DP World, Berbera, Somaliland
In Berbera in Somaliland ist es 35 Grad heiß, Supachai Wattanaveerachai macht vor seiner Videokamera aber einen ziemlich agilen Eindruck. Der Thailänder leitet dort seit über fünf Jahren die Geschicke des Hafens am Horn von Afrika. Sein Arbeitgeber DP World nahm in Berbera 2021 einen leistungsfähigen Containerterminal in Betrieb, wo auch deutsche Kräne surren. Der emiratische Hafenbetreiber sieht großes Potenzial in der Region, will die kürzlich erhöhte Kapazität kräftig ausbauen und hat viele Flächen in einer neuen Freizone bereits an Investoren vergeben. Viel hängt bei diesen Plänen aber von der durchaus komplexen Lage in Äthiopien ab. Hafenchef „Supa“ beschreibt im Interview Transporte über den „Korridor“ in das Nachbarland und wie seine Mannschaft erfolgreich Fachpersonal ausbildet.
Lage birgt großes Potenzial
Supachai Wattanaveerachai, warum hat DP World in Berbera in den Ausbau des Hafens investiert?
Mit seiner geografischen Lage hat Berbera ein Riesenpotenzial. Wir wollen den Hafen zu einer Transport- und Industriedrehscheibe für das gesamte Horn von Afrika ausbauen. Als Hauptmarkt zielen wir auf Äthiopien.
Äthiopien wickelt bislang über 90 Prozent seines Seehandels über Dschibuti ab ...
... , will diese Abhängigkeit aber vermindern und hat den Hafen Berbera als wichtigste Alternative vorgesehen. Die Entfernung zur äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ist vergleichbar. Insgesamt bewegen wir derzeit im Jahr knapp 140.000 TEU (20-Fuß-Container) sowie 1,3 Millionen Tonnen sonstige Fracht.
Berbera kann schon jetzt jährlich eine halbe Million Container abfertigen, da haben Sie doch große Überkapazitäten?
Wir haben unser Engagement langfristig angelegt, und wir sind entschlossen, Berbera in ein Verkehrs- und Industriezentrum zu verwandeln. Von Berbera lassen sich, neben Äthiopien und Somaliland selbst, auch Südsudan, Jemen und andere Länder in der Region hervorragend bedienen. Unser Hafen mit seinen 16 Metern Tiefe kann Frachter mit bis zu 18.000 TEU abfertigen und damit fast die größten Containerschiffe der Weltmeere.
Wie erfolgt der Weitertransport der Güter an ihr Endziel?
Mit kleineren Schiffen, per Lkw und künftig auch dem Flugzeug. Luftfracht ist besser geeignet für die Belieferung von entlegenen Destinationen und auch von Binnenstaaten wie Südsudan und Uganda. Es passt gut, dass der Flughafen hier in Berbera ebenfalls von einer emiratischen Firma ausgebaut wurde.
Beschreiben Sie doch mal eine typische Sendung nach Äthiopien!
Wir transportieren dorthin viele Schüttgüter und andere Fracht für öffentliche Empfänger, zum Beispiel Weizen des Welternährungsprogramms. Der Transport erfolgt über die Straße. Für einen Frachter mit 40.000 Tonnen brauchen wir etwa acht Tage, pro Tag 120 Lkw mit jeweils 45 Tonnen. Nach Addis Abeba sind wir etwa drei Tage unterwegs: Rund sieben Stunden für die 250 Kilometer bis zur äthiopischen Grenze, danach gut 20 Stunden weiter bis nach Addis. Auf den 700 Kilometern dort finden derzeit öfter Straßenkontrollen statt. Der Transportkorridor wird auf somalischer Seite gerade ausgebaut und dürfte, mit der aufwändigen Umfahrung der Hauptstadt Hargeisa, bis Ende des Jahres fertig sein, so wie bereits auf äthiopischer Seite.
Container nach Äthiopien müssen umgeladen werden
Verschicken Sie auch Container nach Äthiopien?
Nein, deren Inhalt laden wir in Berbera auf Lkw um. Für den direkten Versand von Containern ist noch ein umfassendes Transitabkommen zwischen Äthiopien und Somaliland in Verhandlung. Die Verhandlungen laufen aber gut und wir sind bei diesem Punkt optimistisch, der sehr wichtig ist für die Zunahme des regionalen Handels.
Wie ist der Stand beim Ausbau des Hafens, nachdem Sie die erste Phase ja abgeschlossen haben?
Neben den bereits investierten 250 Millionen US-Dollar sind weitere knapp 200 Millionen US-Dollar vorgesehen. Wir planen die Containerkapazität auf 2 Millionen TEU zu vervierfachen und dafür, neben den erreichten 400 Metern Kaimauern, weitere 600 Meter hinzuzufügen.
Liebherr lieferte die meisten Kräne
Hatten Sie beim Hafenausbau eigentlich auch deutsche Lieferanten?
Von den jetzt insgesamt 14 Kränen im Hafen hat uns Liebherr drei mobile Hafenkräne geliefert und, aus ihrem Werk in Irland, acht gummibereifte Container-Stapelkrane (RTG). Drei Ship-to-Ship-Krane lieferte uns ein chinesischer Hersteller.
Was geschieht gerade in Ihrer Hafen-Freizone?
Nach Erhalt der Konzession dafür 2018 bauen wir die Zone als Mehrheitseigentümer seit 2020 auf. Wir haben erheblich in die Entwicklung der ersten Phase der Freizone investiert, die fast abgeschlossen ist. In einem Teil der Zone entwickeln wir einige Lagerhäuser, stellen aber auch Grundstücke für Investoren zur Verfügung, die dort ihre eigenen Anlagen bauen können. Diese Arbeiten haben wir weitgehend abgeschlossen, und 90 Prozent der Grundstücke sind bereits vergeben. Unser 10.000 m² großes Lagerhaus ist bereits fertiggestellt und an Investoren vermietet. Außerdem werden wir den Bau von Bürogebäuden bis Ende des Jahres fertiggestellt haben.
VAE-Investor will in Freizone Speiseöl abpacken
Arbeiten bereits Fabriken in der Freizone?
Bisher nicht. Ein Investor aus Dubai buchte aber 30.000 Quadratmeter für eine eigene Fabrik. Er will dort zunächst importiertes Speiseöl verpacken, um später aus dem Rohstoff auch Seife und andere Produkte herzustellen. Wir gehen davon aus, dass die Freizone einmal rund 10.000 Menschen beschäftigen wird.
Eigner des Hafens sind DP World (65 Prozent) und Somaliland. Wie arbeiten Sie mit den einheimischen Partnern zusammen?
Unsere Partner haben uns sehr kompetente Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, die mit uns an dem Projekt arbeiten. Oft kommen einige dieser Mitarbeiter aus der somaliländischen Diaspora im Ausland. Wie überall, wo wir tätig sind, investieren wir stark in die lokale Gemeinschaft. In Berbera unterstützen wir Krankenhäuser, Bildungseinrichtungen und den 60-prozentigen Ausbau der örtlichen Wasserversorgung.
Finden Sie für den Hafen qualifizierte Arbeitskräfte?
Als wir hier 2017 anfingen, war das tatsächlich nicht ganz einfach. Wir übernahmen das gesamte Personal des vorherigen, staatlichen Hafenbetreibers. Wir hatten dieselben Probleme, die wir weltweit erleben, so zum Beispiel den Leuten die Sicherheitskultur nahe zu bringen und computergestützte Systeme in einem Hafen einzuführen, der auf Papier betrieben wurde. Uns hat sehr beeindruckt, dass die jungen Leute, nachdem wir sie in Somaliland geschult hatten, Spitzenleistungen auf Weltniveau erbracht haben.
Sie bilden also auch aus?
Ja, wir fingen 2019 an, selber junge Leute auszubilden. Das funktioniert hervorragend. Es bewerben sich oft Somaliländer aus dem Ausland, für die eine Tätigkeit bei uns eine große Motivation zur Heimkehr ist. Inzwischen haben wir die ersten zwei Jahrgänge ausgebildet, die uns jetzt bereits bei der Schulung der dritten Gruppe unterstützen. Von den 20 Schülern des ersten Jahrganges haben wir alle übernommen. Die Ausbildung dauert zwei Jahre, sie findet hier statt oder auch in Dubai oder online.
Wie besetzen Sie das obere technische und kaufmännische Management?
Wir sind der größte Arbeitgeber in Somaliland, abgesehen von der somaliländischen Regierung. Bislang stützt sich unser Managementteam noch auf Expats aus den USA, den Philippinen, dem Jemen, dem Senegal und vielen anderen Ländern. Mit der Zeit werden unsere neuen somaliländischen Mitarbeiter aber in diese Rollen hineinwachsen. Unser ausländisches Team macht nur 2 Prozent der 1.300 festangestellten Mitarbeiter aus, die hier im Hafen arbeiten. Wir besprechen die Entwicklung des lokalen Teams sehr eng mit der Regierung in Somaliland.
Persönliche Sicherheit kein Problem
Hatten Sie eigentlich schon mal persönlich Probleme mit der Sicherheit in Somaliland?
Nein, das ist hier kein Problem. Wir haben eine sehr gute Beziehung zu den Menschen in Somaliland, und DP World Berbera ist ein lokales somaliländisches Unternehmen, an dem die Regierung beteiligt ist.
Aber jetzt muss ich unser Gespräch wirklich beenden, hier erwartet mich eine Delegation aus Taiwan.
Stichwort Taiwan – nur Taiwan erkennt Somaliland als Staat an. Beeinträchtigt dies Ihr Geschäft mit dem Exportweltmeister China?
Überhaupt nicht. Das sehen Sie schon daran, dass der Haupt-Auftragnehmer für den Bau der Straßenumfahrung Hargeisa ein Unternehmen aus der Volksrepublik China ist.
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Oktober 2022.
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