ist das zentrale Thema. Wir haben die großartige Perspektive, dass Afrika wirklich zusammenwächst. Europa ist auch nicht über Nacht entstanden. Mit der African Continental Free Trade Area wurden wesentliche Grundlagen geschaffen. Sie hat mit Wamkele Mene einen Generalsekretär, der die Themen zusammenführt und die richtigen Zeichen setzt.
Deswegen arbeiten wir in der Automobilindustrie auch engagiert daran mit. Kein Land in Afrika braucht heute eine eigene Autoindustrie nur für sich selbst. Es ist jedoch sehr sinnvoll, regional zusammenzuarbeiten und die Wertschöpfungsketten zu vernetzen. Jeder könnte innerhalb der Region etwas anderes produzieren. Dadurch könnten dann alle gewinnen.
Können Sie für Ihr eigenes Unternehmen eine Investition in einem neuen afrikanischen Markt in Aussicht stellen?
Wir werden auf jeden Fall weiterhin in Afrika investieren. Auch andere Unternehmen, wie Siemens, werden weiter investieren. Ein Beispiel: Derzeit arbeiten wir mit der ägyptischen Regierung und einem Konglomerat von weiteren Herstellern und Unternehmen daran, in einer Freihandelszone den Aufbau einer industriellen Fertigung zu prüfen. Ob das gelingen wird, wird sich zeigen – aber die Vorzeichen sind recht gut.
Was genau meinen Sie damit in Bezug auf Ägypten?
Ägypten gehört zu den drei größten Volkswirtschaften Afrikas. Es ist in unserem Interesse, dass sich in der Region eine Autoindustrie entwickelt. Europäische Unternehmen könnten davon überproportional profitieren. Denn zu Beginn einer Produktion würde die europäische Industrie viele Teile nach Ägypten liefern.
Aus dem Nichts heraus wird in Afrika keine Riesenfabrik entstehen. Angesichts der Überkapazitäten auf der ganzen Welt wartet darauf erstmal keiner. Darum ist es wichtig, dass Verbände, Hersteller und die Politik sich gemeinsam abstimmen. Dafür ist Ägypten ein sehr gutes Beispiel.
Investmentdestination Afrika
Welchen Ratschlag können Sie als Manager geben, der viele Jahre in Afrika gearbeitet hat?
Afrika wirkt aus der Ferne mitunter bedrohlich und mit angeblich enormen Risiken behaftet. Afrika hat jedoch auch mutige Investitionen belohnt. Ich möchte daher jedem herzlich empfehlen, sich mit diesem Kontinent zu beschäftigen. In den nächsten 20 Jahren wird das ein großes Thema werden, Afrika bietet für uns hier in Europa eine Riesenchance. Es freut mich, an dieser Entwicklung teilhaben und mithelfen zu können – gerade auch im Automobilbereich.
Warum wächst das Potenzial in Afrika?
China ist eine schrumpfende Gesellschaft, Europa ein gesättigter Markt – aber wo wächst denn noch etwas? Afrika ist weitgehend vernachlässigt und hat einen extremen Mobilitätsbedarf. Es gibt dort viele Chancen, mit neuen, nachhaltigen Geschäftsmodellen Einkommen und sozialen Aufstieg zu generieren. In Kenia entsteht etwa durch Silicon Savannah ein enormer Wohlstand.
Stellen Sie eine Veränderung in der Wahrnehmung Afrikas fest, wenn Sie auf die Anfänge Ihrer beruflichen Tätigkeit zurückblicken?
Es gibt natürlich Licht und Schatten – das muss man fairerweise sagen. Einige Länder haben sich nicht so entwickelt, wie wir es uns erhofft haben. Andere Länder entwickeln sich dagegen viel schneller als gedacht.
Ein Leuchtturmprojekt, das auch viele andere Länder mitzieht, ist das Projekt von Volkswagen zur Fertigung von Fahrzeugen und für Mobilität in Ruanda. Das hat zu einem Ruck in Afrika geführt, in dessen Folge uns viele Präsidenten angerufen haben und sagten: Wenn Ihr nach Ruanda geht und das Land es schafft, dann wollen wir so etwas auch bei uns umsetzen.
Heute ist es einfacher in Afrika zu investieren, als noch vor 20 Jahren. Eine Rolle spielt dabei auch die Digitalisierung. Es würde mich freuen, wenn Afrika eine echte Investmentdestination wird. Das wäre für Afrika sowie für Europa gut und könnte die Welt insgesamt stabilisieren.
Das Interview führte Michael Monnerjahn von der Geschäftsstelle Wirtschaftsnetzwerk Afrika im November 2023.
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