In Afrika aber interessieren sich vor allem Firmen aus der Nahrungsmittelbranche für TIAs Anlagen
Für TIA Abwassertechnik kam Afrika beim Gang in Auslandsmärkte nach Europa und dem Nahen Osten bereits an dritter Stelle. Das Familienunternehmen aus Breitenfelde bei Hamburg mit knapp 20 Mitarbeitern wollte sich zunächst im Umkreis von sechs Flugstunden bewegen, erklärt Verkaufsmanager Jean Mathys im Interview.
Afrika stand bei einem Exportanteil von knapp zwei Dritteln in den letzten beiden Jahren für ein Viertel des Geschäfts. Inzwischen hat TIA dort gut 15 Kläranlagen gebaut, rund die Hälfte davon in Ägypten. Ein Gespräch über eine Menge von Anfragen, wenig Konkurrenz bei Industriekläranlagen und bröselnden Beton in Klärbecken.
Kläranlagen mit Bauanleitung wie bei IKEA
Herr Mathys, was war Ihr bisher ungewöhnlichstes Geschäft in Afrika?
Vermutlich die Kläranlagen für zwei Krankenhäuser in Mali 2018. Irgendwann standen zwei Lkw bei uns auf dem Hof in Breitenfelde, luden die Container und fuhren den ganzen Weg nach Mali, über Gibraltar und durch die Wüste.
Und wer hat das Projekt gemanagt?
Ein Malier, den wir hier in Deutschland kennengelernt hatten. Er hat den Kontakt zu den Krankenhäusern hergestellt und alles in die Hand genommen, ein wahres Organisationsgenie. Er kümmerte sich um den Bau der Klärbecken und um die Leute, die die Kläranlage aufbauten und in Betrieb nahmen.
Mussten Sie nicht selber vor Ort sein?
Nein, in diesem Fall funktionierte das auch so. Es handelte sich um eine Anlage auf Basis unserer COMPACTmini. Das ist ein Modell, das wir für kleine Kommunen entwickelt haben – mit möglichst geringem Bedienaufwand und niedrigen Kosten. Für Mali passte das genau. Wir haben für solche Fälle eine Aufbauanleitung wie bei IKEA entworfen und in den Container gepackt. Nach zwei, drei weiteren Telefonaten lief die Anlage.
Mangel an qualifiziertem Personal ist in Afrika auch in der Abwasserklärung ein Thema?
Die Weltbank merkt das immer dann, wenn niemand die komplexen Großanlagen bedienen kann, die sie finanziert. Wir hingegen schulen das Personal bei unseren Anlagen sehr aufwändig. Auch bei den Vorleistungen klemmt es. So bekamen wir aus Afrika einen Anruf unseres Monteurs, der eine unserer Anlagen installieren sollte – die ist bis heute nicht in Betrieb: Das Klärbecken für eine große Brauerei war undicht und somit nicht zu gebrauchen. Die beauftragte lokale Baufirma hatte keinen Innenrüttler, um den Beton zu verdichten. Da bröselte dann natürlich alles.
Aber Ihr Geld haben Sie bekommen?
Inzwischen das allermeiste, ja. Wir erhielten unser Geld – vollständig – auch bei einem Projekt in Äthiopien, mit dem wir ansonsten aber sehr unzufrieden sind. Unser Kunde dort musste sein Industrieabwasser reinigen, weil er sonst von der Lieferantenliste seines Abnehmers gestrichen worden wäre, einem internationalen Einzelhandelskonzern. Wir lieferten die Technik, doch sie ist bis heute nicht installiert. Offenkundig legte der Kunde seinem Abnehmer nur unsere Rechnung vor, und der hat nicht weiter nachgefragt. Jedenfalls bezieht er bis heute Ware von dieser Fabrik in Äthiopien.
Viele Kunden in Afrikas Nahrungsmittelindustrie
Ihre Stärke liegt bei Kläranlagen für industrielle Abwässer?
Ja, eindeutig, und zwar für Hersteller von Stahl, Arzneimitteln, Chemikalien und Textilien. In Afrika aber interessieren sich vor allem Firmen der Nahrungsmittelbranche für unsere Anlagen, zu unseren dortigen Kunden zählen Brauereien, Molkereien und Produzenten von Fertiggerichten. Industrielle Abwässer sind stets unterschiedlich, deshalb ist für ihre Behandlung jedes Mal ein anderes Verfahren gefragt. Der Knackpunkt dabei ist also die Verfahrenstechnik und nicht die Komplexität der Anlagen. Bei Verfahrenstechnik ist viel Erfahrung gefragt, und das ist unsere Stärke.
Entwerfen und bauen Sie die Anlagen selbst?
Ja, wir bauen in Deutschland mit Komponenten namhafter Hersteller. Nur Elektrik und Steuerung kommen von außen, da wir uns als kleine Firma aufs Wesentliche beschränken. Der Kunde bekommt von uns eine schlüsselfertige Anlage, die genau seine Abwässer reinigt. Und wir liefern modular: Wenn das Aufkommen oder die Art des Abwassers sich verändern, kann der Kunde sein Klärwerk mit einer entsprechenden Technikeinheit von uns erweitern. Er muss also nicht neu bauen und hat die gleichen Ersatzteile.
Industrielle Klärtechnik ist das Kerngeschäft
Kommunale Klärtechnik bieten Sie auch an?
Ja, aber da haben wir deutlich mehr Wettbewerb, weil der technische Anspruch nicht so groß ist. Im Gegensatz zu industriellen Abwässern sind kommunale Abwässer auf der ganzen Welt ähnlich, und für die Behandlung gibt es Standardverfahren. Da kommt dann ein großer Technikkonzern zum Beispiel aus Frankreich und schöpft aus seinem Repertoire. Bei diesem Geschäft geht es vor allem um Skalierbarkeit und niedrige Kosten, und da können wir nicht mithalten.
Gilt das auch für Afrika?
Ja, umso mehr. Große kommunale Klärwerke werden dort typischerweise von der Weltbank oder anderen internationalen Gebern finanziert. Es gibt dann eine riesige Ausschreibung mit tausend Seiten und Dateien von x Megabyte – das können wir allein gar nicht ernsthaft sichten. Ein Consultant plant bei diesen Vorhaben alles durch und legt jede Schraube fest. Als Anbieter hat man null Gestaltungsspielraum, es geht nur darum, wie man am billigsten das letzte Teil beschafft.
Und wie läuft die Vergabe bei der industriellen Abwasserreinigung?
Es gibt oft eine funktionelle Vergabe: Der Kunde informiert uns in einer einfachen, kurzen Mail, was er herstellt und wie sein Abwasser nach der Klärung aussehen muss. Mit ein paar wenigen Nachfragen bekommen wir die benötigten Daten. Unser Job ist dann, wie man vom Problem zur Lösung kommt. Der Kunde erhält am Ende ein Angebot mit genau der Anlage, die er braucht. Aufgrund unserer Erfahrung können wir meist bereits eine recht gut passende Referenz vorweisen. Doch Konkurrenten von uns werden das auch tun – am Ende gewinnt der, das das beste Konzept hat.
Aufträge oft über europäische Kontakte – aber lokale Partner gesucht
Wie kommen Sie an Ihre Aufträge in Afrika?
Bisher meistens durch Verbindungen, die wir aus Deutschland heraus pflegen. Unseren ersten Kunden in Afrika vor 20 Jahren, einen Getränkeabfüller in Ghana, gewannen wir über den Kontakt zu dessen internationaler Konzernzentrale. Ähnlich war es bei einem großen Kakaoverarbeiter in Côte d´Ivoire. Entsprechend wichtig ist es, dass wir in den Zentralen dieser Unternehmen als Lieferant gelistet sind. Bei einer Brauerei in Togo kamen wir über den deutschen Technik-Consultant zum Zuge, der die Gesamtanlage durchgeplant und einen Spezialisten für Abwasser gesucht hatte. Wichtig sind aber auch Kontakte, die wir bei der Branchenmesse IFAT knüpfen.
Lokale Partner spielen bei der Vermarktung vor Ort noch keine große Rolle?
Nein, und genau deshalb suchen wir jetzt verstärkt solche lokalen Vertreter. Dabei kommt es uns auf deren Netzwerk an. Die Firmen oder Personen müssen vor allem Beziehungen zu potenziellen Kunden haben. In zweiter Linie gerne auch zu Kooperationspartnern wie Baufirmen, die zum Beispiel das Klärbecken errichten oder den Service übernehmen können. In Serbien kooperieren wir mit einem Lieferanten für die Industrie, der mit Abwasser nichts am Hut hat. Er verfügt aber über beste Beziehungen zu den Nahrungsmittelherstellern im Land.
Für welche afrikanischen Länder suchen Sie Partner?
Eigentlich auf dem gesamten Kontinent. In Südafrika sind wir mit einem potenziellen Partner im Gespräch, für Nigeria mit dreien, und für Kenia, Tansania und Äthiopien sind wir demnächst auch auf der Suche. Dabei helfen uns die zuständigen deutschen Auslandshandelskammern, die dafür inzwischen einen wirklich guten Service leisten. Einige Kandidaten lernte unser Firmenchef an der Technischen Universität Hamburg kennen; die Welt der Abwasserbranche ist klein und man kennt sich.
Wie bezahlen Sie Ihre Partner?
Auf reiner Kommissionsbasis, Geld fließt nur bei Abschluss eines Vertrags. Der Partner muss also bereits ein Geschäft haben, damit er auch mal eine Durststrecke durchstehen kann. Von der ersten Anfrage bis zum Auftrag dauert es meist ein bis drei Jahre, im Ausnahmefall noch viel länger. Je nach Land können wir auch mit mehreren Partnern zusammenarbeiten, Länder wie Nigeria sind dafür allemal groß genug. In Ägypten haben wir mehrere Vertreter, da sind klare Vereinbarungen und Kommunikation besonders wichtig.
Erst das Geld, dann die Lieferung
Wie erhalten Sie Ihr Geld von Kunden in Afrika?
Per Akkreditiv oder Vorauszahlung. Die Ware geht bei uns erst dann vom Hof, wenn die Zahlung eingegangen oder abgesichert ist.
Können Sie sich das denn leisten, haben Sie keine Konkurrenz?
Für die passgenaue Reinigung von Industrieabwasser gibt es in Afrika gar nicht so viele Anbieter. Wettbewerb kommt am ehesten noch von anderen deutschen Firmen oder aus dem europäischen Ausland. Diese Konkurrenten liefern wohl auch Technik an die einheimischen Firmen, die uns in Afrika begegnen. Es bauen auch chinesische oder indische Firmen Anlagen in Afrika, nur sehen wir die als TIA nicht: Diese asiatischen Technikanbieter liefern an Kunden, die prinzipiell nicht bei relativ teuren Europäern kaufen und daher für uns gar nicht in Frage kommen.
Und der Markt wächst?
Von Jahr zu Jahr bekommen wir mehr Anfragen. Afrika ist nach unserer Einschätzung bei Abwassertechnik in den nächsten zwanzig Jahren der Wachstumsmarkt schlechthin. Ein Hemmschuh für die kommunale Abwasserreinigung ist sicherlich die mangelhafte Durchsetzung staatlicher Vorgaben. Ein Land wie Nigeria hat zwar gute Gesetze, nur fehlt es an der Umsetzung. In Ägypten wird schon genauer auf die Vorgaben geachtet. Daneben gibt es auf dem Kontinent ja auch die von internationalen Gebern finanzierten Projekte. Und für Südafrika, mit seiner teils extremen Wasserknappheit wie unlängst in Kapstadt, glauben wir, dass jetzt tatsächlich Geld fließen wird: in den massiven Ausbau der kommunalen Abwasserreinigung, mit dem Ziel der Wiederverwendung. Außerdem gibt es dort Projekte wie jenes unseres potenziellen Partners, der gehobene Wohnanlagen nach deutschem Vorbild plant und dafür das Abwasser bis hin zu Trinkwasserqualität klären will.
Kläranlage mit Besuchstouren und Einweihungssekt
Und bei industrieller Klärtechnik, Ihrem Spezialgebiet?
Wasser wird immer knapper, und für Industrie und Gewerbe lohnt sich die Wiederverwertung zunehmend. Wir haben ein Fünfsternehotel am Roten Meer in Ägypten als Kunden. Die Betreiber bewässerten ihren Golfplatz bis vor Kurzem mit entsalztem Meerwasser, zu Kosten von 2 Euro pro Kubikmeter. Jetzt nehmen sie dafür gereinigtes Abwasser aus der neuen TIA-Anlage, was deutlich günstiger ist. Nach einem Jahr hatte sich die Investition für den Kunden amortisiert. Die Kläranlage bekam sogar eine Einweihungsfeier mit Buffet und allem Drum und Dran, das war ein echtes Highlight. Inzwischen hat das Hotel sogar Klärtechnik-Besuchstouren für seine Gäste eingerichtet.
Weitere Informationen
|
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Oktober 2021.