Für inländische und ausländische Unternehmen, die auf dem südafrikanischen Markt aktiv werden wollen, gelten die Kriterien des BBBEE-Systems (Broad-Based Black Economic Empowerment). Das Programm soll die Chancengleichheit der während des Apartheidregimes benachteiligten Bürger Südafrikas gewährleisten und deren Beschäftigung fördern. Was verbirgt sich hinter dem System und was bedeutet es für deutsche Unternehmen, die in Südafrika investieren wollen?
Einblicke hierzu gibt Vishnu Moodley, Managing Director South Africa des Automobilzulieferers Bleistahl. Die Bleistahl-Gruppe ist eine Werkstofffabrik, die sich auf die magischen Möglichkeiten der Pulvermetallurgie zur Kombination von Materialeigenschaften spezialisiert hat. Beginnend in den 1950er Jahren mit Ventilsitzringen für den VW Käfer hat sich die Bleistahl-Gruppe zu einem international agierendem Tier 1 Entwicklungspartner der Automobilindustrie entwickelt. Diese Expertise nutzt sie nun zur Erschließung neuer innovativer Geschäftsfelder und Technologien. Seit 2003 hat sie eine Produktionsstätte in Südafrika mit rund 80 Beschäftigten. BBBEE ist auch für sie immer wieder ein Thema.
Herr Moodley, was versteht man unter BBBEE?
Das Broad-Based Black Economic Empowerment Program (kurz “B-BBBEE” oder “BBBEE”) ist ein System, bei dem Unternehmen durch die Erfüllung bestimmter Kriterien Punkte sammeln. Nur diejenigen, die genügend Punkte haben, können Geschäfte mit dem Staat vornehmen und Steuererleichterungen bei den Ausfuhrzöllen erhalten. Je nach Branche und Unternehmen sind die BBBEE-Anforderungen und -Regelungen aber unterschiedlich. Für die Automobilbranche zum Beispiel bietet eine ausreichende Punktezahl zusätzliche Investitionsanreize.
Komplexes System soll Chancengleichheit verbessern
Wie bekommt man BBBEE-Punkte?
Punkte werden zum Beispiel vergeben, wenn ehemals benachteiligte Bürger Südafrikas Eigentumsanteile an dem Unternehmen haben oder Führungspositionen bekleiden. Dazu gehören neben Coloured People aus Südafrika auch andere Nicht-Weiße Bürger Südafrikas. Auch die Förderung von sozialen Einrichtungen und Ausbildungsprogrammen bringt Punkte. Je mehr Punkte das Unternehmen hat, desto besser. Das System ist sehr komplex und stetig im Wandel. Deshalb haben große Unternehmen eigene BBBEE-Abteilungen und zudem externe Berater.
Braucht jedes Unternehmen einen BBBEE-Berater?
Das empfehle ich dringend. Vor allem, um die maximale Punktzahl erreichen zu können.
Man kann auch für die Punkte zahlen. Erklären Sie doch mal, warum.
Eine Umstrukturierung der Führungsriege oder Änderung der Eigentumsverhältnisse ist nicht immer möglich oder sinnvoll. Alternativ können Unternehmen Punkte sammeln, indem sie soziale Einrichtungen und Ausbildungsstätten unterstützen. Das kostet Geld – eine soziale Förderung mit 1 Prozent des Nettogewinns nach Steuern des Vorjahres bringt 5 Punkte. Zur Einordnung: Investitionshilfen bekommt man ab 65 Punkten.
Insbesondere beim Einkaufen der Punkte sollte man sich daher beraten lassen: Der Stichtag für die Unterstützungszahlungen ist der 31. Dezember oder der 31. März, je nachdem, wann das Geschäftsjahr der Organisation endet. Hat man den Nettogewinn des Jahres falsch geschätzt, bekommt man statt der angestrebten Punktezahl schnell mal einen Punkt weniger – und riskiert damit die gewünschten Vorteile. Daher zahlen Unternehmen oft lieber etwas mehr als die errechneten 1 Prozent des Nettogewinns für 5 Punkte.
Wann sich Punkte sammeln lohnt
Sie nehmen aktuell nicht am BBBEE-Programm teil. Müssen nicht alle mitmachen?
Nein, nur staatliche Unternehmen und solche, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen. Kleinstunternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 53.000 Euro sind automatisch Teil des Programms, bekommen 65 Punkte und erfüllen damit vollständig die Anforderungen von BBBEE. Das gilt auch für ausländische Unternehmen.
Was spricht für die Teilnahme am Programm?
Ob eine Teilnahme am BBBEE notwendig oder sinnvoll ist, hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere auch von den Abnehmern eines Unternehmens. Wer zum Beispiel mit den Automobilherstellern in Südafrika (Original Equipment Manufacturers, OEMs) zusammenarbeiten möchte, sollte selbst möglichst viele Punkte haben. OEMs erhalten hierdurch nämlich selbst Punkte, die sie für Geschäfte mit dem Staat benötigen. Auch können sie so Anreize zu Investitionen erhalten. Oftmals ist die Teilnahme eines Automobilzulieferers am BBBEE Bedingung für die Zusammenarbeit mit den OEMs.
Außerdem können einige BBBEE-Initiativen die Motivation der Beschäftigten verbessern. Punkte bringen kann zum Beispiel auch ein Bildungsfond für die Kinder der Beschäftigten.
Sie waren Teil des Programms, sind aber ausgestiegen. Warum?
Im Moment kommt eine Teilnahme für uns nicht in Betracht. Wir sind schon einige Zeit lang in Südafrika tätig und die meisten unserer Investitionen haben wir daher bereits abgeschlossen. Zudem gehen wir bei Investitionen so vor, dass wir zuerst eine grundsätzliche Entscheidung über die umzusetzende Investition treffen und erst dann mögliche finanzielle Förderung eruieren. Somit folgt die Förderung der Investition und nicht anders herum. Des Weiteren exportieren wir fast ausschließlich und haben nur einen südafrikanischen Abnehmer – das macht 1 Prozent unseres Umsatzes aus.
Fahrplan für den Anpassungsprozess
Für Unternehmen, die neu nach Südafrika kommen, lohnt es sich aber an BBBEE teilzunehmen?
Automobilzulieferer mit mindestens 65 Punkten können über das sogenannte "Automotive Production and Development Programme (APDP)" nach Ablauf von drei Jahren 25 bis 35 Prozent ihrer Gesamtinvestitionssumme vom Staat zurückerstattet bekommen. Zudem können sie Steuererleichterungen erhalten in dem sie im Rahmen des "Automotive Incentive System“ und der "Production Incentive (PI)“ von Ausfuhrabgaben befreit werden. Eine hohe Punktzahl lohnt sich also für viele Unternehmen auch dann, wenn sie selbst nicht an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen oder mit OEMs zusammenarbeiten.
BBBEE stellt auch in der Praxis keine Hürde dar?
Mit einem Berater an der Seite ist das System gut handhabbar. Oftmals verlangen OEMs zwar die Teilnahme ihrer Zulieferer am Programm. Meist muss jedoch nicht sofort eine bestimmte Punktezahl erreicht werden. Legt das Unternehmen eine Art Fahrplan vor, reicht das für den Anfang meist aus. In dem Fahrplan wird dargelegt, durch welche Maßnahmen die geforderte Punktezahl zukünftig erreicht werden soll. Im Regelfall genügt es, wenn die Anforderungen innerhalb von drei Jahren erfüllt werden können.
Auch die jährlichen Prüfungen stören den Arbeitsalltag nicht wesentlich. Die Auditoren überprüfen zwar regelmäßig stichprobenartig die Erfüllung der angegebenen Voraussetzungen des BBBEE-Programms und führen hierzu Gespräche – der gesamte Prozess ist in der Regel aber innerhalb von rund drei Stunden abgeschlossen.
Und in der Zukunft?
Kritische Stimmen plädieren regelmäßig dafür, Maßnahmen wie das BBBEE-System abzuschaffen oder zumindest die Anforderungen zu lockern. Fakt ist, dass die Anforderungen an die Unternehmen in der Vergangenheit stetig erhöht wurden. Bei der konkreten Ausgestaltung hat die Wirtschaft jedoch ein starkes Mitspracherecht. Die häufigen Anpassungen beeinträchtigen Unternehmen also nicht zwingend. Das zeigt sich auch daran, dass ausländische OEMs, jedenfalls Pressemitteilungen zu Folge, ihre Investitionen trotz Verschärfung der Regelungen stetig erhöhen. Probleme haben vor allem mittelständische Unternehmen. Die großen OEMs haben das Erfordernis der Eigentumsbeteiligung abgewendet. Stattdessen haben sie 2019 einen Fonds ins Leben gerufen, den "Automotive Industry Transformation Fund (AITF)". Die Mittel aus dem AITF fließen vor allem in die Gründung und Förderung von Kfz-Zulieferern, die im Besitz von Coloured People Südafrikas sind.
Das Interview führte Clara Schneeweiß von Germany Trade & Invest im November 2022.
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