Interessierte Schweißer bei einem Lehrgang

Mit einer eigenen Niederlassung in Marokko will ABICOR BINZEL die Märkte in Westafrika erschließen. Das Unternehmen aus Buseck nahe Gießen, das sich global unter den Top Ten der Schweißtechnikhersteller und führend bei der Produktion und Vermarktung von Schweißbrennern sieht, erwartet viel Nachfrage in der Region und in ganz Afrika. Manfred Stöhr, Vertriebsleiter für Asien und Afrika, berichtet vom geplanten Ausbildungszentrum in Marokko und erklärt auch, warum die Marktbearbeitung über Frankreich nicht so gut funktioniert hat. 

Marokko als Tor zum westafrikanischen Markt 

Herr Stöhr, warum wollen Sie Westafrika von Marokko aus bearbeiten? 

Porträtbild: Manfred Stöhr, Vertriebsleiter Asien und Afrika bei ABICOR BINZEL ABICOR BINZEL Porträtbild: Manfred Stöhr, Vertriebsleiter Asien und Afrika bei ABICOR BINZEL

Weil wir so näher an den Märkten sind. Von dort ist ein Schweißbrenner oder ein anderes Gerät schneller im Senegal als aus Gießen, und der Service ist einfacher. Nach der Registrierung unserer Niederlassung Ende 2022 haben wir schon erste Geschäfte abgewickelt. Wir werden in Marokko ein Zentrallager für die Region errichten und auch ein Technologie- und Weiterbildungszentrum. Damit können wir eine breite Palette unseres Produktportfolios abdecken, inklusive der Schweiß- und Schneidtechnik unserer Schwesterfirmen aus der IBG Group. 

Ist Marokko mit den südlich gelegenen Ländern denn ausreichend integriert dafür?

Es gibt inzwischen viele gute Flugverbindungen, marokkanische Banken haben in Westafrika ihre Präsenz ausgeweitet. Vor allem aber stammen Schweißer auf marokkanischen Baustellen meist aus Westafrika. Senegalesen, Burkiner oder Ivorer, die zu Hause schlecht Arbeit finden, verdienen relativ gutes Geld mit einer Arbeit, die in Marokko oft als wenig attraktiv gilt, aber eine wichtige Stellung in der produzierenden Industrie einnimmt.

Sie wollen die Region dann auch mit Fachleuten von dort bearbeiten? 

Ab nächstem Jahr möchten wir möglichst jemanden aus Westafrika in unser Team in Marokko einstellen, der von dort aus die südlichen Nachbarländer betreut. Visafragen oder andere bürokratische Hürden sind kein Thema. Die marokkanischen Behörden ziehen mit, wenn die Firmen zum Beispiel Bedarf an Arbeitskräften anmelden. Das zeigen die Erfahrungen aus unserem bisherigen Geschäft in Marokko, das, wie anderswo auch, ein unabhängiger Vertreter für uns abgewickelt hat. Wir erwarten also keine Schwierigkeiten, wenn wir zum Beispiel senegalesische oder ivorische Schweißer zu Schulungen nach Marokko einladen. 

Versuchten Sie, das frankofone Afrika auch schon über Ihre Niederlassung in Frankreich zu bedienen?

Ja, das hat bei uns in der Vergangenheit aber nicht so gut funktioniert. Manche Händler und Kunden fühlten sich ungerecht behandelt. Sie klagten über mangelnde Präsenz aus Europa oder zu hohe Preise. Unser erster Niederlassungsleiter in Frankreich in den 90er-Jahren ist noch jährlich in die Region gereist, danach fand das zu selten statt. Man muss sich mit den Partnern austauschen und auf die Baustellen gehen, um mitzubekommen, wer wie mit wem arbeitet und wie alles zusammenhängt. In diesen Regionen ist der persönliche Kontakt ein wichtiger Teil des Geschäfts. Außerdem ist man in Nordafrika nach meiner Beobachtung nicht gut auf Frankreich zu sprechen. Vor gut zehn Jahren habe ich deshalb angefangen, selbst in die Länder zu reisen, obwohl ich nur wenig Französisch spreche. Inzwischen haben wir hier zwei französischsprachige Mitarbeiterinnen, die dies künftig übernehmen werden.

Die ABICOR BINZEL Gruppe hat weltweit rund 1.300 Mitarbeiter, davon 480 im Stammhaus in Buseck bei Gießen. Dort wird auch produziert - außerdem in Dresden, den USA, Brasilien, Indien und China. Drei Viertel des Umsatzes werden außerhalb Deutschlands generiert. ABICOR BINZEL ist das größte Unternehmen der deutschen IBG Group, die weitere Anbieter rund um die Schweiß- und Schneidtechnik und der Bauchemie umfasst. 

Branchenübergreifender Bedarf an Schweißtechnik in Afrika 

Sind Marokko und Westafrika denn ein vielversprechender Markt?

Absolut, da tut sich einiges. In Marokko selbst beliefern wir die aufstrebende Automobilindustrie oder steuern Schweißtechnik zum Bau von Pipelines und Wasserleitungen zu. Interessant ist in der Region vor allem der Ausbau der Energieversorgung, namentlich diverser Öl- und Gaspipelines. Auch bei Windrädern und Solaranlagen müssen viele Komponenten geschweißt werden, und gerade in Nord- und Westafrika gibt es viele Projekte mit erneuerbaren Energien. 

Sehen Sie solch eine Nachfragedynamik in ganz Afrika?

Ja, wir fokussieren uns gerade stark auf den Kontinent. In Afrika tätigen wir zwar noch keine fünf Prozent unserer Umsätze, die sind in den letzten Jahren aber stetig gewachsen. Die gesamte Infrastruktur dort muss ausgebaut werden. Hochwertige Schweißtechnik braucht ja nicht nur die Öl- und Gaswirtschaft. In Nigeria zum Beispiel verkaufen wir auch viel an die Nahrungsmittelindustrie. Unsere Produkte findet man zum Beispiel in den Betrieben von Nestlé und Heineken. 

Wie viel Konkurrenz haben Sie im frankofonen Afrika?

Eher weniger. Auf einer nigerianischen Ölplattform trifft man auch auf den Wettbewerb aus den USA, wo die größten Schweißtechnikhersteller sitzen. Im – französischsprachigen – Gabun hingegen beschränkt sich das eher auf Franzosen sowie Chinesen. Die spielen mit ihren billigen Kopien aber in einer anderen Liga. Beim Zusammenschweißen von Schutzzäunen oder irgendwelcher Teile in Hinterhöfen wird man unsere Produkte nicht sehen. 

Kooperation mit deutschen Partnern für mehr Aus- und Weiterbildung 

Welche Rolle spielt für Sie Ausbildung?

Unterweisung zum Auftragsschweißer bei Reparaturarbeiten an Bohrköpfen in einer Zinkmine in Burkina Faso ABICOR BINZEL Unterweisung zum Auftragsschweißer bei Reparaturarbeiten an Bohrköpfen in einer Zinkmine in Burkina Faso

Eine sehr große. Firmen auch in Afrika suchen händeringend qualifizierte Schweißer. Beim Pipelinebau zum Beispiel braucht es ein Zertifikat fürs Orbitalschweißen. Die Zertifizierung und Ausbildung unterstützen wir gemeinsam mit Projekten der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und verschiedenen Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalten (SLV) in Deutschland. Ganz wichtig ist uns in der Ausbildung auch die Vermittlung von Wissen zur Vermeidung von Gefahren über die persönliche Schutzausrüstung – angesichts von Schweißern, die mit Sonnenbrillen und Flip-Flops arbeiten. 

Wie bilden Sie aus?

Neben dem geplanten Zentrum in Marokko haben oder hatten wir Ausbildungsprojekte in Senegal, mit einer Berufsschule in Tunesien und mit dem größten Metallverarbeiter in Kamerun. Wir kooperieren bei den Lerninhalten stets mit Partnern aus Deutschland, wie der SLV in Halle. Daneben setzt die GIZ im Senegal eine Initiative des AICC um. Das ist ein Verein deutscher Mittelständler zur Förderung des Metallbaus in Afrika, bei dem auch wir, unsere verbundenen Unternehmen aus der IBG Gruppe und der Schleifwerkzeug-Hersteller Rhodius dabei sind. Ein angenehmer Nebeneffekt der Ausbildungsmaßnahmen in Tunesien und Kamerun war übrigens, dass dort danach unsere Verkäufe anzogen.

Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb in Afrika?

Über unabhängige Importeure und Fachhändler, die wir nach Möglichkeit in Deutschland schulen. Diese Partner bieten daneben eine breite Palette von Produkten für die Bauwirtschaft an. Eine eigene Niederlassung auf dem Kontinent besitzen wir, außer in Marokko jetzt, nur noch in Südafrika. Dort beliefern wir seit rund 30 Jahren viele Branchen von der Automobilindustrie bis hin zum Bergbau, auch in den nördlich angrenzenden Nachbarländern. Ägypten und Kenia steuern wir von unserer Niederlassung in Dubai aus, das restliche Afrika im Wesentlichen aus Deutschland. 

Ihre Niederlassung in Frankreich ist da aber auch hilfreich?

Ja, die Kolleginnen und Kollegen haben uns natürlich bei der Gründung in Marokko unterstützt. Sie sind auch wichtig für die Verbindung zu den Kunden Renault-Nissan und PSA in Marokko. Diese Automobilhersteller wollen auch dort direkt beliefert werden, nicht über Händler. Das war ein weiterer Grund für den Aufbau unserer Niederlassung.

Weitere Informationen 

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Februar 2023.

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