Kwadwo Botuo Gyimah ist Branchenexperte für Bauwirtschaft an der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Ghana (AHK Ghana). Im Auftrag des Wirtschaftsnetzwerks Afrika des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) identifiziert er von Accra aus Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen.
Auf der ICCX West Africa in Ghana, einer Messe für die Zement- und Betonindustrie, kam er im April 2023 mit anderen Expertinnen und Experten der Baubranche aus Ghana und Deutschland zusammen. Im Interview erklärt Herr Gyimah, welche Potenziale Ghanas Bauwirtschaft bietet, wie deutsche und ghanaische Akteure zusammenarbeiten können und welche Rolle Nachhaltigkeit im lokalen Bausektor spielt.
Die Nachfrage nach Wohn- und Bürogebäuden steigt
Herr Gyimah, die Städte in Ghana wachsen rasant. Wie entwickelt sich der Markt für die Bauwirtschaft?
Laut dem Ghana Construction Market Report 2023 fehlen in Ghana rund 2 Millionen Wohnungen. Es gibt ein großes, nicht ausgeschöpftes Marktpotenzial für bezahlbaren Wohnraum, gewerbliche Gebäude und Infrastrukturprojekte. Dies ist eine große Chance für Investoren und Unternehmen, die in der ghanaischen Bauindustrie tätig werden wollen. Die Urbanisierung der schnell wachsenden Bevölkerung Ghanas und eine wachsende Mittelschicht kurbeln die Nachfrage nach Wohn- und Bürogebäuden weiter an. Die Aussichten für den ghanaischen Bausektor bleiben durchaus positiv, was vor allem mit staatlichen Infrastrukturplänen zusammenhängt.
Wo sehen Sie Potenzial für deutsche Bauwirtschaftsunternehmen?
Für deutsche Unternehmen bestehen Geschäftsmöglichkeiten unter anderem in der Immobilienprojektentwicklung. Gefragt sind Projekte für erschwinglichen Wohnraum, Wohnungs- und Häuserbau sowie Gewerbeprojekte und Immobilien mit gemischter Nutzung. Auch im Hochbausektor bieten sich zahlreiche Chancen für deutsche Unternehmen, etwa beim Bau von Wohn- und Geschäftsgebäuden, Industriegebäuden, Infrastruktur wie Brücken und Dämmen sowie Gebäuden für das Gesundheitswesen und den Tourismus. Daneben besteht Potenzial im Abfallsektor: Nur fünf Prozent der ghanaischen Abfälle werden recycelt. Hier gibt es noch sehr viele Möglichkeiten, diese Kapazitäten zu erweitern.
Beispiel Infrastrukturentwicklung: Welche Kooperationsmodelle gibt es?
Die Regierung in Ghana will den Ausbau der Infrastruktur durch Public Private Partnerships (öffentlich-private Partnerschaften, PPP), private Investitionen und ausländische Direktinvestitionen in den Bereichen Bergbau, Öl und Gas fördern. PPP-Kooperationen bieten sich an, um Infrastruktur wie Straßen, Brücken, Dämme und Häfen auszubauen, also das Verkehrsnetz des Landes zu verbessern, und so das Wirtschaftswachstum zu fördern.
Können Sie ein Beispiel für ein Infrastrukturprojekt mit deutscher Beteiligung geben?
Die INZAG Germany GmbH, ein Bauunternehmen aus Wiesbaden, setzt aktuell ein sehr wichtiges Straßenbauprojekt um: die Sanierung des ersten Abschnitts (Tema - Akosombo) der Eastern Corridor Road von Tema in die Greater Accra Region (Kulungugu) auf einer Länge von 63,6 Kilometern. Das Projekt hat eine Laufzeit von 30 Monaten und wird voraussichtlich 280 Millionen Euro kosten. Die INZAG Germany GmbH ist Auftragnehmer für Planung, Beschaffung und Bau. Die Finanzierung wird von Euler Hermes mit einer Exportkreditgarantie abgesichert. Die Standard Chartered Bank in Ghana strukturiert und finanziert das Vorhaben als Teil einer Social Loan Financing-Vereinbarung mit dem Finanzministerium von Ghana.
Deutsche Produkte, Maschinen und Partnerschaften für lokale Projekte
Gibt es auch deutsche Unternehmen im Bausektor, die vor Ort produzieren?
MC-Bauchemie ist einer der weltweit führenden Hersteller von Betonchemikalien und besitzt eine Produktionsstätte in Ghana. Das Unternehmen hat großes Potenzial für seine Produkte und Dienstleistungen erkannt und will nun den lokalen Markt bedienen. Das Tochterunternehmen MC-Bauchemie Ghana wurde 2016 gegründet, nahm 2017 den Betrieb auf und ist seither sehr schnell gewachsen. Der Geschäftsführer von MC-Bauchemie Ghana, Noble Bediako, berichtete mir kürzlich, dass die Firma mit nur zwei Mitarbeitern begonnen hat und mittlerweile 40 Vollzeitangestellte beschäftigt. Seinen Angaben zufolge produziert das Unternehmen inzwischen über 30 Produkte hier in Ghana und verwendet dabei zum Großteil lokale Rohstoffe. Der deutsche Trockenbauer Knauf ist auf dem ghanaischen Baumarkt ebenfalls gut aufgestellt und verfügt über ein Schulungszentrum in Accra und ein Vertriebsbüro, das die Branche mit seinen Produkten versorgt.
Welche Rolle spielen nachhaltiges und energieeffizientes Bauen?
Das Thema beschäftigt die ghanaische Industrie. 2017 wurde der jährlich stattfindende Ghana Green Building Summit (GGBS) ins Leben gerufen. Ziel ist es, Ghanas Bedarf im Bereich nachhaltiges Bauen zu ermitteln und Lösungen für Design, Finanzierung und notwendige Regulierungen zu entwickeln. Mittlerweile bieten einige Industrieunternehmen bereits Solarenergielösungen als alternative Energiequellen für Gewerbe- und Wohnimmobilien an. Zu den deutschen Unternehmen, die auf diesem Markt in Ghana tätig sind, gehören Ecoligo, EWIA Green Investments GmbH und Redavia Solar Power.
Sie haben im Frühjahr die Messe ICCX West Africa in Ghana besucht. Welche Eindrücke konnten Sie dort gewinnen?
Für mich war es eine großartige Gelegenheit, viele deutsche Unternehmen und Produkte aus der Branche kennenzulernen und mich mit den unterschiedlichen Teilnehmenden und Akteuren auszutauschen. Ich hatte zudem die Gelegenheit, mit vielen lokalen Unternehmen zu sprechen, die an deutschen Produkten, Maschinen und Partnerschaften für lokale Projekte interessiert sind. Als Branchenexperte ist es nun meine Aufgabe, beide Seiten zusammenzuführen.
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