Kläranlage eines Hotels mit TIA Abwassertechnik in Ägypten
Wasser ist ein rares Gut in Ägypten. Der Klimawandel und das hohe Bevölkerungswachstum verschärfen die Wasserknappheit im Land. Nachhaltige Technologien zur Wasserbereitstellung und -aufbereitung sowie Kläranlagen sind deshalb sehr gefragt. Hier haben deutsche Unternehmen gute Chancen – insbesondere in den Bereichen Bewässerungstechnik, Meerwasserentsalzung, Pumpen, Rohrherstellung und Wasseraufbereitung. Das Familienunternehmen TIA aus Breitenfelde bei Hamburg hat in Afrika gut 20 Kläranlagen gebaut, rund die Hälfte davon in Ägypten. Bei der Erschließung des Marktes hat der Branchenexperte des Wirtschaftsnetzwerks Afrika, Dr. Peter Riad, von Kairo aus unterstützt.
Der Markt für Wasserwirtschaft in Ägypten wächst
Herr Dr. Riad, wie haben sich Wassersicherheit und Wasserwirtschaft in Ägypten in den letzten Jahren entwickelt?
Seit zehn Jahren gilt die Wassersicherheit in Ägypten als kritisch. Herausforderungen sind Wasserknappheit, Klimawandel, rasanter Bevölkerungszuwachs und die Entwicklung von Wasserprojekten in den nilaufwärts gelegenen Ländern. Daher hat Ägypten umfangreiche Haushaltsmittel für die Wasserwirtschaft bereitgestellt und öffentlich-private Partnerschaftsprojekte gefördert. Finanziert werden diese Projekte durch den ägyptischen Staatsfonds, die Europäische Investitionsbank, die Weltbank, die Afrikanische Entwicklungsbank und viele andere internationale Geber.
Frau Blanke, wo in Afrika ist Ihr Unternehmen aktiv und woher kommen Ihre Kunden?
Wir haben Projekte in Ägypten sowie in Äthiopien, Libyen, Ghana, Kamerun, Mali, Togo und Côte d‘Ivoire realisiert. Unsere Kunden kommen hauptsächlich aus der Industrie – in Afrika speziell aus der Lebensmittel-, Getränke- und Textilindustrie. Wir haben auch viele Anlagen für kleine Kommunen und Krankenhäuser gebaut.
Sie haben berichtet, dass über Herrn Dr. Riad ein aussichtsreicher Partner gefunden wurde. Wie kam der Kontakt zustande?
Wir erhalten über den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer den Newsletter zu Geschäftsmöglichkeiten im Wassersektor von Herrn Riad. Dadurch kam der Kontakt zu einem Unternehmen zustande, das europäische Komponentenlieferanten vertritt und zusätzlich Fertigung und Montage von Anlagenteilen anbietet. Nach einer ersten Vermittlung gab es ein gemeinsames Video-Meeting mit dem potenziellen Partner und Herrn Riad. Dort haben wir unsere gegenseitigen Vorstellungen formuliert und festgestellt, dass wir uns eine Kooperation vorstellen können. Inzwischen fanden auch schon Besuche in beide Richtungen statt und die ersten Angebote laufen.
Verbundprojekt unterstützt bei der Geschäftsentwicklung in Ägypten
Herr Dr. Riad, Sie sind seit 2021 als Branchenexperte aktiv. Wie wurde Ihr Angebot von deutschen und lokalen Unternehmen bislang angenommen?
Inzwischen haben mehr als 80 deutsche und ägyptische Unternehmen unsere Angebote genutzt – zum Informationsaustausch, zur Erkundung neuer Märkte und zur Entdeckung neuer Technologien. Wir haben mehr als 50 B2B-Treffen zwischen deutschen und ägyptischen Unternehmen durchgeführt. In den Jahren 2021 und 2022 organisierten wir zwei Workshops für German Water Partnership (GWP) auf der Cairo Water Week. Außerdem durften wir 2022 eine ägyptische Delegation nach Deutschland begleiten und 2023 zwei Delegationen aus Deutschland in Ägypten empfangen.
Eine deutsche Delegation reiste im Rahmen des 2022 gestarteten Verbundprojektes Wasserwirtschaft?
Ja, auf der Reise vom 22. bis 24. Mai 2023 stellten sechs deutsche Unternehmen ihre Dienstleistungen und Produkte für den ägyptischen Wassersektor vor. Dazu zählten z. B. Filtration, Entsalzung, Aufbereitung, Desinfektion, Kreislaufwirtschaft, Lösungen für die Stadtentwässerungsplanung sowie Ausrüstungen für Sicherheit und Inspektion. Die Delegation konnte sich vor Ort ein genaueres Bild über den Markt, die Finanzierungsquellen sowie über laufende und geplante Projekte verschaffen. Über ein Ergebnis dieser Reise freue ich mich besonders: Ein von mir eingeladenes lokales Unternehmen ist offiziell die Vertretung für zwei teilnehmende deutsche Unternehmen in Ägypten geworden. Und eines dieser deutschen Unternehmen hat bereits eine Schulung für die Mitarbeiter des lokalen Unternehmens durchgeführt.
Frau Blanke, wie hat sich der Markt für Abwassertechnik in Afrika entwickelt?
In den letzten Jahren merken wir einen stärkeren Wettbewerb. Konkurrenzunternehmen kommen vermehrt aus den Ländern selbst, aber auch aus Indien und China. Insbesondere Mitbewerber von dort treten mit sehr aggressiven Preisstrategien auf.
Zusätzlich rückt das Thema Abwasserbehandlung, dem sonst eher ein geringer Stellenwert zugeschrieben wurde, immer mehr in den Fokus. Das Stichwort hier ist Wiedernutzung: Der Wasserbedarf für die Bewässerung von Grünflächen zum Beispiel kann zum großen Teil auch aus aufbereitetem Abwasser gedeckt werden. Dies ist im Endeffekt günstiger, als entsalztes Meerwasser zu nutzen. Langsam findet hier also ein Umdenken statt und die Nachfrage nach zuverlässiger Technologie und Konzepten steigt.
Gute Rahmenbedingungen für Investitionen
Was macht Ägypten als Zielmarkt besonders interessant für Sie?
Hier werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, die es theoretisch in vielen Ländern gibt, mehr und mehr konsequent durchgesetzt. Maßgebliche Faktoren dafür sind aus unserer Sicht die Sorge vor einer Einschränkung der Lebensqualität und auch des Tourismus infolge des Wassermangels. Viele Unternehmen und öffentliche Entsorger haben also Bedarf an unserer Technologie. Wir sind seit mehr als 20 Jahren in Ägypten tätig und haben dort auch ein großes Netzwerk und viele Referenzen. Daher ist das Land einer unserer stärksten Märkte in Afrika und im gesamten arabischen Raum.
Ihr Unternehmen ist derzeit an einem Projekt in Sinai beteiligt. Wie ist der aktuelle Stand?
Auf dem Sinai errichten wir eine schlüsselfertige Kläranlage für das Kloster St. Katharinen und eine weitere für das nahegelegene Dorf. Wie so oft bei unseren Projekten liegt der Ball nun im Feld des Kunden: Unsere Ausrüstung und Technik sind vor Ort – die Becken, in denen die Anlage gebaut werden soll, sind jedoch noch nicht fertiggestellt. Wir warten derzeit, bis wir unsere Montagearbeit aufnehmen können.
Werden Ihre Produkte speziell für den afrikanischen Markt angepasst?
Darauf legen wir bei unseren Anlagen immer Wert. Industriekunden weltweit wünschen sich eine zuverlässige und möglichst bedienerfreundliche Anlage, die geringe Betriebskosten und einen geringen Bedienaufwand aufweist. Oft müssen wir potenziellen Kunden aus afrikanischen Ländern erst vermitteln, dass die neuesten komplizierten Behandlungsverfahren vielleicht gar nicht nötig sind, um an das gewünschte Ziel zu kommen. Dies ist manchmal gar nicht so einfach.
Flexibilität, Geduld, Nachfassen: So gelingt die Geschäftsanbahnung
Welche Faktoren führen aus Ihrer Sicht bei einer Geschäftsanbahnung zum Erfolg?
Die Vorauswahl durch Herrn Riad hat hier den Prozess sicherlich beschleunigt. Wir bekommen oft Anfragen von ägyptischen Unternehmen, die unser Partner werden wollen. Versprochen wird mitunter viel, aber ob die Darstellung stimmt, können wir schlecht beurteilen. Durch die Vermittlung von Herrn Riad können wir zumindest davon ausgehen, dass sich beide Seiten schon intensiv mit einer möglichen Partnerschaft und den eigenen Interessen auseinandergesetzt haben. Ob es dann schlussendlich klappt oder erfolgreich wird, muss die Zeit zeigen.
Herr Dr. Riad, was ist aus Ihrer Sicht bei der Geschäftsanbahnung wichtig?
Wichtig ist Flexibilität, was Technik und Finanzen betrifft: Wenn ein System komplett aus Deutschland kommt, können die Investitionskosten sehr hoch sein. Um die Gesamtkosten zu senken, können alternativ einige Teile davon im eigenen Land hergestellt oder zugeliefert werden. Außerdem sollten verschiedene Zahlungsmöglichkeiten angeboten werden – etwa eine Miete der Anlage für einen bestimmten Zeitraum oder Ratenzahlungen mit einem niedrigen Zinssatz. Umweltfreundliche Projekte können auch über grüne Anleihen finanziert werden, etwa über das Environmental Pollution Abatement Programme (EPAP) in Ägypten oder in Deutschland über die KfW Bankengruppe.
Zudem ist es wichtig, schnell zu reagieren, selbst wenn das Projekt nicht zeitlich begrenzt ist oder keinen bestimmten Zeitrahmen hat. Auch Geduld und Nachfassen zahlen sich aus. Wenn Sie das erste Projekt, für das Sie sich beworben haben, nicht bekommen, heißt das nicht, dass Sie hier keinen Platz haben. Denn beim Follow-up könnten sich andere Geschäftsmöglichkeiten ergeben.
Produkte "Made in Germany" punkten mit Qualität und Service
Frau Blanke, welche Chancen haben Produkte deutscher Unternehmen im Vergleich zu anderen Wettbewerbern?
Preislich können wir mit lokalen oder asiatischen Mitbewerbern natürlich selten mithalten, auch wenn wir inzwischen versuchen, viele Teile der Wertschöpfung in den Zielländern zu realisieren. Das Argument "Made in Germany" zieht in Ägypten stark, in anderen Ländern nicht so sehr.
Was uns anhaftet ist der Ruf, zuverlässig zu sein. Wenn also ein Kunde eine nachhaltig funktionierende Anlage haben möchte, und nicht nur auf das Geld schaut, haben wir durchaus Vorteile.
Herr Dr. Riad, wie gefragt sind Produkte aus Deutschland aus Ihrer Sicht?
"Made in Germany" hat in Ägypten einen sehr guten Ruf. Mehrmals habe ich das von Technikern und Ingenieuren, die in den alten ägyptischen Wasseraufbereitungsanlagen arbeiten, gehört. Sie bestätigen, dass deutsche Pumpen oder andere Ausrüstungen nach einfacher regelmäßiger Wartung seit mehr als 20 oder 30 Jahren effizient arbeiten. Daher ist die deutsche Technologie sehr bekannt für ihre hohe Qualität, Langlebigkeit, Energieeinsparung und den Kundendienst.
Darüber hinaus können hundertprozentige deutsche oder EU-Produkte von den Zollgebühren in Ägypten befreit werden (EUR1-Zertifikat). Auch machen die Versanddauer und die Versandkosten die europäischen Produkte attraktiver als asiatische oder amerikanische.
Dos und Don'ts in der Geschäftspraxis
Frau Blanke, welche kulturellen Aspekte spielen beim Austausch zwischen deutschen und ägyptischen Unternehmen eine Rolle?
Der größte Unterschied, an den wir uns erst gewöhnen mussten, ist das Vermeiden, eine negative Antwort zu geben. Wenn wir beispielsweise nach dem Stand der Betonarbeiten fragen, bekommen wir teilweise eher gar keine Antwort, anstatt uns zu melden, dass es sich noch um ein paar Wochen verzögert. Mit unserer deutschen direkteren Art ist dies nicht wirklich kompatibel und führt auch schon einmal zu Frust. Auch hier können Branchenexperten sicherlich vermitteln, damit beide Seiten ohne Gesichtsverlust kommunizieren können.
Herr Dr. Riad, wie vermitteln Sie kulturelle Unterschiede?
Ich habe die deutschen Delegationen, die Ägypten besuchten, auf verschiedene Dinge aufmerksam gemacht, wie den Verzicht auf Alkohol in der Öffentlichkeit, die Anrede der Ägypter mit dem Vornamen (nicht mit dem Familiennamen) und die beste Kleidung für die Besuche oder Veranstaltungen.
Von den Managern der ägyptischen Unternehmen habe ich mehrmals gehört, dass sie sehr froh sind, mit mir als Branchenexperten einen Vermittler zu haben, der nicht nur ihre Muttersprache spricht, sondern auch ihre Kultur und ihre Interessen versteht.
Das Interview führten Sabine Huth von Germany Trade & Invest und Clara Kahn von der Geschäftsstelle Wirtschaftsnetzwerk Afrika im Oktober 2023.
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