Das Dakar Bus Rapid Transit (BRT)-Projekt ist Teil eines umfassenden Plans zur Umstrukturierung des öffentlichen Verkehrsnetzes in der Hauptstadt des Senegals.
Elektrobusse in Afrika? Dort gibt es doch kaum Strom! - An diesem Vorurteil setzt CarMedialab aus dem baden-württembergischen Bruchsal an. Das Softwareunternehmen unterstützt mit seinen Systemen den öffentlichen Verkehr in Senegal auf dem Weg zur Energiewende. Im Interview erzählt Henri Depe Tchatchu, Managing Director und COO, wie man als Technologiepionier in Afrika erfolgreich Fuß fasst und in mehrere Länder expandiert.
Über öffentliche Ausschreibung nach Afrika
Herr Depe Tchatchu, wie erklären Sie jemandem, der noch nie von CarMedialab gehört hat, was Ihr Unternehmen macht?
Ob Sie in Berlin, Dublin, Darmstadt, Raleigh (USA) oder Tel Aviv in einen Elektrobus einsteigen – überall dort und in zahlreichen Städten weltweit ist unsere Software im Einsatz. Für den Fahrzeugnutzer ist sie nicht sichtbar, aber sie arbeitet ständig im Hintergrund und kümmert sich um das Management der gesamten Ladeprozesse. Mit unserer Software können Ladeinfrastruktur und -vorgänge in Echtzeit überwacht und verfolgt werden. So ist gewährleistet, dass die Ladung der Busse stets bedarfsgerecht, kostengünstig und batterieschonend abläuft. Unsere Idee ist es, den öffentlichen Verkehr grüner zu machen. Beim Thema Elektromobilität geht es bisher meist um private Fahrzeuge. Wir hingegen sehen eine große Chance im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs.
Wie sind Sie nach Afrika gekommen?
Über die Beteiligung an einer öffentlichen Ausschreibung. Aus Dakar, der Hauptstadt Senegals, haben wir den Auftrag bekommen, die erste Elektrobusflotte in Afrika mitzugestalten. Das Projekt wird von der dortigen Regierung gemeinsam mit der Weltbank finanziert. Es sind über 140 Busse, die im Verkehr von Dakar für Entlastung sorgen sollen. Über eigene Bus Rapid Transit-Linien, die nur diesem Verkehrsmittel vorbehalten sind, wird die Stadt von Nord nach Süd über 18 Kilometer verbunden. So können die Einwohner Dakars ihr Auto öfter zu Hause lassen und ohne Stau zur Arbeit fahren. Damit werden jährlich 59.000 Tonnen CO2 eingespart und rund 1.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Auf dem afrikanischen Kontinent ist dies bislang das erste Projekt dieser Art.
Reicht der Strom für eine Busflotte von über 140 Bussen aus?
Viele fragen uns: „Warum macht ihr Elektrobusse in Afrika? Dort gibt es doch keinen Strom!“ Natürlich gibt es mitunter Engpässe in der Stromversorgung. Aber die E-Busse laden in der Nacht. Da schlafen die meisten Menschen und brauchen diesen Strom dann nicht. So gewährleistet unser System ein Gleichgewicht zwischen allgemeinem Stromverbrauch und dem Busbetrieb. Gerade im Senegal ist das wichtig, weil Strom dort ein großer Faktor ist.
Projekt in Dakar als Grundstein für weitere Expansion
Haben Sie Tipps für Unternehmen, die an solchen Ausschreibungen teilnehmen?
Geduld! Geduld ist in Afrika ein großes Wort. Die Dinge gehen nicht immer so schnell, wie wir es in Deutschland kennen. Man muss offen sein, über die eigene gewohnte Arbeitsweise hinausgehen, sich über die lokalen Gegebenheiten informieren und bereit sein, mit guten Argumenten zu überzeugen.
Was sind Ihre Zukunftspläne auf dem Kontinent?
Seit unsere Teilnahme an dem Dakar-Projekt bekannt geworden ist, bekommen wir Anfragen aus vielen afrikanischen Ländern: Nigeria, Ghana, Südafrika, Kamerun, Kenia. Einen Überblick darüber, wie wir mit unserer Expansionsstrategie auf dem Kontinent weiter vorgehen können und wer die wichtigsten Ansprechpartner sind, haben wir über das IHK-Netzwerkbüro Afrika (INA) bekommen. Wir waren sehr froh, dass es diese Anlaufstelle für Unternehmen gibt und dass man beim Markteintritt nicht allein ist.
Ich glaube, Kenia und Ruanda könnten unsere nächsten Ziele werden. Wir würden auch gerne nach Nigeria expandieren. Denn in Städten wie Lagos mit über 20 Millionen Einwohnern, wo man stundenlang im Stau steht, ist der Bedarf an emissionsfreiem öffentlichem Nahverkehr enorm. Und die Städte sind selbst daran interessiert, diesen Kreislauf zu durchbrechen.
Leapfrogging und Personalakquise in Afrika
Wie erklären Sie sich die große Nachfrage?
In vielen afrikanischen Ländern gibt es den ÖPNV, wie wir ihn in Deutschland und Europa gewohnt sind, noch nicht so lange. Sie kennen vielleicht die kleinen gelben Busse, die Matatu, die in Städten wie Nairobi oder Dakar fahren. Die sind ineffizient und nicht planbar. Deshalb will man direkt zum elektrischen Betrieb kommen. Vom Matatu zum Elektrobus – das ist ein sehr großer Sprung, der die Zwischenstufe mit Diesel auslässt. Leapfrogging zum nachhaltigen Verkehr könnte man es nennen. Da sind wir mit unserer Software im Zeitgeist. Bedarf und Finanzierung sind da. Und wir sind froh, dass wir diese Technologie als erste auf den afrikanischen Markt gebracht haben.
Apropos Zeitgeist: Sie engagieren bereits IT-Fachkräfte aus afrikanischen Ländern - ist das richtig?
Nicht ganz. Wir haben in den letzten Jahren überwiegend IT-Spezialisten aus Osteuropa und Portugal eingestellt, weil es hier in Deutschland immer schwieriger wird, Personal zu finden. Vor allem in den Bereichen Informatik und IT ist der Fachkräftemangel spürbar. Afrika wird für uns, gerade als Softwareunternehmen, der nächste wichtige Ort für Personalakquise. Bereits jetzt schon arbeiten wir mit sehr professionellen jungen Menschen in Afrika zusammen. Sie sind einfach begeistert, neue Technologien in ihren Ländern zu integrieren.
Wie steht es um Konkurrenz mit China?
Viele Gerätehersteller oder Ladesäulen- und Bushersteller, mit denen wir in Afrika zu tun haben, kommen aus China. Deshalb versuchen wir hier Kompromisse zu finden: Wir bauen auf der Schnittstelle zu chinesischen Lieferanten auf und integrieren die Technologie zum Teil bei uns. Dazu muss man flexibel sein und eine kostengünstigere Alternative anbieten können. So achten wir auch bei unserer Software darauf, dass wir auf technische Feinheiten verzichten, die man in Deutschland braucht, in Afrika aber eher nicht.
Mehr Vernetzung von Unternehmen
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Mehr deutsche und europäische Unternehmen an Bord zu haben. Für uns ist es wichtig, vor allem mittlere und große Unternehmen davon zu überzeugen, dass Afrika Märkte mit Potenzial bietet. Das würde uns als mittelständisches Unternehmen sehr helfen. Ich würde mir mehr Werbung für den Standort Afrika wünschen, die zeigt, dass es dort nicht nur Probleme gibt, sondern auch erfolgreiche Geschäfte. Deshalb denke ich, dass eine Vernetzung von Unternehmen, wie sie etwa das IHK-Netzwerkbüro Afrika leistet, sehr hilfreich ist.
Was sind Ihre Tipps für Unternehmen, die über einen Markteintritt in Afrika nachdenken?
Vorurteile weglassen, Geduld haben und sich auf die spannenden Perspektiven und Möglichkeiten freuen. Man merkt dort, dass die Menschen Lust haben, sich zu entwickeln und weiterzukommen. Diese Entwicklung lässt sich kaum zurückdrehen. Deshalb muss man den Markteintritt einfach wagen. Wir selbst haben bereits ein etabliertes Geschäft in Europa, Nordamerika und Asien. Natürlich ist es nicht das Ziel, unsere dort laufenden Projekte zu vernachlässigen und vorrangig nur dorthin zu gehen, wo man neues Erschließungspotenzial sieht. Aber man kann beides machen: unsere Hausaufgaben auf den bewährten Märkten erledigen und parallel das Geschäft in Afrika aufbauen.
Das Interview führte Lisa Sidorova vom IHK-Netzwerkbüro Afrika (INA) im November 2023.
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