Booth on the beach with clothes

Madagaskar als Bezugsland für hochwertige Hemden und Pullover? Hört sich exotisch an, funktioniert aber. Die Modefirma Fynch-Hatton aus Mönchengladbach kauft dort ein. Einkaufsmanager Frank Hormesch schildert im Interview, wie er die Arbeitsbedingungen in den madegassischen Fabriken und andere Vorgaben zur Lieferkette überwacht. 

Zölle, Geopolitik und Qualität entscheiden 

Herr Hormesch, wie sind Sie denn auf Madagaskar als Lieferland gekommen?

Frank Hormesch, Head of Sourcing Management von Fynch-Hatton Frank Hormesch, Fynch-Hatton Frank Hormesch, Head of Sourcing Management von Fynch-Hatton

Für Bekleidung von dort erhebt die EU keine Einfuhrzölle. Bei China fallen 12 Prozent an, bei Indien 9,6 Prozent. Das ist in unserem Geschäft ein wichtiger Posten, gerade bei einem teuren Produkt wie einem Kaschmirpullover. Außerdem wollen wir das Risiko streuen. Unsere Hauptlieferanten sitzen in Asien, sodass der Standort geopolitisch eine sinnvolle Ergänzung ist. Entscheidend ist jedoch immer, dass unsere Lieferanten ein hohes Qualitätsniveau garantieren können.

Sind die Eigentümer der Betriebe aus Madagaskar? 

Nein, die zwei Betriebe gehören einem niederländischen Investor, mit dem wir jetzt seit fünf Jahren zusammenarbeiten. Auf ihn kamen wir durch Empfehlungen und unsere brancheninternen Kontakte. Er fertigt für uns recht hochwertige Ware vor allem aus Wolle und Kaschmir

Wie ist dieser Lieferant aufgestellt?

Er importiert Garn und verarbeitet es bis zum fertigen Bekleidungsstück, mit Strickmaschinen unter anderem der Reutlinger Firma Stoll. Er kann auch dann liefern, wenn z.B. im muslimischen Bangladesch gerade Feiertag ist. Auch die Kommunikation ist einfach, weil es kaum eine Zeitverschiebung gibt. Mit rund 1.300 Beschäftigten in jedem seiner beiden Betriebe ist er deutlich kleiner als manche Lieferanten aus Asien. Damit kann er flexibel auf unsere Wünsche eingehen. Der Nachteil dieser begrenzten Kapazitäten ist, dass diese auch schnell ausgebucht sein können und wir so entsprechend langfristig vorplanen müssen.

Woher bezieht er seine Vorprodukte?

Komplett aus dem Ausland, vom Garn über die Knöpfe bis hin zu den Verpackungen. Nur einige Kartons kommen inzwischen aus Madagaskar selbst. Diese Lieferkette kann auch Produktionszeiten für uns verlängern. Das ist ein Nachteil, auch wenn wir kein Fast Fashion machen. Zur Verkürzung der Lieferwege bezieht unser Partner einen Teil seines Garns inzwischen aus dem benachbarten Mauritius oder auch aus Indien. Der größte Teil davon kommt indes immer noch aus China.

Netzwerk hilft beim Lieferantenmanagement 

Das Lieferkettengesetz ist einfach einzuhalten für Sie, bei einem einzigen Partner? 

Ja, da auch das Sub-Contracting kaum eine Rolle spielt. Wir fallen zwar gar nicht unter das Lieferkettengesetz, als relativ kleines Unternehmen mit rund 100 Beschäftigten, wir halten die Bestimmungen aber natürlich ein. Schon deshalb, weil unsere Abnehmer in Deutschland bei dem Thema extrem sensibel sind. Deren Anforderungen bestätigen wir regelmäßig in Erklärungen zur Selbstverpflichtung.

Wie überprüfen Sie die Einhaltung der Vorschriften?

Wir sind Mitglied des belgischen Vereins Amfori und unsere Produzenten erfüllen dessen Norm BSCI. Dieser Standard fokussiert auf die ökologischen und sozialen Produktionsbedingungen und gilt bei der Arbeitssicherheit in Europa als Standard. Daneben erfüllen wir auch die Anforderungen einer Reihe von Siegeln zu den Stoffen, für Baumwollprodukte zum Beispiel den CmiA-Standard (Cotton made in Africa).

Und wie läuft das konkret?

Amfori schickt einmal jährlich seine Auditoren in die Lieferantenbetriebe. Die befragen auch Arbeiter, im geschützten Raum. Zusätzlich schauen wir uns selbst ein- bis zweimal jährlich in den Fabriken um. Mit unserem Zulieferer in Madagaskar hatten wir da noch nie Probleme.

Reden Sie auch mit den Arbeiterinnen selbst?

Nein, das geht schon sprachlich nicht. Und natürlich sind unsere Besuche angekündigt. Aber wir sind immer mehrere Tage vor Ort, und man entwickelt einen Blick für etwaige Probleme. Zudem schicken auch die anderen Abnehmer ihre Leute. Für den Hersteller wäre es sehr schwer, lediglich eine Fassade aufzubauen.

Überprüfen Sie auch den Umweltschutz?

Ja. So ist für uns beispielsweise eine funktionierende Kläranlage Grundvoraussetzung für eine Zusammenarbeit. Unser Lieferant reinigt und recycelt das Wasser aus seiner Garnfärberei, Wäscherei und anderen Prozessen.

Unterstützen Sie Ihren Partner auch in solchen Fragen?

Durchaus, wir tragen gerne die vielfältigen Erfahrungen weiter, die andere Lieferanten etwa in Asien gemacht haben. So installierte unser Partner in Madagaskar auf unseren Vorschlag hin ein internes Prüflabor.

Asiaten prägen Textilbranche in Madagaskar  

Sie reden also normalerweise mit dem Management. Was sind das für Leute?

Im Top-Level sind das zumeist Chinesen, auf den Ebenen darunter arbeiten auch Inder oder Bangladescher. Die Chinesen haben im Strickbereich auf globaler Ebene eine unheimliche Kompetenz aufgebaut, das sind absolute Profis. Madegassen trifft man in leitenden Positionen kaum an. Eine Ausbildung etwa zum Textiltechniker gibt es nicht in dem Land, die Betriebe müssen ihre Leute selbst heranziehen.

Dem Land fehlt eine textile Infrastruktur?

Leider. Es gibt zwar Konfektionsbetriebe wie die unseres Partners, die Kleidung aus importierter Ware nähen. Gäbe es mehr davon, kämen auch Hersteller von Knöpfen und anderen Vorprodukten ins Land. Diese "kritische Masse" an Bekleidungsherstellern ist in Madagaskar aber noch nicht erreicht. Es wäre gut, wenn die Regierung deren Ansiedlung stärker unterstützen würde.

Wie funktioniert die Logistik?

Die ist nicht einfach. Normalerweise übernehmen wir den Transport ab Verschiffungshafen und beauftragen dafür Logistiker. Dafür gibt es zum Beispiel in Südostasien eingespielte Netzwerke. Nicht so in Madagaskar. Viele Logistiker bedienen diesen Markt aktuell nicht, sodass die Produktionsbetriebe diese Aufgaben teilweise übernehmen und uns unterstützen.

Sehen Sie weitere Nachteile des Textil-Standorts Madagaskar?

Die Produktivität ist niedriger als in Asien. Auch die Liefertreue und die Einstellung mancher Beschäftigten sind nicht auf asiatischem Niveau:

Aber Ihrem Unternehmen geht es gut?

Wir haben in den letzten beiden Geschäftsjahren Rekorde bei Umsatz und Ertrag verzeichnet. 

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Mai 2024.

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