Der Investitionsbedarf im kenianischen Gesundheitssektor ist groß – das hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie deutlich gemacht. Die öffentlichen Investitionen in den Gesundheitssektor nehmen zu und eine wachsende Mittelschicht fragt zunehmend private Gesundheitsdienstleistungen nach.
Für das Wirtschaftsnetzwerk Afrika des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) identifiziert Brenda Kokwaro in Nairobi konkrete Geschäftsmöglichkeiten und bringt dazu deutsche und lokale Unternehmen zusammen. Sie ist Expertin für die Gesundheitsbranche in Kenia bei der Delegation der Deutschen Wirtschaft für Ostafrika. Im Interview erklärt sie, wo in der kenianischen Gesundheitsbranche Investitionsbedarf besteht und wie deutsche Medizintechnik diesen decken kann.
Welche Angebote hat die deutsche Medizintechnik für den afrikanischen Markt?
Der Gesundheitssektor entwickelt sich sehr dynamisch. Das liegt natürlich auch daran, dass in der Medizin und in der Medizintechnik viel geforscht wird. Ich habe Ende November die internationale Leitmesse für Medizintechnik MEDICA besucht – eine hervorragende Plattform, um die neuesten Ansätze für Vorsorge und Behandlung kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. In den Bereichen medizinische Ausstattung, Diagnostik, Produktionstechnik und IT-Integration werden in Deutschland bereits Technologien und Behandlungstechniken eingesetzt, die in vielen afrikanischen Ländern noch nicht verbreitet sind. Gleichzeitig konnte ich einigen deutschen Unternehmen das Interesse der fortschrittlichen Gesundheitseinrichtungen in Kenia an der Ausstattung mit neuesten Geräten und Technologien aufzeigen. Zudem konnte ich hervorragende Kontakte zu deutschen Unternehmen für künftige deutsch-kenianische Kooperationen im Gesundheitsbereich knüpfen!
Qualität „made in Germany“ ist gefragt
Die privaten Krankenhäuser in Nairobi sind potenzielle Kunden für deutsche Medizintechnikhersteller. Wonach suchen sie?
Private Krankenhäuser wollen ihr Leistungsangebot verbessern, um mit internationalen Gesundheitseinrichtungen mithalten zu können. Sie interessieren sich für die ganze Bandbreite der Medizintechnik, von Labor- und Diagnosetechnik über den Bau und die Modernisierung von Operationssälen nach internationalen Standards bis hin zur Einrichtung von Zentren für die Behandlung von Krankheiten wie Krebs oder Diabetes. Gefragt ist auch Know-how zu den neuesten Physiotherapie- und Rehabilitationsmethoden.
Deutsche Anbieter stehen im Wettbewerb mit Unternehmen aus anderen Ländern. Was empfehlen Sie ihnen?
Die Abnehmer sind meiner Erfahrung nach bereit, einen höheren Preis zu zahlen, wenn sie den Qualitätsvorteil sehen. Im kenianischen Gesundheitssektor setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass eine vermeintlich günstige Ausstattung auf lange Sicht sehr teuer werden kann! Deutsche Gesundheitsunternehmen sollten daher den Qualitätsvorteil ihrer Produkte, Dienstleistungen und Technologien im Vergleich zu ihren Wettbewerbern klar herausstellen: hochwertige Medizintechnik „made in Germany“ ist ein Wettbewerbsvorteil.
Welche deutschen und lokalen Gesundheitsunternehmen produzieren bereits in Kenia?
Das deutsche Medizintechnikunternehmen B. Braun hat 2020 in Kenia eine Produktionsstätte für den lokalen und regionalen Markt errichtet. Sie beschäftigt derzeit rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch diese Investition konnten die Preise für Medizinprodukte auf ein wettbewerbsfähiges Niveau auf dem ostafrikanischen Markt gesenkt werden. Dies war die erste Investition im Rahmen des EPZ-Programms der kenianischen Regierung (Export Processing Zone), das darauf abzielt, landesweit ausgewiesene Zonen einzurichten, die ein günstiges Umfeld für exportorientierte Investitionen schaffen.
Zu den lokalen Produzenten zählen unter anderem das Kenya Biovax Institute, ein Hersteller von Impfstoffen, biomedizinischen Therapeutika und Diagnosetechnik sowie die Pharmaunternehmen Dawa Life Sciences, Regal Pharmaceuticals, Biodeal Laboratories und Elys Chemical Industries Limited, die vor Ort Medikamente herstellen.
Wie sieht es mit dem öffentlichen Gesundheitssystem aus – gibt es hier auch Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen?
Das öffentliche Gesundheitssystem versorgt einen großen Teil der Bevölkerung. Auch dort geht es darum, den Zugang zu qualitativ hochwertigen Dienstleistungen zu verbessern und modernere Geräte und Technologien einzusetzen. Das Managed-Equipment-Service-Programm (MES) ist ein von der Regierung im Jahr 2013 initiiertes Projekt zur Verbesserung der Diagnose- und Spezialbehandlungskapazitäten in Kenia. Im Rahmen des MES-Programms hat die Regierung zunächst langfristige Partnerschaften mit privaten Anbietern für den Zeitraum von 2015 bis 2022 abgeschlossen mit dem Ziel, zwei Krankenhäuser in jedem Bezirk und vier nationale Referenzkrankenhäuser mit hochmoderner Medizintechnik auszustatten und Gesundheitspersonal zu schulen. Zudem ist die Einrichtung von zehn neuen Krebszentren geplant, vier davon sind bereits in Betrieb. Die kenianische Regierung ist bestrebt, die allgemeine Krankenversicherung (Universal Health Coverage – UHC) auszubauen. Die erhöhte Nachfrage auch im öffentlichen Gesundheitssektor muss mit verbesserter Infrastruktur und Ausstattung einhergehen. Dafür braucht Kenia starke Partnerunternehmen – gerade auch aus Deutschland.
Digitale Infrastruktur wird ausgebaut
Wo sehen Sie Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen im Bereich Digital Health?
Laut nationaler eHealth Strategie 2011–2017 versorgen etwa 80 Prozent der kenianischen Ärztinnen und Ärzte nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung. Der Bedarf an digitalen Lösungen im Gesundheitsbereich ist damit riesig und die Anzahl der potenziellen Nutzerinnen und Nutzer groß. Zudem ist Kenia in den Bereichen Breitbandausbau und IKT-Infrastruktur regional führend. Das Land gilt als Vorreiter der Digitalisierung auf dem Kontinent, als "Silicon Savannah". Viele Kenianerinnen und Kenianer nutzen ihre Mobiltelefone bereits tagtäglich als Kommunikationsmittel, zum Online-Shopping und für mobile Zahlungsservices – warum nicht auch zum Abrufen von digitalen Dienstleistungen im Gesundheitssektor?
Das Potenzial im Bereich eHealth hat auch die Regierung erkannt und 2022 ein landesweites Programm in Höhe von 600 Mio. Schilling (etwa 4,59 Mio. Euro) zur Förderung von Telemedizin in 20 Gesundheitseinrichtungen aufgesetzt. Ziel ist es, die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Gesundheitsdienste zu verbessern, die Kosten für Gesundheitsleistungen zu senken und eine angemessene Gesundheitsversorgung in ländlichen und unterversorgten Gebieten bereitzustellen. Diese Investitionen in den Gesundheitssektor eröffnen vielversprechende Geschäftsmöglichkeiten für Anbieter innovativer eHealth-Lösungen, auch aus Deutschland. Kenianische Unternehmen sind hier für Kooperationen mit kompetenten Partnern aus dem Ausland offen.
Welche Unterstützungsangebote gibt es für deutsche Unternehmen der Gesundheitswirtschaft, die an wirtschaftlichem Engagement in Kenia interessiert sind?
Für das Wirtschaftsnetzwerk Afrika des BMWK erbringe ich als Branchenexpertin für Gesundheitswirtschaft ein speziell auf Kenia zugeschnittenes Angebot: Meine Aufgabe ist es, konkrete Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in Kenia zu identifizieren, ihnen diese über die Geschäftsstelle des Wirtschaftsnetzwerk Afrika zur Verfügung zu stellen und die deutschen und kenianischen Unternehmen bei der Geschäftsanbahnung zu begleiten.
Unternehmen, die grundsätzliche Fragen zum Markteintritt in Kenia haben, können sich an die Afrika-Partnerinnen und Afrika-Partner in der Geschäftsstelle des Wirtschaftsnetzwerks wenden, die sie während des gesamten Markteinstiegs auf Unterstützungs- und Beratungsangebote hinweisen. Für vertiefte Beratung zu Geschäftsvorhaben bietet das BMWK mit dem Förderprogramm "Beratungsgutscheine Afrika" KMU eine Zuwendung in Höhe von 75% der Beratungskosten für externe Beratungsleistungen in Afrika in allen Sektoren.
Vor Ort in Kenia bietet die Delegation der Deutschen Wirtschaft für Ostafrika eine breite Palette von Markteintritts- und Informationsdienstleistungen an, etwa Marktstudien, Geschäftspartnersuche oder Informationsreisen. Dienstleistungen der Delegation können auch im Rahmen der Beratungsgutscheine Afrika in Anspruch genommen werden. Außerdem organisiert die Delegation Geschäftsanbahnungsreisen für deutsche Unternehmen, die in die ostafrikanischen Märkte eintreten wollen.
Haben Sie Empfehlungen für deutsche Unternehmen, die mit der Geschäftskultur in Kenia noch nicht vertraut sind?
Smalltalk ist insbesondere in der kenianischen Geschäftskultur ein wichtiger Türöffner. Direktheit kann manchmal als unhöflich missverstanden werden und forsches Auftreten wird nicht immer positiv gewertet. Auch muss man indirekte Aussagen verstehen lernen. Gängige Antworten wie "Ich werde mich darum kümmern“ oder „So Gott will, ist es möglich" bedeuten nicht unbedingt ein Ja.
Follow-ups seitens der deutschen Unternehmen sind extrem wichtig, um sicherzustellen, dass Informationen an die richtige Person weitergeleitet werden. Um schneller eine direkte Antwort von potenziellen Geschäftspartnern zu bekommen, sollte man persönliche Beziehungen aufbauen.
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