Blend Plants produziert Zement- und Asphaltmischanlagen.
Wer ein Gesicht für den "italienischen Weg nach Afrika" sucht, könnte auf das von Piero Berardi stoßen. Der 66-Jährige verantwortet seit 2012 den Afrika-Vertrieb bei Blend Plants. Das mittelständische Unternehmen aus der Nähe von Brescia produziert mit rund 70 Mitarbeitern Zement- und Asphalt-Mischanlagen. Seine Vertriebsarbeit heute lebt von der Vielzahl an Kontakten, die Berardi im Lauf der Zeit aufgebaut hat. Mit einem Studentenaustausch bei Fiat in Kairo setzte er 1978 zum ersten Mal seinen Fuß auf den afrikanischen Kontinent.
Top-down zum Ziel
Herr Berardi, wie gehen Sie bei der Kontaktaufnahme in einen neuen Markt in Afrika vor?
Immer top-down, ich fange also bei politischen Entscheidungsträgern an. In einem kleinen Land wie Ruanda treffe ich als Erstes den italienischen Botschafter. Zusammen gehen wir dann zum Chef der nationalen Straßenbehörde, der nächste Termin ist bei der zuständigen Handelskammer. Im Falle Nigerias ist der Botschafter in Rom mein erster Anlaufpunkt. Er vermittelt mir dann zum Beispiel den Kontakt zu einem staatlichen Bauunternehmer in seiner Heimat.
Und die italienischen Botschafter in Afrika, die spielen da mit?
Ja, und bei Vertretungen anderer europäischer Staaten glaube ich das ebenfalls zu erkennen. Unter ihnen setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir Europäer uns gegenseitig helfen müssen, gerade wenn es um die Unterstützung unserer kleineren Firmen geht. Für mich ist das ein wertvolles Netzwerk, das ich flexibel nutze. Umgekehrt profitieren davon auch deutsche, französische oder griechische Firmen; ich sehe mich zuallererst als Europäer.
Dieses Netzwerk bemühen Sie gerade wegen einer Baumesse in Libyen?
Für die Libya Build 2022 hatte ich ein sehr konstruktives Gespräch mit dem Wirtschaftsattaché der deutschen Botschaft in Tripolis. Ein deutscher Gemeinschaftsstand auf der Messe wäre eine tolle Sache.
Solche nationalen Messe-Pavillons finden Sie sehr hilfreich?
Auf jeden Fall. Wir beteiligen uns an sämtlichen italienischen Gemeinschaftsständen auf Baumessen in Afrika. Nach Covid geht es ja wieder los damit, derzeit ist eine Beteiligung sogar noch gratis. Aber auch sonst kostet das zum Beispiel bei einer Messe in Äthiopien gerade mal vielleicht 800 Euro, zuzüglich Reise- und Unterbringungskosten. Das ist wirklich nicht viel.
LinkedIn ist wichtigster Kommunikationskanal
Ihre persönlichen Kontakte sind also die wichtigste Basis für Ihre Vertriebsarbeit?
Sie bilden eine von zwei Säulen. Für meine jetzige Tätigkeit brachte ich schon aus meinem vorherigen Job über 5.000 persönliche Kontakte mit. Ich war lange Jahre Afrika-Vertriebsleiter des chinesischen Baumaschinenherstellers Zoomlion. Für Blend Plants arbeite ich offiziell seit 2012, bin aber der Eigentümerfamilie Biglieri schon seit 2004 familiär verbunden.
Und was ist die andere Säule Ihres Vertriebs?
Eine intensive Medienarbeit. Unser Vertriebsteam veröffentlicht jeden Tag mindestens einen Beitrag etwa in Fachzeitschriften oder über LinkedIn, den für uns wohl wichtigsten Kommunikationskanal. Bei LinkedIn habe ich über 60.000 Kontakte. Potenzielle Kunden auch in Afrika werden damit auf unsere Produkte aufmerksam und stellen im Idealfall von sich aus Anfragen bei uns.
Das Geschäft scheint in Afrika oft auf persönlichen und familiären Beziehungen zu beruhen.
Genau wegen solcher Verbindungen gewannen wir in Uganda unseren zweiten Kunden dort – obwohl wir diesen Mann noch nie gesehen haben. Anderswo müssen wir potenzielle Abnehmer mühsam und langwierig von den Vorteilen unserer Anlagen überzeugen. Diese Betonung des Persönlichen hat natürlich auch Nachteile. In einem Land waren wir schon weit fortgeschritten in Gesprächen mit einem Bauunternehmer aus dem Umfeld des Staatspräsidenten. Der sitzt aber nach einem Machtwechsel im Gefängnis, und unser Geschäft ist ausgesetzt.
Über das Drehkreuz Addis nach Ostafrika
Welche Rolle spielen bei diesem Fokus auf dem Persönlichen die Flugverbindungen?
Ostafrika ist für uns wegen des Drehkreuzes von Ethiopian Airlines der bessere Markt als Westafrika. Wenn ich abends in Mailand den Flieger nach Addis Abeba nehme, bin ich am Folgetag um 13 Uhr überall in Ostafrika, wo ich hinwill, in Kigali, Daressalam oder sogar hinunter bis ins südlich Afrika. Über Istanbul komme ich auch schnell in die ansonsten recht abgehängten Gebiete Somalias. Nach Westafrika hingegen gibt es keine Direktflüge, Reisen dorthin fressen viel Zeit.
Verkaufen Sie auch an die chinesischen Großbauprojekte in Afrika, mit Ihrer Vergangenheit in einem chinesischen Baumaschinenkonzern?
Nein. Erinnern Sie sich an meinen Top-down-Ansatz: Beim Netzwerken müsste ich da bei der Kommunistischen Partei irgendwo in China anfangen. Das erschiene mir sehr aufwändig und auch nicht sonderlich erfolgversprechend. Chinesische Firmen werden nie bei einem italienischen KMU beschaffen.
Weiterführende Informationen
|
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Oktober 2021.