Tunesiens Wirtschaft ist stark auf Europa ausgerichtet. Viele europäische, auch deutsche Unternehmen produzieren hier. Dadurch ist die Industrie relativ diversifiziert.

Der Mittelmeerstaat weist einige gut entwickelte Industriebranchen auf und verfügt über einen starken Dienstleistungssektor. Die verarbeitende Industrie ist breit aufgestellt. Die mechanische und elektronische Industrie, hier vor allem Kabelbäume, ist der stärkste Bereich gefolgt von der nahrungsmittelverarbeitenden Industrie und dem Textilsektor. Der Tourismus spielt traditionell eine wichtige Rolle.

Tunesien gewinnt für Nearshoring weiter an Attraktivität für Unternehmen. Neben der geografischen Nähe zu Europa sind das hohe Bildungsniveau, wettbewerbsfähige Löhne und eine im regionalen Kontext gute Infrastruktur Pluspunkte des Landes. Mittelfristig hat Tunesien Absatzmärkte auf dem afrikanischen Kontinent im Visier.

Dem unbestrittenen Potenzial steht ein schwieriges Wirtschaftsumfeld gegenüber. Die Importabhängigkeit bei Energie und bestimmten Grundnahrungsmitteln trifft Wirtschaft und Bevölkerung. Privatisierung von Staatsbetrieben, Reform der öffentlichen Verwaltung sowie eine Liberalisierung in einigen Wirtschaftsbereichen sind dringend nötig. Wenn diese umgesetzt werden, dürfte sich das Geschäftsklima verbessern und neue Produktions-, Absatz- und Beschaffungsmöglichkeiten können entstehen.

Das Länderprofil wurde zuletzt im August 2024 aktualisiert.

Tunesien ist eines von dreizehn afrikanischen Ländern der G20-Initiative Compact with Africa (CwA). Ziel ist es, die Bedingungen für private Investitionen in den Teilnehmerländern zu verbessern.

Jörn Bousselmi, Geschäftsführer der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer

Deutsche Unternehmen sind seit langem in Tunesien aktiv und bauen ihr Engagement kontinuierlich aus. Tunesien bietet interessante Möglichkeiten im Nearshoring von IT-Dienstleistungen und der Industrieproduktion. Der Blick auf Automotive, Erneuerbare Energie, Wasserstoff, Pharma, die Umweltwirtschaft sowie das Fachkräftepotenzial in vielen Sektoren lohnt sich derzeit besonders.

Jörn Bousselmi Geschäftsführer der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer

Daten und Fakten Tunesien

SWOT-Analyse

S

Strengths Stärken

  • Geografische Lage (Nähe zu Europa)
  • Wettbewerbsfähige Exportindustrie
  • Viele Hochschulabsolventen, gerade in MINT-Berufen
  • Im Vergleich zu Europa niedrige Lohnkosten
  • Internationale Geber stützen Tunesien
W

Weaknesses Schwächen

  • Politische Machtkonzentration in den Händen des Präsidenten
  • Ineffiziente und teilweise intransparente Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse
  • Hohe Arbeitslosigkeit, Brain-Drain
  • Geringe Investitionsquote
  • Hohes Länderrisiko wegen Staatsverschuldung
O

Opportunities Chancen

  • Nearshoring von Industrie und IT-Dienstleistungen
  • Höhere Wertschöpfung in Industrie, IKT und Tourismus
  • Potenzieller Hub für Subsahara-Afrika und Libyen
  • Gute Voraussetzungen für Produktion von grünem Wasserstoff

T

Threats Risiken

  • Ausbleibende Wirtschaftsreformen, Protektionismus
  • Soziale Spannungen verstärken sich durch Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine
  • Volatile Situation in den Nachbarländern (Algerien, Libyen)
  • Auswirkungen des Klimawandels verschärfen Anpassungsdruck

Potenzialbranchen in Tunesien

Energiewirtschaft

In Tunesien kommen große Projekte im Bereich der Solarenergie nach jahrelanger Stagnation voran. Die internationale Finanzierung für das Stromunterseekabel ELMED nach Italien steht, damit könnte der Export von grünem Strom nach Europa attraktiv werden. Beim Thema Wasserstoff geht es voran: Ende Mai 2024 wurden die nationale Wasserstoffstrategie veröffentlicht und Absichtserklärungen mit internationalen Unternehmen unterzeichnet. Deutschland bezuschusst den Bau einer Pilotanlage in Gabès.

IT und Telekommunikation

Der IT- und Start-up-Sektor Tunesiens wird immer erfolgreicher. Internationale Softwarefirmen lassen schon seit Jahren in Tunesien programmieren. Inzwischen entdecken auch kleine und mittelständische Unternehmen den Vorteil von IT-Outsourcing oder -Nearshoring nach Nordafrika. Vor allem Industrieunternehmen, die bereits im Land produzieren, nutzen die Standortvorteile und bauen interne IT-Abteilungen auf. Wegen des kleinen lokalen Marktes und begrenzter Finanzierungsmöglichkeiten suchen tunesische Start-ups Partner, um auch im Ausland zu wachsen. 

Automobil

Während der Absatz von Neufahrzeugen in Tunesien wegen der Wirtschaftslage und eines florierenden Parallelmarktes unter Druck steht, ist das Land ein etablierter Standort für die Zulieferindustrie. Schätzungsweise 280 Kfz-Zulieferer sind in Tunesien aktiv, über 60 Prozent davon mit ausländischer Beteiligung. Neben der Produktion vor allem elektromechanischer und elektronischer Komponenten spielen zunehmend Forschung, Entwicklung und IT eine Rolle. 

 

 

Textil und Bekleidung

Textilien und Bekleidung sind das zweitwichtigste Exportgut Tunesiens. Mit kurzen Transportwegen nach Europa und vergleichsweise günstigen Produktionskosten ist das Land ein attraktiver Nearshoring-Standort. Internationale Hersteller bauen ihr Engagement aus, deutsche Näh- und Textilmaschinen sind gefragt. Neue Investitionen sollen den Sektor umweltfreundlicher und digitaler machen. 

 

 

Tourismus und Reisen

Mit über 9 Millionen Touristen im Jahr 2023 ist Tunesien ein beliebtes Reiseziel – auch für europäische Gäste. Neue Hotels werden gebaut und Tunis steht auch wieder auf dem Programm von Kreuzfahrten. Es entstehen immer mehr kleinere Gästehäuser und neue touristische Angebote. Branchenvertreter hoffen auf eine weitere Entbürokratisierung des Sektors. 

Mehr Brancheninfos

Germany Trade & Invest (GTAI) bietet weitergehende Informationen zu aussichtsreichen Branchen in Tunesien

Die Analysen beleuchten neben der Marktentwicklung auch politische Rahmenbedingungen, aktuelle und geplante Projekte sowie Geschäftschancen für deutsche Unternehmen.

Marktzugang

Rechtlicher Rahmen, Gründen, Investieren 

Den Überblick zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Ihr Tunesien-Geschäft gibt die GTAI-Publikation Recht Kompakt Tunesien

Zoll- und Einfuhrregelungen

Arbeitsmarkt und Löhne

In Tunesien variiert die Beschäftigungsquote je nach Region. Tendenziell ist die Lage an der Küste und im Norden des Landes besser, was auf die Tourismusbranche sowie die dort angesiedelte Industrie zurückzuführen ist. Bei der Vermittlung von Jobs spielen persönliche Kontakte eine größere Rolle als Personalagenturen. Arbeitslosigkeit betrifft vor allem junge Menschen, Akademiker und Frauen.

Die Qualifizierung junger Fachkräfte, die sich am Bedarf der tunesischen Wirtschaft ausrichtet, ist eine der großen Herausforderungen des Landes. iMOVE: Training – Made in Germany bietet Informationen zum tunesischen Markt der Aus- und Weiterbildung und Chancen, die sich für deutsche Bildungsanbieter ergeben.

Entwicklungsprojekte und Ausschreibungen

In Tunesien fördern internationale Geber sehr viele Entwicklungsprojekte. Am aktivsten sind die KfW Entwicklungsbank, die Institutionen der EU und die Weltbank. Tunesien ist einer der Reformpartner Deutschlands, was auch bedeutet, dass Tunesien höhere Zusagen aus Deutschland erhält als andere Länder. Die meisten Projekte gibt es im Bereich Wasser und Umwelt, im Energiesektor sowie im Finanzwesen. Aus geberfinanzierten Vorhaben resultieren Aufträge, die ab gewissen Schwellenwerten international ausgeschrieben werden. Dies sind in erster Linie Tender für den Einkauf von Consultingleistungen, aber auch für Liefer- und Bauleistungen.

Bei Germany Trade & Invest finden Sie aktuelle

Unterstützung beim Markteinstieg in Tunesien

Das Wirtschaftsnetzwerk Afrika und weitere Institutionen der Außenwirtschaftsförderung bieten verschiedene Maßnahmen in ausgewählten Branchen an, um deutschen Unternehmen die Erschließung des Zielmarktes Tunesien zu erleichtern.

Beratungsgutscheine Afrika

Das BMWK unterstützt den Markteinstieg deutscher KMU in Afrika. Unternehmen erhalten bis zu 85 Prozent der Kosten für maximal 15 Beratungstage.

BMWK-Markterschließungsprogramm Neues Fenster zu "BMWK-Markterschließungsprogramm".

Das Markterschließungsprogramm (MEP) erleichtert kleinen und mittleren Unternehmen den Einstieg in ausländische Märkte und bietet aktuell Maßnahmen für Tunesien an.

Investitionsgarantien des Bundes Neues Fenster zu "Investitionsgarantien des Bundes".

Die Investitionsgarantien sichern Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in Tunesien gegen politische Risiken ab und unterstützten Projekte vor Ort.

Export­kredit­versicherungen für Privatwirtschaft Neues Fenster zu "Export­kredit­versicherungen für Privatwirtschaft".

Die Hermesdeckungen schützen Exporteure und Banken bei Geschäften mit tunesischen Handelspartnern vor wirtschaftlich und politisch bedingten Zahlungsausfällen.

Kompetenzzentrum für Exportkreditgarantien Neues Fenster zu "Kompetenzzentrum für Exportkreditgarantien".

Das Kompetenzzentrum an der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer flankiert deutsche Exportgeschäfte in der MENA-Region und bietet Unterstützung bei Transaktionen.

Import Promotion Desk Tunesien Neues Fenster zu "Import Promotion Desk Tunesien".

Das Import Promotion Desk (IPD) fördert Handelspartnerschaften für den Import hochwertiger natürlicher Zutaten und für nachhaltige Reiseangebote.

Invest for Jobs Neues Fenster zu "Invest for Jobs".

Die Sonderinitiative "Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel" unterstützt Unternehmen bei ihrem Engagement in Afrika. Ziel ist, bis zu 100.000 Arbeitsplätze zu schaffen.

Kontakte und weiterführende Links

Beratung für Ihr Tunesien-Geschäft

Ansprechpartner vor Ort

Kontakt Deutsch-Tunesische Industrie- und Handels­kammer (AHK)

Kontakt Jörn Bousselmi

Geschäftsführer, Investitionen, Rechtsfragen, Regierungskontakte Deutsch-Tunesische Industrie- und Handels­kammer (AHK) +216-71-965-280

E-Mail schreiben

Kontakt Dr. Makram Ben Hamida

Kontakt Souad Mami

Kontakt Eva Steinhaus

Leiterin Kompetenzzentrum für Exportkreditgarantien +971 4876 9007

E-Mail schreiben

Kontakt Deutsche Botschaft Tunis

Weiterführende Informationen

Erfahrungsberichte von Unternehmen in Tunesien

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