Arbeiterinnen in einer Textilfabrik

Günstiger Strom, viele Arbeitskräfte und die Haltung der Regierung spielten bei der Standortwahl von Decathlon eine Rolle.

Afrika als Lieferant der Weltmärkte- außer bei Kaffee, Öl oder anderen Rohstoffen ist das bisher eine Rechnung, die nicht so richtig aufgeht. Bei der industriellen Wertschöpfung spielt Subsahara-Afrika jenseits von Südafrika praktisch keine Rolle. Ob sich dies ändern wird, lässt sich demnächst womöglich am Beispiel Äthiopien studieren.

Derzeit entsteht dort eine beschäftigungsintensive Bekleidungsindustrie für die Exportproduktion, angetrieben von den Einkäufern internationaler Modeketten. Anas Tazi ist einer davon, seit gut vier Jahren ist er für Decathlon im Land tätig. Hier erklärt der Marokkaner, warum der französische Sportartikelhersteller in Äthiopien einkauft und wie er die weitere Entwicklung der Textilindustrie einschätzt.

Herausforderungen und Chancen für Einkäufer von Bekleidung in Äthiopien

Herr Tazi, was kaufen Sie für Decathlon in Äthiopien ein?

Wir beschaffen Sportbekleidung überwiegend aus Synthetikmaterial. Unsere Lieferanten wiederum importieren dafür fertige Stoffe und konfektionieren sie hier zur Bekleidung.

Hat Decathlon auch die Beschaffung aus anderen Ländern in der Region erwogen?

Wir untersuchten unter anderem auch Kenia, fokussieren uns jetzt aber auf Äthiopien. Den Ausschlag gaben die Verfügbarkeit von billigem Strom, die reichlich vorhandenen Arbeitskräfte und die positive und unterstützende Haltung der Regierung. Die Verfügbarkeit von Baumwolle war kein maßgeblicher Punkt.

Ist Äthiopien für Decathlon ein wichtiger Lieferant?

Nein, das sind noch recht kleine Umsätze hier. Derzeit beschafft Decathlon in mehr als 20 Ländern. Wir wollen aber lange in Äthiopien bleiben. Für uns ist das eine strategische Entscheidung und wir unterstützen damit auch die industrielle Dynamik des Landes.

Von welchen Lieferanten beziehen Sie ihre Ware?

Decathlon hat keine eigenen Fabriken, sondern schließt enge Partnerschaften mit Firmen, die uns beliefern. In Äthiopien sind dies im Moment ein äthiopischer Hersteller und drei ausländische Investoren.

Welche Erfahrungen machen Sie mit den Lieferanten?

Mit den ausländischen Firmen tun wir uns bisher allgemein leichter in der Zusammenarbeit. Die sind diese Art der Arbeitsteilung gewohnt, die Abläufe sind wegen der internationalen Erfahrung besser eingespielt. Ich denke, in etwa fünf Jahren werden auch äthiopische Lieferanten soweit sein.

Warum kauft Decathlon in Äthiopien ein?

Einmal, weil unser Unternehmen weltweit mehr verkauft und damit auch mehr einkaufen muss. Decathlon expandiert in immer neue Absatzmärkte, bei Sportbekleidung sind wir einer der Weltmarktführer. Wichtig ist dabei China: Lange war das ja hauptsächlich ein Land für die Produktion. Inzwischen ist die Nachfrage dort aber so groß, dass China sich vor allem selbst beliefert – und andere Märkte entsprechend weniger versorgt.Viel beisteuern kann Äthiopien bei diesem weltweiten Sourcing bisher aber nicht. Mit unserer Beschaffung hier wollen wir vor allem dazu beitragen, insgesamt aus mehr Quellen und verstärkt regional einzukaufen. Unsere neuen Absatzmärkte liegen auch in Afrika, für die sich eine Belieferung aus dem relativ nahen Äthiopien anbietet. Mit dieser Regionalisierung der Beschaffung können wir zudem besser "customizend sourcen", also auf marktspezifische Absatztrends reagieren. Und wir verkleinern unseren ökologischen Fußabdruck.

Gibt es weitere Gründe?

Die Ware ist schneller in Europa, da macht sich der kürzere Seeweg bemerkbar. Luftfracht ist für uns keine Alternative. Deren Anteil bewegt sich im Promillebereich, seit Decathlon vor drei Jahren für Bekleidung den Transport per Flugzeug gebannt hat.

Die niedrigen Arbeitskosten spielen keine Rolle?

Arbeit ist kein Hauptbestandteil der Kosten. Nur deswegen hierher zu kommen, ergibt keinen Sinn. Der Großteil der Kosten entfällt auf die importierten Vorprodukte und die haben mit den Löhnen hier nichts zu tun.

Wird Äthiopien einmal mehr beisteuern als nur die Arbeit?

Dafür müssten Unternehmen hier auch die Stoffe herstellen. Und das ist ein Muss, für das Funktionieren des Modells gibt es hierzu keine Option. Stoffe in Exportqualität schafft Äthiopien bisher weder von der Menge noch von der Qualität her. Dabei brauchen die vielen neuen Exportbekleidungsfabriken gute Stoffe der vorgelagerten Textilindustrie. Die Nachfrage nach Stoffen ist umgekehrt groß und wird durch neue Fabriken weiter steigen.

Wird die Textilindustrie in Äthiopien dafür investieren?

Ja, ich glaube, dass dies schon bald der Fall sein wird, so ab 2020. Die Textilhersteller werden zunächst in das Ausrüsten von Stoffen investieren, also etwa das Färben und Bedrucken, benötigt werden auch Maschinen zum Waschen, Trocknen und so weiter. Diese Investitionswelle könnte bis 2023 dauern.

Wird die Industrie hier auch einmal – für internationale Qualität – die davor gelegenen Stufen in der Produktion abdecken?

Ich denke, sie werden hier auch vermehrt stricken, möglicherweise auch weben. Beim Garnspinnen bin ich mir nicht so sicher, das ist sehr kapitalintensiv. Vor allem muss dazu der Baumwollplan der Regierung aufgehen, der auch auf eine bessere Qualität der einheimischen Erzeugung abzielt.

Zeigen ausländische Investoren schon jetzt Interesse an solchen Investitionen in die Textilindustrie?

Ja, Unternehmen etwa aus Bangladesch, Indien, Sri Lanka, China oder Taiwan, die hier heute schon Bekleidung fertigen. Die haben schon Machbarkeitsstudien für Projekte in der Schublade – wenn die Bekleidungsfabriken gut laufen, werden sie die Vorhaben umsetzen.

Weitere Informationen

Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im März 2019. 

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