Der Markteinstieg in den afrikanischen Abfallsektor gelingt vielen Unternehmern über Ausschreibungen der Entwicklungszusammenarbeit. So wie Florian Kölsch: In Tansania hat er mit seinem Ingenieurbüro für Umwelttechnik die nach eigenen Angaben modernste Kompostanlage Subsahara-Afrikas geplant und errichtet. Daressalam ist Hamburgs Partnerstadt, das Projekt wurde von der Hansestadt und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) gefördert.
Die Anlage verarbeitet sortenreine Marktabfälle zu Kompost. Der Betrieb finanziert sich aus Erträgen des Kompostverkaufes sowie aus Zuschüssen der Stadt Hamburg, die im Gegenzug Zertifikate für CO2-Emissionsminderungen erhält. Im Interview spricht Florian Kölsch über die Herausforderungen bei internationalen Ausschreibungen und darüber, warum man keine allzu große Angst vor der chinesischen Konkurrenz haben sollte.
Lokal angepasste Abfalltechnik punktet in Afrika
Herr Dr. Kölsch, an der chinesischen Konkurrenz scheint in Afrika kein Weg vorbeizuführen. Woran liegt das?
Bei der Errichtung von Bauwerken kommt man an chinesischen Anbietern nicht vorbei, das stimmt. In der Folge betrifft das auch alle nicht lokal gefertigten Bauwerksinstallationen, die holt sich das chinesische Unternehmen aus China. Aber bei allen anderen Komponenten, also insbesondere bei Geräten und Fahrzeugen, habe ich keine Bange vor China.
Also müssen sich deutsche Anbieter keine Sorgen machen?
Nein, was aus China bezogen werden kann, ist hinsichtlich Leistungseigenschaften und Dauerhaftigkeit den deutschen Produkten zum Teil massiv unterlegen.
Wie können sie dann punkten?
Deutsche Gerätelieferanten müssen sich für die Vermarktung dringend ein Beispiel an den Fahrzeuganbietern nehmen, die für Afrika spezielle Produktlinien vertreiben, die weniger empfindlich und einfacher zu warten sind. Denn eigentlich bestehen günstige Rahmenbedingungen für Abfallunternehmen in afrikanischen Entsorgungsprojekten.
Warum sind dann nicht mehr deutsche Unternehmer in Afrika aktiv?
Deutsche Abfallunternehmen sind zu sehr daran gewöhnt, dass Projekte ausschließlich über Gebühren finanziert werden. Das kann man in Afrika nicht erwarten. Der wirtschaftliche Fokus liegt dort auf der Wertschöpfung über Sekundärrohstoffe.
Viele Lieferanten kennen Ausschreibungen nicht
Was sind Ihre Erfahrungen mit internationalen Ausschreibungen?
Das größte Problem ist, dass der potenzielle Lieferant die Ausschreibung überhaupt kennen muss. Trotz umfangreicher Aktivitäten der GTAI, der Auslandshandelskammern oder des Branchenverbands RETech werden noch immer zu viele Geschäftsgelegenheiten übersehen.
Häufig fehlt bei geberfinanzierten Ausschreibungen der Kontakt zwischen den Consultants – die zum Beispiel von der Weltbank oder der KfW Entwicklungsbank beauftragt und betreut werden – und den potenziellen Lieferanten. Dieser Kontakt ist besonders in der frühen, konzeptionellen Phase der Projektplanung wichtig. Zu diesem Zeitpunkt können Lieferanten rechtzeitig auf neue Produktentwicklungen hinweisen oder auch beratend tätig werden.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Ich denke da an komplexe Anlagenlösungen, die aus verschiedenen Einzelkomponenten unterschiedlicher Anbieter bestehen, wie beispielsweise Sortierstraßen als Bestandteil von Umladestationen. In der frühen Phase können auch schlüsselfertige Lösungen noch in die Planung einfließen. Mittelständler könnten zudem darauf hinwirken, dass die ausgeschriebenen Leistungen in verschiedene Lose aufgeteilt werden.
Bei komplexer Vergabe kann Aufgabenteilung hilfreich sein
Weil die meisten Unternehmen keine Komplettlösungen anbieten können?
Genau, gerade hochspezialisierte Anbieter sind regelmäßig nicht in der Lage oder nicht willens, auf kombinierte Lose anzubieten. Die umfassen nämlich häufig Komponenten, für die ein weiterer Anbieter als Partner oder Zulieferer notwendig wäre. Bei solchen Vergabebedingungen ist es hilfreich, lokale Partner einzubinden, die Einzelangebote losweise bündeln, zum Beispiel Im-/Export-Handelshäuser.
Ein weiterer Punkt: Im Unterschied zu nationalen Ausschreibungen enthalten internationale Vergaben häufig weitergehende Anforderungen zu Inbetriebnahme und Service. Darauf sind deutsche Lieferanten nicht immer gut eingestellt. Ersatzteile sind häufig überteuert, lokale Anforderungen werden übersehen oder Geräteeinweisungen sind nicht ausreichend kundenorientiert. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Mängel in den Vergabeunterlagen, wie zum Beispiel unspezifizierte Ersatzteilpakete. Der Anbieter sollte dann unbedingt einen "request for clarification" machen, also weitere Informationen von der ausschreibenden Stelle verlangen.
EZ-Projekte auch jenseits staatlicher Förderung attraktiv
Welche Möglichkeiten haben Sie noch genutzt, um neue Märkte in Afrika zu erschließen?
Staatlich geförderte Projekte stellen nur die eine Seite der Entwicklungszusammenarbeit. Man sollte nicht unterschätzen, was darüber hinaus auf der Ebene der Zivilgesellschaft abläuft. Ich denke dabei an kirchliche oder andere gemeinnützige Organisationen. Auch Projekte im Umfeld wissenschaftlicher Institutionen und der Privatwirtschaft gehören dazu – etwa Bio-Landwirtschaft, Rohstofferzeugung, Energie, Zement. Dort bieten sich immer wieder Möglichkeiten, allerdings ist die Geschäftsanbahnung ohne eine starke örtliche Präsenz nicht einfach.
In welchen afrikanischen Ländern sind Sie derzeit aktiv?
Neben Tansania aktuell noch in Kenia und Uganda.
Und wo sehen Sie das größte Potenzial im Recyclingsektor in Afrika?
Vorzugsweise in den Metropolregionen der etwas besser entwickelten afrikanischen Länder. In Ostafrika dürfte das die Region Nairobi sein, aber auch in Daressalam ergeben sich aktuell gute Perspektiven.
Weiterführende Informationen
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Das Interview führte Samira Akrach von Germany Trade & Invest im März 2022.