Einen 20-Liter-Kanister mit Wasser verkauft BorealLight schon ab 10 Cent ab seine Kunden.
Boreal Light bringt Trinkwasser nach Afrika, aber wie: Die "WasserKioske" des Berliner Unternehmens reinigen Wasser mithilfe von Solarstrom, den die Container-basierte Anlage selbst erzeugt. Das Wasser wird für relativ wenig Geld verkauft, aber nicht verschenkt. Boreal Light-Geschäftsführer und -Mitgründer Dr. Hamed Beheshti erklärt im Interview, warum das wichtig ist, wie das Geschäft funktioniert und warum das junge Unternehmen, das erst 2015 gestartet ist, schon über 200 Mitarbeiter hat.
Wasser zu verschenken ist in Afrika kontraproduktiv
Herr Beheshti, sind Sie mit Ihren WasserKiosken eine weitere Wohlfahrtsorganisation für Afrika?
Nein, wir wollen Geld, gutes Geld verdienen und sind auch seit vier Jahren profitabel. Nach der Installation des ersten WasserKiosks Ende 2017 dürften wir dieses Jahr etwa 10 Millionen Euro umsetzen. Für 2022 planen wir eine Verdreifachung. Momentan finalisieren wir ein riesiges Projekt mit 200 WasserKiosken. Dabei kostet ein Container je nach Ausstattung 55.000 bis 150.000 Euro. Konkurrenz gibt es durchaus, aber in Afrika sind wir der größte Anbieter von Wasser, das dezentral mit Solarstrom gereinigt und entsalzt wird.
Hilfsorganisationen geben Trinkwasser aber gratis ab?
Ja, und überall dort, wo das zuvor passierte, hatten wir mit unserem Konzept Anfangsschwierigkeiten: Die Verbraucher waren verdorben in dem Sinne, dass sie aufwändig gewonnenes Trinkwasser nicht wirklich schätzten, es zum Putzen oder Bewässern nahmen. Kein Wunder, dass sie für unser Wasser ebenfalls nichts bezahlen wollten. Bei diesem Gratismodell ist aber kein Geld für Betrieb und Wartung da. Es kümmert sich niemand um die Anlage und, wenn der großzügige Helfer abzieht, fällt alles zusammen.
Sie verkauften Ihre WasserKioske dann auch an Hilfsorganisationen?
Die Helfer sehen durchaus die Nachhaltigkeit unseres Modells. Eine große internationale Organisation hat uns inzwischen sechs Container abgekauft und betreibt sie ähnlich wie wir. Unter diesem Schema – wir nennen es B2B - haben wir inzwischen rund 40 Container verkauft. Gut 30 davon gingen nach Afrika, und zwar nach Somalia, Tansania, Kenia und Südafrika. Die anderen stehen in Jemen, den Philippinen, in Iran und in Mexiko.
Unterschiedliche Finanzierungsmodelle
Sie betreiben und installieren Ihre WasserKioske auch selbst?
Ja, das ist unser B2C-Geschäft. Es ist mit bislang über 80 installierten Einheiten größer und hat die besseren Wachstumschancen. Es gibt dabei mehrere Varianten: Wir finanzieren in einem ersten Modell die Container selbst, um das Geld danach ausschließlich durch den Verkauf des Wassers wieder hereinzuholen. Bei etwa 20 Einheiten einer zweiten Variante erhielten wir eine Finanzierung durch - meist deutsche - Banken, Stiftungen und ähnliche Organisationen. In einer dritten Spielart bekamen wir zur Finanzierung von gut 40 Containern einen zinslosen Kredit von den genannten und anderen Partnern. Diese Organisationen wiederum erhalten dafür Kohlenstoffzertifikate und refinanzieren ihre Kosten zum Teil darüber. Die steigenden Zertifikatspreise machen diese letzte Variante besonders interessant.
Zahlende Kunden aus den Standortländern der Container haben Sie aber auch?
Bei Stadt- und Dorfverwaltungen, Krankenhäusern, Fischfarmen und für Kirchen haben wir unter unserem B2C-Modell bislang etwa 30 Container installiert. Die Beschaffung finanzieren wir und der Partner jeweils zur Hälfte: Manche Kunden haben nicht genug Geld, und sie bekommen außerdem besser eine lokale Finanzierung, wenn die Bank durch unsere Beteiligung mehr Sicherheit hat. Ein wichtiger Partner ist übrigens die katholische Kirche Kenias, mit der wir gerade an einem Projekt mit insgesamt rund 50 Wassercontainern arbeiten.
Kunden zahlen höchstens ein Viertel des Supermarkt-Preises
Was kostet Trinkwasser aus Ihren WasserKiosken?
Gut die Hälfte der installierten WasserKioske verkaufen den 20-Liter-Kanister für 0,10 US$, die anderen für 1 US$. Der billigere, soziale Tarif gilt üblicherweise in besonders armen und entlegenen Gebieten. Aber selbst der höhere, kommerzielle Tarif in Städten wie Mombasa und Nairobi beträgt immer noch erst ein Viertel jener 4 US$, die 20 Liter Trinkwasser in einem ostafrikanischen Supermarkt in der Regel kosten. Beim sozialen Modell reichen die 10 Cent immerhin für Betrieb und Wartung des Containers – die Wartung ist in unserem Verkaufspreis nicht inbegriffen, nur eine Garantie. Die Partner gewähren uns beim sozialen Modell auskömmliche Preise beim Kauf des Systems, womit sich das Geschäft auch für uns lohnen kann. Wenn wir selber den Container betreiben, bevorzugen wir natürlich den höheren Tarif, legen das aber immer gemeinsam mit dem Partner fest.
Wer kauft das Wasser?
Jener – weit überwiegende – Teil der Bevölkerung, der mindestens 10 Cent für 20 Liter Trinkwasser aufbringen kann. Die Allerärmsten sind tatsächlich auf Leistungen etwa von Hilfsorganisationen angewiesen. Nachfrage gibt es prinzipiell überall. In Großstädten wie Mombasa oder Nairobi mag es Wasser aus dem Hahn geben, trinken sollte man es aber nicht. Es kommt oft aus Behältern auf den Dächern, und werfen Sie da mal einen Blick rein. Wahre Biotope für Würmer und anderes Getier gibt es da, von Mikroben und Bakterien ganz zu schweigen. In etlichen städtischen Gebieten, auf dem Land sowieso, gibt es oft gar kein fließendes Wasser.
Die WasserKioske mit ihren Solarstrommodulen stehen weitab einer netzbasierten Stromversorgung?
Zum Teil, sie stehen aber auch dort, wo Leitungsstrom nur temporär oder unzuverlässig zur Verfügung steht. Und auch dort, wo Elektrizität schlicht zu teuer ist für den normalen Einwohner. Wer kann sich schon die 20 Cent pro Kilowattstunde leisten, die in Ostafrika üblich sind? Die Container stehen übrigens auch in eher unsichereren Gegenden wie in Somaliland oder der jemenitischen Hafenstadt Aden. Trotzdem wurde noch nie ein Kiosk angegriffen oder sabotiert von Leuten, die etwas stehlen wollen oder vielleicht neidisch sind.
Ausbildung in der eigenen "WaterKiosk Academy"
Wer bedient die WasserKioske?
Jeder der von uns betriebenen Container wird von zwei unserer Mitarbeiter bedient und gewartet, immer ein Mann und eine Frau. Die Frauen sind in vielen Gegenden Afrikas traditionell diejenigen, die das Wasser bringen. Sie sind aber auch in einigen Dingen schneller und geschickter. Beim Schleppen der Kanister, schweren Reparaturarbeiten oder auch Fragen der Sicherheit sind Männer im Vorteil.
Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Boreal Light?
In Kenia haben wir derzeit 112 Angestellte: 26 in unserer Niederlassung in Nairobi. Sie montieren auch die WasserKioske, die wir als Teile (SKD) für die Märkte in Afrika importieren. Bei den übrigen handelt es sich um Kiosk-Bedienpersonal. Dafür haben wir zudem 83 Angestellte in Tansania und weitere 21 in Somalia. In Berlin, wo die Anlagen hergestellt werden, sind wir 17 Mitarbeiter, fast ausschließlich Ingenieure.
Wie gewinnen Sie in Afrika Ihre Mitarbeiter?
Wenn wir irgendwo talentierte Leute sehen, sehr oft sind das noch Jugendliche, laden wir sie zu unserer WaterKiosk Academy in Nairobi ein - vier Tage lang mit Unterkunft und auf unsere Kosten. Es kamen auch schon Leute aus Tansania. Wir vermitteln ihnen dort das Wesentliche über Wasser sowie Betrieb und Wartung eines Kiosks. Wer die abschließende Prüfung besteht, kann danach einen WasserKiosk betreiben. Mit Fluktuation oder Abwanderung haben wir keine Probleme. Unsere Mitarbeiter haben bei uns oft den ersten richtigen Verdienst und bleiben gerne bei uns.
Technologisch durchdachtes Konzept
Was macht ein WasserKiosk genau und wie funktioniert er?
In einem typischen Projekt reinigt er täglich 10.000 Liter Wasser, und zwar in mehreren Stufen. Er eliminiert zuerst Viren, Mikroben etc. und schließt – bei Salzwasser – dann eine Entsalzung an, alles per Filtermembrantechnik. Den dafür nötigen Strom gewinnt er über eine integrierte Photovoltaikanlage auf dem Dach, manchmal unterstützt durch ein Windrad. Produziert wird Trinkwasser in 20-Liter-Kanistern, daneben je nach Bedarf und Standort auch Wasser für den Gebrauch im Haushalt, für Fischfarmen und für die Bewässerung. Dieses Wasser ist natürlich weniger stark gereinigt, aber unser Trinkwasser ist mindestens so sauber wie Wasser aus dem Supermarkt.
Eine Batterie zur Speicherung des Stroms hat der Container also nicht?
Nein, das produzierte Wasser ist quasi die Batterie, und eine ungemein einfache und kostengünstige dazu: Tagsüber erzeugt der Container per Solarstrom Wasser - das dann auch abends und nachts verkauft und verbraucht wird. Der Stromverkauf an Konsumenten, etwa zum Aufladen von Handys, ist übrigens nur ein kleines Nebengeschäft. 95 Prozent unserer Erlöse stammen aus dem Verkauf von Wasser.
Wie läuft die Wartung der WasserKioske?
80 Prozent der Arbeiten kann ein Klempner mit Schraubendreher und -schlüssel erledigen. Vom Rest des Aufwands entfällt ein Großteil auf die Membran, die das Wasser reinigt. Die hält vier oder fünf Jahre lang und ist relativ hochwertig. Zu nennen wären dann noch gelegentliche Arbeiten an der Elektronik. Wir nutzen dabei nach Möglichkeit Teile, die wir auch im Land bekommen, so konnten wir mal einen Wechselrichter innerhalb weniger Tage ersetzen. Wir überwachen alle unsere WasserKioske auch aus der Ferne. Dazu haben die Anlagen eine SIM-Karte und es braucht ein Mobilfunknetz einfachen Standards. Aber mit der nötigen Abdeckung hatten wir in Afrika noch nie ein Problem.
Hatten Sie schon mal Ärger mit der elektronischen Steuerung der WasserKioske?
Nur einmal, weil ein Bediener die Tür offenließ und Wasser eindrang. Sonst ist da aber noch nie etwas kaputtgegangen. Die Firma Weidmüller als Lieferant der Steuerung hat uns bei der technischen Lösung des Systems sehr unterstützt. Sie schickten uns einen ihrer besten Ingenieure, für etliche Tage - und das gratis, weil die Idee begeistert: Eine Steuerung, die auch für Industrie-4.0-Prozesse denkbar ist und die jetzt der Bereitstellung von Trinkwasser in Afrika dient.
Das Interview fand im August 2021 statt.
Weiterführende Informationen
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Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im August 2021.