Bekleidungsproduktion bei Van Laack in Tunesien

Ghazi El Biche, Geschäftsführer von Van Laack Tunisie inmitten der Produktion

Van Laack, der Hersteller von Premiumhemden aus Mönchengladbach, feierte im Jahr 2024 das 50-jährige Bestehen seiner Tochterfirma in Tunesien. Neben dem Standort in Hanoi ist das nordafrikanische Land die einzige Produktionsstätte im Ausland. In Bizerte, knapp 70 Kilometer nördlich von der Hauptstadt Tunis, beschäftigt das Unternehmen derzeit rund 800 Mitarbeiter. Ghazi El Biche ist seit 2011 Geschäftsführer bei Van Laack Tunisie, seit 2023 ist er zudem Präsident der deutsch-tunesischen Industrie- und Handelskammer. Im Interview verrät er, was für Tunesien als Standort spricht und wie er das Betriebsklima in den Nähfabriken grundlegend verändert hat. 

Die Vorteile einer Produktion in Nordafrika

Herr El Biche, herzlichen Glückwunsch zum 50-jährigen Jubiläum von Van Laack Tunisie! Wird es weitere 50 Jahre geben?

Ghazi El Biche, Geschäftsführer bei Van Laack Tunisie Van Laack Tunisie Ghazi El Biche, Geschäftsführer bei Van Laack Tunisie

Davon bin ich überzeugt. Für Tunesien sprechen einfach viele Faktoren. Zum Beispiel ein zollfreier Import von Bekleidung in die EU und die Nähe zu unseren europäischen Hauptabnehmern in Deutschland, Italien und den Niederlanden. Dadurch sind auch die Transportzeiten und -kosten viel geringer, als wenn man Bekleidung aus Südostasien importiert. 

Das können aber auch Standorte in Osteuropa von sich behaupten. Warum ist Nordafrika trotzdem attraktiv? 

Hier spielen natürlich die wettbewerbsfähigen Lohnkosten eine Rolle. Außerdem sind die Arbeiterinnen in Tunesien unglaublich loyal, wenn man sich für ihre Bedürfnisse einsetzt. Ich spreche von Frauen, da 99 Prozent unserer Mitarbeiter weiblich sind. Und das selbst im Top-Management. Wir können hier zudem junge Leute finden, die bei uns einsteigen möchten. Das ist zum Beispiel in Rumänien nicht mehr der Fall. 

Sie sprachen die geringen Transportzeiten an: Wie lange braucht denn eine Lieferung aus Bizerte nach Mönchengladbach?

Bizerte befindet sich im Norden von Tunesien, ganz in der Nähe zu Tunis. Wie die meisten exportierenden Unternehmen verschiffen wir über den Hafen von Rades in der Hauptstadt. Verlässt die Ware am Donnerstag unser Werk, dann sind die Hemden am Montag darauf bereits in Mönchengladbach. Unser Vorteil: Wir verschiffen nicht in Containern, sondern beladen einfach Lkws, die dann auf die Fähre fahren. 

Ein gutes Betriebsklima ist unsere Priorität

Es gibt in Tunesien zahlreiche Bekleidungsproduzenten. Wie schaffen Sie es, Ihre Mitarbeiterinnen zu halten?

Van Laack Tunisie ist hier sicherlich ein Vorzeigeunternehmen. Wir haben uns fünf Jahre Zeit genommen – gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin und einer Psychologin – um eine neue Unternehmensphilosophie zu entwickeln. Meine Prämisse lautet: „Die Frauen sollen sich bei uns besser fühlen als bei sich zu Hause.“ 

Wie meinen Sie das?

Die Arbeitslosigkeit in Tunesien ist sehr hoch und wir rekrutieren deshalb nur Frauen, die anderswo keine Chancen haben. Wir wollen genau ihnen eine Zukunftsperspektive bieten. Meist wachsen diese Frauen in schwierigen Familienverhältnissen auf. 

Und ein Tag an der Nähmaschine ändert daran was genau?

Natürlich ist die Arbeit an sich beschwerlich. Aber wir setzen an ganz verschiedenen Punkten an, um den Arbeitsplatz angenehm zu gestalten. Bei Van Laack ist die wöchentliche Arbeitszeit geringer als vorgeschrieben, um den Frauen mehr Freizeit zu ermöglichen. Zudem bieten wir täglich ein Sportprogramm an, wir übernehmen die Kosten für eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio und wir haben eine Sozialarbeiterin und einen Arzt vor Ort. Und wenn eine Frau schwanger wird, übernehmen wir die Behandlungskosten für die Vorsorge und die Geburt in einer Privatklinik. 

Und wie sind die Arbeitsplätze gestaltet?

Wir sorgen für ausreichende Beleuchtung und für totale Sauberkeit der Räumlichkeiten und der Toiletten. In den Kaffee- und Mittagspausen spenden zahlreiche Bäume im Hof Schatten. Und auch außerhalb der Fabrik kümmern wir uns um Parkplätze, grüne Bepflanzungen und die Sauberkeit. Denn: Wir haben nicht nur eine Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern, sondern auch gegenüber der Stadt und der Region.

Aussichten der Bekleidungsindustrie in Tunesien

Der Bekleidungsindustrie in Tunesien geht es gerade nicht gut. Trifft das auch auf Ihr Unternehmen zu?

Das liegt vor allem an der schwächeren Nachfrage aus Europa, denn rund 80 Prozent der Branchenfirmen produzieren wie wir rein für den Export. Unser Umsatz ist zum Glück stabil, denn wir sind ständig auf der Suche nach neuen Kunden und Kooperationen. Für das nächste Jahr gehe ich wieder von einem Umsatzwachstum aus.

Produzieren Sie nicht ausschließlich für Van Laack?

Nein. Neben Van Laack in Mönchengladbach haben wir auch viele andere Kunden. Wir stellen auch nur noch 30 Prozent unserer Ware nach dem Modell der Lohnfertigung her, den Rest produzieren wir voll und ganz selbst. 

Woher kommen die Stoffe, die Sie verwenden?

Wir beziehen die Stoffe vor allem aus Italien, 20 Prozent kommen aus Asien, vor allem Seide und technische Textilien. Aber wir engagieren uns auch für den Aufbau einer textilen Infrastruktur in Tunesien selbst. Wir haben begonnen, Bekleidung zu produzieren, die zu 100 Prozent aus Tunesien stammt. Dafür haben wir ein Joint Venture mit einem tunesischen Textilproduzenten gegründet. 

Von Nebenjob an der Nähmaschine zum Geschäftsführer

Eine letzte Frage: Wie sind Sie eigentlich zu Van Laack gekommen?

Das ist eine interessante Geschichte. Meine Mutter hat mir bereits im Alter von 6 Jahren das Nähen beigebracht. Als ich dann an der Hochschule Mönchengladbach mein Studium zum Ingenieur in der Bekleidungsfertigungsindustrie begann, ist einer Kommilitonin mein Talent aufgefallen. 

Und dann?

Sie hat mir empfohlen, mich bei Van Laack vorzustellen, die ja ebenfalls in Mönchengladbach ansässig sind. Seit dem 1. Semester habe ich dann dort neben dem Studium gearbeitet. Und so führte eines zum anderen, bis ich schließlich 2011 der neue Geschäftsführer für Van Laack in Tunesien wurde. 


Das Interview führten Verena Matschoß und Ines Ben Mabrouk von Germany Trade & Invest im November 2024

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