Das Import Promotion Desk (IPD) unterstützt Produzenten beim Export nach Europa und erleichtert europäischen Importeuren die Beschaffung von Waren aus ausgewählten Entwicklungs- und Schwellenländern. Darüber hinaus eröffnet das IPD europäischen Reiseveranstaltern neue Destinationen. Es ist zentrale Anlaufstelle für Importfragen zu den Produktgruppen Obst und Gemüse, natürliche Zutaten, nachhaltige Holzprodukte, Schnittblumen sowie für nachhaltigen Tourismus. Das IPD arbeitet mit Produzenten und Reiseveranstaltern in acht afrikanischen und acht weiteren Entwicklungs- und Schwellenländern zusammen.
Im Interview erläutert Dr. Julia Bellinghausen, Leiterin des Import Promotion Desks (IPD), die Herausforderungen, mit denen europäische Einkäufer konfrontiert sind. Sie zeigt auf, wie das IPD ihnen dabei hilft, diese Schwierigkeiten zu minimieren. Zudem spricht sie über die Hürden, mit denen afrikanische Produzenten beim Marktzugang in die EU zu kämpfen haben. Sie erklärt auch, warum Afrika als Sourcing-Markt so interessant ist.
Importeure sparen Kosten durch Vorab-Sourcing des IPD
Frau Dr. Bellinghausen, mit welchen Fragen kann sich ein deutsches Unternehmen an das IPD wenden?
Wenn deutsche Unternehmen nach Produkten oder neuen Handelspartnern suchen, können sie das IPD kontaktieren. Wir bringen die Importeure mit unseren geprüften Produzenten zusammen. Aktuell haben wir mehr als 400 Produzenten im Portfolio.
Wir vernetzen die europäischen Unternehmen mit zuverlässigen Geschäftspartnern auf Fachmessen oder im Rahmen von Einkäuferreisen, die wir organisieren. Dabei reisen wir mit den Importeuren zu den IPD-Produzenten, damit sie sich direkt vor Ort einen Eindruck von der Qualität der Produkte und den Produktionsbedingungen verschaffen können.
Was ist der Mehrwert für deutsche Unternehmen?
Durch unser Vorab-Sourcing sparen die Unternehmen Zeit und Kosten bei der Partnersuche. Sie können mit unserer Hilfe relativ leicht ihre Bezugsquellen diversifizieren. Außerdem reduziert sich für die Importeure das Risiko, da wir ihnen nur Produzenten vermitteln, die wir sorgfältig vor Ort überprüft und für den europäischen Markt vorbereitet haben. Wir begleiten unsere Unternehmen sehr eng, besuchen jedes einzelne zweimal im Jahr, schauen uns alles mit den Augen eines Einkäufers an, leiten Verbesserungsvorschläge an und kontrollieren regelmäßig die Fortschritte.
Marktkenntnis: Ein Schlüsselfaktor für Produzenten und Importeure
Welches ist das häufigste Problem deutscher Unternehmen beim Sourcing?
Viele Beschaffungsmärkte sind den Einkäufern unbekannt und es fehlen oft Kontakte zu verlässlichen Produzenten. Das haben wir kürzlich wieder bei einer von uns organisierten Reise gesehen. Dieses Mal waren wir mit Importeuren von Schnittblumen in Kenia.
Die Einkäufer waren zunächst eher skeptisch – hinsichtlich der Qualität des Angebots und der Arbeitsbedingungen vor Ort. Sie haben mit der Professionalität der kleinen und mittleren Unternehmen nicht gerechnet und ihre Erwartungen wurden weit übertroffen.
Durch die Reise konnten wir den Einkäufern ein neues Bild von Kenia vermitteln und sie haben es als neues Sourcingland kennengelernt. Damit haben wir eine gute Basis für zukünftige Geschäftsbeziehungen geschaffen.
Warum ist es so wichtig, die Produktionsländer zu kennen?
Wenn man gar keine Vorstellung von einem Land hat, schreckt das ab. Viele kaufen dann lieber beim Großhändler statt direkt beim Produzenten. Je weniger Wertschöpfungsschritte es aber gibt, desto mehr Geld bleibt beim Produzenten, was gut für die Entwicklung in diesen Ländern ist. Und auch für den Importeur ist das lukrativ, weil er den Produzenten weniger zahlt als den Großhändlern. Dadurch kann er sogar zu günstigeren Preisen anbieten – und hat dennoch eine höhere Marge als wenn er beim Großhändler kauft.
Mit welchen Problemen kommen die ausländischen Unternehmen am häufigsten zu Ihnen?
Die Produzenten stellen uns oft die Frage: Wie kommen wir an die Importeure? Für sie ist es schwierig, das Vertrauen der Einkäufer zu gewinnen. Genau dabei unterstützen wir sie. Unsere Exporteure bleiben drei bis vier Jahre in unserem Programm und werden in dieser Zeit auf den europäischen Markt vorbereitet. Wir vermitteln in Schulungen und Workshops wichtiges Marktwissen, das heißt wir informieren über Regulierungen, Einfuhrbedingungen, Qualitätsstandards und Zertifizierungen. Dann vernetzen wir diese exportfähigen Unternehmen mit interessierten Einkäufern auf Fachmessen oder auf den angesprochenen Einkäuferreisen. Wichtig ist zu erwähnen, dass unsere Vermittlung für die Importeure kostenfrei ist.
Welches Marktwissen fehlt den Produzenten?
Vielen Herstellern ist beispielsweise nicht bewusst, dass fertig verpackte Endprodukte in Europa oft schwer zu verkaufen sind. Der Markt ist meist schon gesättigt und die Marktmacht des Handels ist sehr stark. Deutsche Safthersteller etwa haben ihre Anlagen oft gar nicht ausgelastet. Wenn die Nachfrage steigt, können sie sofort mehr produzieren und suchen möglicherweise mehr Fruchtsaftkonzentrat. Schon verpackten Saft neu auf den europäischen Markt zu bringen, ist fast unmöglich. Allein der Transport wäre wegen des hohen Gewichts und Volumens, wovon ein Großteil Wasser ist, schon viel zu teuer. Für sie macht es mehr Sinn, Vorprodukte wie Fruchtsaftkonzentrat zu exportieren. Hier klären wir die Exporteure auf, denn ausländische Produzenten wissen oft nicht, wie günstig die Endprodukte hier sind.
Auch wissen viele nicht, dass die EU Zölle auf Obst und Gemüse aus Afrika erhebt, wenn diese Produkte gleichzeitig in Europa geerntet werden können. Der Export lohnt sich daher nur, wenn es das jeweilige Produkt gerade nicht in Europa gibt. In unserem Saisonkalender für Produzenten und Händler haben wir aufgelistet, wann welche Produkte in unseren Partnerländern verfügbar sind, wann also diese sogenannten Erntefenster vorhanden sind.
Beschaffung in Afrika - Eine gute Alternative zu Asien und Lateinamerika
Warum sollten deutsche Unternehmen Afrika für das Sourcing in Betracht ziehen?
Es gibt ein spannendes Produktportfolio in Afrika. Einige Produkte gibt es nur dort, zum Beispiel Sheabutter, Baobab-Pulver oder spezielle Öle aus Madagaskar. Und dann gibt es Produkte, die oft nur aus Asien oder Lateinamerika bekannt sind, jedoch auch aus Afrika bezogen werden können. Gewürze beispielsweise können in Ägypten statt in Asien gekauft werden. Kenia ist ein alternativer Markt für frische Kräuter wie Basilikum und Rosmarin, wenn diese im Winter in Europa nicht erhältlich sind. Für Zitrusschalen lohnt sich der Blick nach Ghana und für ätherische Öle ist Kenia interessant. Die Produktvielfalt ist groß in Afrika.
Außerdem bietet Afrika eine Kostenersparnis gegenüber anderen Regionen. Das liegt an den geringeren Lohnkosten und den geringeren Transportkosten aufgrund der Nähe zum europäischen Markt.
Gibt es Besonderheiten in der Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern?
Im Vergleich zu anderen Regionen erhalten die Exporteure in Subsahara-Afrika kaum strukturelle Unterstützung. Exportförderinstitutionen sind dort weniger professionell als beispielsweise in Peru und Brasilien. In Westafrika arbeiten wir daher eng mit Sektorverbänden und staatlichen Exportförderinstitutionen zusammen. Hier ist unser Ziel, dass die Partner ihre Dienstleistungen der Exportförderung für die lokalen Unternehmen weiter ausbauen und langfristig selbständig anbieten können. Dazu unterstützen wir diese Institutionen mit einer Vielzahl von Capacity Building-Methoden.
Wir merken auch, dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in Afrika noch nicht so stark ausgeprägt ist wie in Lateinamerika. Dort ist man etwa beim Thema Corporate Social Responsibility (CSR), also der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung, schon weiter.
In Afrika erschwert auch die Visumsproblematik unsere Arbeit mehr als in anderen Regionen.
Wie äußert sich das?
Äthiopische Produzenten konnten beispielsweise kürzlich nicht an einer Messe in Europa teilnehmen, weil sie kein Visum erhalten haben. Solche Fälle treten immer wieder auf und behindern den Handel zwischen Afrika und Europa. Denn ein Ziel unserer Arbeit ist es, die kleinen und mittleren Unternehmen in den globalen Handel zu integrieren und die Exporte aus den Partnerländern zu erhöhen. So wollen wir dazu beitragen, dass Innovation und Wertschöpfung in den Ländern vorangetrieben und wirtschaftliche Perspektiven vor Ort geschaffen werden. Das ist aber schwierig, wenn die Menschen geschäftlich nicht reisen können.
Transparenz gewünscht: Konsumenten wollen die Herkunft ihrer Produkte kennen
Was bedeutet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für die Produzenten?
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) birgt die Gefahr, dass zwar die großen Produzenten die Anforderungen erfüllen können, die kleinen aber nicht. Doch gerade die kleinen und mittleren Lieferanten in den Partnerländern sollten die Anforderungen des LkSG kennen. Nur so können sie sowohl ihre Produkte als auch ihre Dokumentation, Zertifizierungen und so weiter für den Export nach Europa vorbereiten. Erst dann sind auch sie wettbewerbsfähig, können ihr Exportgeschäft aufbauen und am internationalen Handel teilnehmen. Wir schulen daher die Unternehmen in unserem Programm sehr intensiv zum Thema CSR. Das umfasst Themen wie Menschenrechte und Arbeitspraktiken, Umgang mit der Umwelt und Unternehmensverantwortung entlang der Lieferkette. Dank unserer Workshops, E-Learnings und individuellen Coachings kennen unsere Unternehmen die Vorgaben, die Importeure zu erfüllen haben, und sind darauf vorbereitet.
Wie werden sich die Märkte entwickeln und welche Trends zeichnen sich ab?
Nachhaltigkeit wird wichtiger, außerdem die Rückverfolgbarkeit. Die Nähe der Kunden zu den Herstellern wird größer werden: Die Konsumenten wollen wissen, woher die Produkte kommen.
Was Afrika angeht, ist Kenia ein super spannender Beschaffungsmarkt. Wir prüfen derzeit, ob wir Südafrika, Tansania und weitere Länder in Ostafrika in unser Portfolio aufnehmen.
Das Interview führte Laura Sundermann von Germany Trade & Invest im Juni 2023.
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