Für deutsche Automobilhersteller und Zulieferer bieten Afrikas Märkte gute Perspektiven. Dafür sorgen hohe Wachstumszahlen, eine junge Bevölkerung, zunehmende Urbanisierung sowie ein niedriger Motorisierungsgrad.
Automobilmarkt in Afrika im Umbruch
Noch ist der Markt klein und die Rahmenbedingungen sind herausfordernd. Der Kontinent wird dazu vor allem von gebrauchten Autos dominiert – mit allen negativen Folgen für die Sicherheit und das Klima. Striktere Rahmenbedingungen sowie der Ausbau der Produktion vor Ort verändern den Markt jedoch. Nicht zuletzt zieht auch die Entstehung des weltgrößten Binnenmarktes, der Afrikanischen Freihandelszone, neue Player an.
Bei vielen afrikanischen Ländern steht die Industrialisierung weit oben auf der Agenda – häufig verbunden mit digitalen Prozessen und nachhaltigen Technologien. Wenn die Weltgemeinschaft ernsthaft dem Klimawandel begegnen will, müssen auch in Afrika die Bedingungen für saubere Mobilität geschaffen werden. Der Bericht des UN-Umweltprogramms zeigt, dass 80 Prozent der nach Afrika importierten Gebrauchtwagen die in den Exportländern geltenden Standards für Sicherheit und Schadstoffwerte nicht erfüllen. Filter, Airbags oder Katalysatoren wurden entweder entfernt oder funktionieren nicht mehr.
Das wachsende Interesse am afrikanischen Automobilmarkt beweisen auch die Aktivitäten des deutschen Verbands der Automobilindustrie (VDA). Im Dezember 2020 hat der VDA mit dem Afrikanischen Verband der Automobilhersteller (AAAM) eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. Im Rahmen der Partnerschaft hat der VDA eigene Ansprechpartner in Berlin sowie ein Projektbüro vor Ort in Johannesburg/Südafrika und in Accra/Ghana.
Für die deutsche Automobilindustrie wird der Kontinent auch nach Einschätzung des VDA immer wichtiger, nicht nur als Exportdestination, sondern auch für Standorte für die lokale Produktion. Für den Verband konzentriert sich die Zusammenarbeit auch auf die Erweiterung der Nachhaltigkeitsstrategie über Produkte und Produktionsprozesse hinaus. So gehört dazu auch die Erschließung neuer Energiequellen in Form von E-Fuels sowie digitale Mobilitätslösungen.
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Neue Normen für Kraftstoffe und Importfahrzeuge
Um Mindeststandards für importierte Fahrzeuge festzulegen, haben die UN eine Initiative gestartet, die mehrere afrikanische Länder – darunter Marokko, Algerien, Ghana, Côte d’Ivoire und Mauritius – bereits umgesetzt haben. So wurden Einfuhrverbote für über zehn Jahre alte Gebrauchtwagen erlassen. Die Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten (ECOWAS) hat bereits verbindliche Normen für Kraftstoffe und Importfahrzeuge verabschiedet. Danach müssen seit dem 1. Januar 2021 alle importierten Nutzfahrzeuge die Euro-4-Emissionsnormen erfüllen und dürfen maximal fünf Jahre alt sein. Dies soll innerhalb von zehn Jahren umgesetzt werden. Es wird zu einer Verschiebung zu kleineren, saubereren Fahrzeugen, die marktfähig sind, kommen. Die bestehenden Kfz-Reparaturwerkstätten stellen eine große Zahl an Arbeitsplätzen. Ausbildungs- und Schulungsmaßnahmen sind daher besonders wichtig, um die vielen Automechaniker bei neuen Technologien mitzunehmen.
Auch deutsche Unternehmen sind an den Märkten für E-Mobilität auf dem afrikanischen Kontinent interessiert. So lässt Volkswagen in Ruanda im Rahmen eines Pilotprojekts 50 Elektrogolfs in Kigali fahren. Die Infrastruktur wird in Kooperation mit Siemens bereitgestellt. In Südafrika arbeitet Volkswagen an einem Elektro-Traktor-Projekt für die Landwirtschaft. Auch auf Ghanas Straßen dürften künftig mehr Elektroautos und Elektro-Motorräder fahren. Das Energieministerium hat eine "Drive Electric Initiative" ins Leben gerufen. Ziel der Kampagne durch die langsame Einführung von E-Fahrzeugen ist die Senkung der Treibhausgasemissionen und die Verringerung der Umweltverschmutzung. Die Ladeinfrastruktur in Ghana steht jedoch ganz am Anfang. Noch handelt es sich vielfach um Ideen und kleine Projekte – doch die "Leuchttürme" stoßen weitere Innovationen an.
Afrikas Markt für Neufahrzeuge wächst rasant
Die Anzahl der verkauften Neuwagen bewegte sich in Afrika im vergangenen Jahrzehnt zwischen 0,9 Millionen und 1,3 Millionen Autos. Auf bis zu fünf Millionen Neuwagen pro Jahr schätzen Branchenexperten mittelfristig das Potenzial des Kontinents.
Die African Continental Free Trade Association (AfCFTA) und die Entstehung des weltgrößten Binnenmarktes mit einem Markt von 1,2 Milliarden Menschen befeuert die Erwartungen der Branche. Thomas Schäfer, bis Mitte 2020 Geschäftsführer der Volkswagen Gruppe in Südafrika und für Subsahara-Afrika, erwartet eine stärkere Kooperation. Im Rahmen des "Pan-African Auto Pact" gehe es darum, Lieferketten zu etablieren, Komponenten auszutauschen und die industrielle Zusammenarbeit zu vertiefen.
Produktionsstandorte mit eigener Zulieferindustrie
Eine echte Fahrzeugherstellung für den Weltmarkt gibt es auf dem Kontinent bisher nur in Südafrika und in Marokko. Der südafrikanische Automobilsektor exportierte laut Automotive Business Council NAAMSA 2020 Waren im Wert von rund 9,4 Milliarden Euro. Marokkos Produzenten erreichten im selben Jahr nach Angaben des Office de Change Maroc ein Exportvolumen von etwa 8 Milliarden US-Dollar.
Die Automobilbranche macht 5 Prozent des südafrikanischen Bruttoinlandsprodukts aus.
Während in Marokko mit Renault und Peugeot zwei französische Hersteller präsent sind, produzieren in Südafrika vor allem deutsche und japanische Unternehmen, darunter BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen. Dort haben sich auch zahlreiche Zulieferunternehmen etabliert, die vor allem die Werke in erheblichem Umfang mit benötigten Teilen und Komponenten vor Ort beliefern. Die Eröffnung von Montagewerken in Ruanda und Ghana durch Volkswagen setzte zuletzt Zeichen. Auch in anderen Ländern werden Fahrzeuge montiert, etwa in Kenia und Nigeria.
Bisher bezieht die deutsche Automobilindustrie unter anderem Kabelsätze aus Marokko und Tunesien, Abgaskatalysatoren aus Südafrika sowie Fahrwerksteile. Mit wachsender Produktpalette, größeren Stückzahlen sowie der lokalen Verarbeitung von Rohstoffen könnten die Länder als Beschaffungsquellen auch international interessanter werden.
September 2021 | Autor: Martin Kalhöfer
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