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Adrian Letzner, CEO von LETZTEST, auf einer Geschäftsanbahnungsreise in Uganda mit UNIDO ITPO

Equipment und Trainings für das Testen von Trinkwasserqualität in abgelegenen Regionen – hier setzt das Geschäftsmodell von Letztest an. Das Kölner Unternehmen mit drei Mitarbeitern entwickelt seit 2018 Geräte und Testkits zur Wasseruntersuchung, die unabhängig vom Stromnetz und ohne komplizierte Laborausrüstung funktionieren.

In dieser Nische vertreibt Letztest seine Produkte bereits in über 13 afrikanischen Ländern. Im Interview gibt Marketing- und Account-Managerin Laura Menke Einblicke in die Produktanpassung und verrät, wie ihre Aufträge zustande kommen.

Materialien müssen robust und einfach sein

Frau Menke, welche Rolle spielt Afrika für Ihr Geschäft?

Laura Menke, Marketing- und Account-Managerin LETZTEST Laura Menke Dies ist ein eingebettetes Bild

Der afrikanische Kontinent ist für über 90 Prozent unseres Umsatzes verantwortlich. Neben der MENA-Region ist Subsahara-Afrika unser Hauptzielmarkt. Hier passiert sehr viel, etwa in Ländern wie Sudan, Kenia, Nigeria oder der DR Kongo. Unsere Kunden bestellen entweder direkt aus dem Zielland, oder unsere Produkte werden von Organisationen und Institutionen in Europa gekauft und dann vor Ort eingesetzt.


Was sind Ihre Hauptprodukte?

Ein Testkit-Koffer, um Trinkwasser auf E-Coli-Bakterien zu testen, und ein stromloser Inkubator. Dieses Set ergibt ein tragbares Minilabor, mit dem sich die Wasserqualität überall auf der Welt testen lässt – unabhängig von der Stromversorgung.

Was ist das Besondere dabei?

Unser stromloser Inkubator ist einzigartig und vom Patentamt geschützt. Und ganz wichtig: Wir verwenden nur robuste Sachen. Alles, was sich im Koffer befindet, von der Filtrationseinheit bis zur Handpumpe, muss so stabil wie möglich sein. Der Behälter für die Wasserprobe und die Hauptkomponenten für den Test sind aus rostfreiem pharmazeutischem Edelstahl. All das produziert für uns ein alteingesessenes Unternehmen ganz in der Nähe im Bergischen Land.

Ist das nicht schwierig für Kunden in Afrika, wenn solche Teile vor Ort ersetzt werden müssen?

Unsere hochwertigen Produkte halten wesentlich länger und lassen sich auch einfacher sterilisieren. Damit sind sie in der Praxis viel leichter zu händeln als günstigere Hartplastikteile. Bei den einfachen Verbrauchsmaterialien machen wir unsere Kunden nicht von uns abhängig, da sie diese nicht nur über uns, sondern vielfach auch günstig lokal beschaffen können.

Wofür ist der Inkubator nötig?

Sobald die Wasserprobe entnommen ist, muss man den Membranfilter inkubieren: Das funktioniert nur, wenn die Membran über einen Zeitraum von 24 Stunden konstant bei 37 Grad Celsius gelagert ist. Das regelt unser Inkubator, der durch einen chemischen Prozess genau diese Umgebungstemperatur erzeugt – ganz ohne Strom. Dieser Prozess lässt sich über Sonneneinstrahlung aktivieren, die in vielen unserer Zielländer sehr hoch ist. Als Alternative enthält unser Koffer eine USB-Heizdecke oder eine wasserdichte Tasche, die mit 80 Grad heißem Wasser aufgefüllt werden kann, um den Inkubator auch ohne Sonnenlicht betreiben zu können.

Produzieren Sie diese Komponenten selbst?

Nein, wir designen und planen die Einzelkomponenten. Das pharmazeutische Schweißen und die Herstellung weiterer hochwertiger Komponenten wie die Inkubatortaschen und Heizplatten muss von Fachexperten durchgeführt werden. Wir produzieren hier in Köln lediglich die Teststreifen für unsere einfachen Household-Kits. Aber dank unseres guten Netzwerks von Partnerunternehmen, die uns von Deutschland aus Bestandteile zuliefern, können wir schnell auf neue Bedarfe reagieren. Wir haben da gute und zuverlässige Partner, auf die wir uns verlassen können.

Lokale Rückmeldungen sind entscheidend für Produktanpassung

Woher wissen Sie, was vor Ort gebraucht wird?

Grundsätzlich setzen wir auf einfache, aber robuste Produkte. Einfachheit funktioniert überall. Simple Funktionalität und hohe Nutzerfreundlichkeit sind für uns zentral. Da wollen wir uns immer weiterentwickeln und holen uns fortlaufend Rückmeldungen von unseren Nutzern, was wir noch besser machen können.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Das Labor für die Analyse und Kontrolle der Wasserqualität des Nationalen Büros für Trinkwasser der Cote d`Ivoire (LACQUE ONEP) hat unsere Koffer getestet. Dabei hat sich gezeigt, dass unsere einzelnen Komponenten gut sind. Was aber fehlte, war eine stabile Unterlage, um im staubigen, unwegsamen Gelände saubere Wassertestungen durchführen zu können. Im Feld oder auf einem Pick-up kann das schwierig sein. Also haben wir auf diese Rückmeldung hin einen ausklappbaren Stahltisch in den Koffer integriert, den man überall hinstellen und mit Ethanol leicht sterilisieren kann.

Also sind es eher praktische Komponenten, die Sie verbessern?

Unser Anliegen ist es auch, den Menschen die Angst vor dem Wasserthema zu nehmen. Viele fühlen sich mit Wassertesten überfordert und trauen sich gar nicht, ihre Fragen zu stellen. Ich vergleiche das gerne mit dem Thema Finanzberatung bei uns: Das Thema erscheint den meisten ähnlich kompliziert. Aber wir vereinfachen und bauen Hürden ab.

Wie machen Sie das konkret?

Alle unsere Produkte haben wir mit einem QR-Code versehen. Mittels dieses Codes gelangen die Nutzer zu Erklär- und Trainingsvideos sowie zu einem WhatsApp-Kanal. Darüber können sie direkt mit uns chatten. So ist die Hemmschwelle viel niedriger. Und die Kommunikation geht vom Feld direkt zu uns, ohne Umwege über Standortbüros oder Projektmitarbeiter. So haben wir den Vorteil, ganz schnell zu wissen, wo es hakt. Auf dieser Basis können wir unsere Produkte wiederum anpassen.

Keine Umwege bei der Kommunikation

Suchen Sie immer den direkten Kontakt?

Ja, zumindest stechen wir damit im After-Sales-Support hervor. Auch für die Geschäftsanbahnung kann das vorteilhaft sein. Kommunikation über verschiedene Zwischenstellen hinweg macht die Sache oft schwieriger und langwieriger als notwendig. Beispielsweise haben wir vor kurzem einen Zoom-Call direkt mit Projektmitarbeitern in der Zentralafrikanischen Republik gemacht. Sie konnten ihren Bedarf genau benennen und wir ohne Umwege wichtige Fragen klären und daraufhin ein passendes Angebot erstellen. Unser Kernprodukt, das tragbare Minilabor, zählte dazu. So haben wir zusammengefunden und alle waren glücklich. Es muss nicht immer über Headquarter und Back Offices gehen.

Woher wissen die Nutzer, wie sie vorgehen müssen?

Zu jedem unserer Produkte gehört eine bebilderte Anleitung. Für den Koffer haben wir ein richtiges Handbuch mit Illustrationen entworfen, das wir auf Englisch, Spanisch und Französisch anbieten. Ganz neu ist Arabisch hinzugekommen, für einen Großauftrag aus dem Sudan.

Wie sind Sie an diesen Auftrag im Sudan gekommen?

Der Kontakt kam auf einer Messe in Dubai zustande. Das sudanesische Gesundheitsministerium hat 71 Sets portabler Labore geordert. Sehr günstig war, dass wir einen arabischsprachigen Mitarbeiter haben, der sofort mit der Übersetzung des Handbuchs beginnen konnte. Überhaupt war Schnelligkeit ein wichtiger Faktor: Dadurch, dass unsere hochwertigen Komponenten alle in Deutschland produziert werden, mussten wir nicht erst auf irgendwelche Teile aus China warten. Wir konnten schneller liefern als andere Anbieter.

Kundenkontakte nicht nur auf Messen, sondern auch über LinkedIn

Wer gehört überhaupt zu Ihren Kunden oder Auftraggebern?

Ingenieurbüros und Beratungsfirmen sind sehr interessant für uns. Sachsen Wasser GmbH zum Beispiel setzt Wasserprojekte um, an denen wir uns beteiligen, sei es durch Schulungsleistungen oder Ausstattung. Dies ist z.B. in dem großen UNICEF- und KfW-geförderten R-WasH-Projekt der Fall. Hier geht es um Aufbau und Unterstützung für Wasserversorgungsunternehmen in Somalia, Äthiopien, Uganda und Sudan. Aber auch private Firmen wie CAAMENIHU, ein Sozialunternehmen aus der DR Kongo, zählen zu unseren direkten Kunden. Daneben NGOs, Hilfswerke wie Malteser International und die Welthungerhilfe sowie Forschungsinstitute wie das EAWAG in der Schweiz oder Fraunhofer.

Wo finden Sie neue Kunden?

Messen sind erstklassige Gelegenheiten, unsere Produkte vorzustellen und unser Netzwerk zu erweitern. Wir waren gerade auf der Analytica Lab Africa in Johannesburg, einer Messe für Labortechnik und Biotechnologie. Hier waren wir auf dem Gemeinschaftsstand deutscher Unternehmen vertreten. In 2022 haben wir dank der Organisation UNIDO ITPO mehrere solcher Messen besuchen können. Dort haben wir natürlich auch unsere Testkits dabei und präsentieren das dem Publikum. Die Menschen müssen unsere Produkte sehen und anfassen, das macht viel aus. Und der persönliche Kontakt natürlich.

Abgesehen von Messekontakten – wie kommen Sie an Aufträge?

Aus ganz verschiedenen Ecken. Idealerweise sprechen wir mit den Fachleuten beim Kunden, die wiederum die Entscheider beraten. Viel entsteht beim Netzwerken, also durch Kontakte über Kontakte. Manchmal können es auch Zufälle sein. Und LinkedIn ist ein wichtiger Kanal: Wir posten etwas, dann sieht es die richtige Person – auch so kommen Geschäftskontakte zustande. Für B2B ist das die beste Plattform. Insgesamt braucht man natürlich Geduld und oft auch einen langen Atem.

Gut ausgebildete Vertriebspartner und Trainings

Arbeiten Sie auch mit Partnern vor Ort?

Wir verfügen über Vertriebshändler in Tansania, Uganda und der Côte d’Ivoire. Unsere Vertriebspartnerinnen von Aqua Solutions International in Uganda haben eine super Expertise. Diese Frauen vertreiben unsere Produkte vor Ort und bieten auch Trainings an.

Welche Rolle spielen Schulungen?

Wir wollen die Menschen dazu befähigen, die Wasserqualität selbständig, unabhängig und regelmäßig testen zu können. Dazu gehört nicht nur verlässliches Equipment, sondern auch Training. Deshalb bieten wir Schulungen an, die teilweise mehrere Monate dauern. Die Teilnehmenden lernen dabei, wie sie Wasserlabore nachhaltig und erfolgreich betreiben. Dazu gehören auch Aspekte wie Management, Finanzen, Ownership und klare Verantwortlichkeiten.

Wo finden diese Schulungen statt?

Ganz unterschiedlich: bei uns in Deutschland, in den Zielländern oder auch online. Mit mehreren installierten Kameras können wir die praktische Arbeit begleiten. Das geht natürlich nicht immer ruckelfrei, aber funktioniert insgesamt sehr gut. Und es spart Kosten und ist viel flexibler.

Wie schauen Sie in die Zukunft?

Wir bleiben weiter dran, vor allem an unseren afrikanischen Märkten. Und wir überlegen, unseren stromlosen Inkubator weiterzuentwickeln. Produktentwicklung ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist.

Das Interview führte Dr. Felix Guntermann von Germany Trade & Invest im Juni 2023.

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