Pumpstation am Sebou-Bouregreg Water Highway, Marokko
Das deutsche Traditionsunternehmen Wilo ist auf dem marokkanischen Markt für Wassertechnik sehr erfolgreich aktiv. Der Absatz von Pumpen und Pumpensystemen für Wasserwirtschaft, Industrie und als Haustechnik ist in den letzten Jahren gestiegen. Nun will Wilo ein Montagewerk in Marokko bauen und damit nach Kenia einen zweiten Produktionsstandort auf dem afrikanischen Kontinent etablieren.
Adil Touyeb ist als Geschäftsführer von Wilo North Africa für die Zielregion Maghreb verantwortlich. Im Interview erläutert er die neuesten Entwicklungen auf den nordafrikanischen Märkten für Wassertechnik.
Marokko bietet viele Standortvorteile
Herr Touyeb, warum haben Sie sich entschieden, ein Montagewerk in Marokko zu errichten?
Marokko ist gemessen am Bruttoinlandsprodukt die fünftgrößte Volkswirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent und deshalb ein wichtiger Wirtschaftsstandort. Laut dem 2022 Investment Monitor's Inward FDI Performance Index belegt das Land sogar den ersten Platz in Afrika, was den Zustrom an ausländischen Direktinvestitionen (FDI) angeht. Eine Stärke im industriellen Wettbewerb ist Marokkos strategisch günstige geografische Lage als Brücke zwischen Europa und Afrika.
Welche weiteren Vorteile bietet der Standort für Sie?
Marokko hat stabile politische Rahmenbedingungen, eine belastbare Infrastruktur und eine gut ausgebildete junge Bevölkerung. Diese Standortvorteile machen es Unternehmen leicht, sich hier anzusiedeln, um lokale, afrikanische und globale Märkte zu bedienen. Dies hat sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte deutlich gezeigt – etwa in den Sektoren Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt, Energiewirtschaft und erneuerbare Energien.
Deshalb haben wir bei Wilo entschieden, die seit Jahren bestehende Niederlassung in Casablanca um eine Endmontage zu erweitern. Diese Investition stärkt nicht nur unsere regionale Präsenz, sondern unterstreicht auch unser Engagement in Marokko, in Afrika und im globalen Süden insgesamt.
Diversifizierung bei der Beschaffung
Nach welchen Prinzipien wird das neue Montagewerk arbeiten?
Das Montagewerk wird nach der bestmöglichen Wettbewerbsfähigkeit im Interesse unserer Kunden ausgerichtet. Kurze Distanzen, Flexibilität und Produktverfügbarkeit sind dafür entscheidende Kriterien und am Ende auch der Mehrwert, den die neue Produktionsstätte erzeugt.
Wie werden Sie die Beschaffung organisieren?
Was die Beschaffung angeht, ziehen wir eine Kombination aus importierten Komponenten und lokaler Beschaffung in Betracht, ganz im Sinne unserer „Region-für-Region“-Strategie.
Klimawandel erhöht Bedarf in der Wasserversorgung
Marokko arbeitet mit Hochdruck an Projekten zur Bekämpfung der Wasserknappheit. Bei welchen Vorhaben ist Wilo beteiligt?
2023 sah sich Marokko aufgrund der größten Dürre seit 40 Jahren mit gewaltigen Problemen konfrontiert. Wir sind stolz, einen Beitrag zum Gelingen eines der wichtigsten Wasserwirtschaftsprojekte geleistet zu haben, dem Ausbau des "Sebou-Bouregreg Water Highway". Das Projekt ist integraler Bestandteil des nationalen marokkanischen Wasserplans für die Zeit zwischen 2020 und 2050. Über den Water Highway wird Wasser über eine Distanz von 67 km geleitet, was die Trinkwasserversorgung von 12 Millionen Menschen entlang einer Achse von Casablanca bis Rabat sicherstellt. Das Vorhaben wurde in einer Rekordzeit von nur neun Monaten realisiert.
Welche Projekte stehen in Zukunft an?
Auch 2024 werden wir Pumptechnik für zahlreiche Vorhaben liefern, zumal die Niederschlagsmenge um 70 Prozent unterhalb des Vorjahresniveaus liegen wird. Dabei handelt es sich um Projekte zur Meerwasserentsalzung, zum Transport von Trinkwasser, zur Frischwasseraufbereitung und zur Wasserklärung.
Spielen dabei auch digitale Lösungen eine Rolle?
Angesichts der Komplexität in der kommunalen Wasserinfrastruktur spielt die Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und von intelligenten Anwendungen eine entscheidende Rolle. Unsere speziellen Produkte ermöglichen eine bessere Administration der vorhandenen Wasserinfrastrukturen und helfen dabei, Energie einzusparen. In der sich wandelnden Pumpenindustrie nutzen wir die Digitalisierung und die Einführung intelligenter Wassersysteme, um auch künftige Anforderungen an die Erzeugung, Aufbereitung und an den Transport von Trinkwasser sowie an die Abwasserklärung erfüllen zu können.
Konsortien für Paketlösungen in Nordafrika bilden
Aus welchen Sektoren kommen Ihre Kunden?
Wilo North Africa ist in den Hauptsegmenten der Wilo Gruppe tätig, in der Gebäudetechnik, Wasserwirtschaft und Industrie. Unsere Kunden kommen sowohl aus dem öffentlichen als auch aus dem privaten Sektor. Vertreten sind wir zum Beispiel auch in der Landwirtschaft, wo unsere Pumpen zu einer reibungslosen Wasserverteilung beitragen. Sie spielen eine zentrale Rolle für die Gewährleistung einer kontinuierlichen Wasserverfügbarkeit und tragen wesentlich zur Verbesserung der Ernährungssicherheit bei.
Wie funktionieren die Märkte in anderen nordafrikanischen Ländern?
Wilo North Africa ist in Marokko, Algerien, Tunesien und Mauretanien tätig. Diese Länder stehen vor den gleichen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel: Sie leiden unter erheblichen Niederschlagsdefiziten und kritischem Wasserstress. Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen ist Wilo daran beteiligt, die Verfügbarkeit von Wasser für die Bevölkerung auf ganzheitliche Weise sicherzustellen. Unser Engagement erstreckt sich sowohl auf die Wasserverteilungsnetze als auch auf die Abwasseraufbereitungsanlagen.
Könnten Sie sich vorstellen, mit anderen deutschen Unternehmen Konsortien für Paketlösungen zu bilden?
Die Idee, mit deutschen Partnern für Paketlösungen zusammenzuarbeiten, ist stets willkommen. Derzeit arbeiten wir mit deutschen Global Accounts zusammen und sind aktiv bemüht, die Beziehungen zu noch mehr deutschen Unternehmen auszubauen. Ein Beispiel dafür ist die erfolgreiche Realisierung des Sapino Industrieparks in Nouaceur - Marokko. Die Kläranlage wurde von PWT Wasser- und Abwassertechnik GmbH gebaut und die dort installierten Pumpen stammen von uns.
Das Interview führte Ullrich Umann von Germany Trade & Invest im März 2024.
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