Japanische Nähmaschinen über Deutschland nach Afrika verkaufen? Das hört sich bereits kompliziert an und ist in Wirklichkeit noch weitaus verwickelter. Ein Gespräch mit Rami Hashem von der deutschen Niederlassung der japanischen Firma Brother über die Globalisierung von Wertschöpfungsketten in der Textilindustrie.
Von Dubai über Deutschland nach Westafrika: Globale Vertriebswege
Herr Hashem, Sie sind Syrer, arbeiten in Emmerich am Niederrhein und sind in Afrika unterwegs. Wie kommt es?
In Emmerich ist die Europa-Zentrale von Brother für Industrienähmaschinen und digitale Textiltechnik. Neben Europa betreuen wir aber auch den Nahen Osten und eben Afrika. Dafür bin ich als Area Sales Manager zuständig.
Erzählen Sie doch mal von einem Geschäft.
Aktuell gibt es eine große Investition in Westafrika: Ein indisches Unternehmen in Togo will im benachbarten Benin eine große, vertikal integrierte Textil- und Bekleidungsfabrik aufbauen. Dort wird vor Ort dann alles produziert, vom Garn - mit Baumwolle aus dem benachbarten Burkina Faso - bis zum fertigen Bekleidungsstück, das dann in die USA exportiert wird. Dafür braucht das Unternehmen natürlich auch industrielle Nähmaschinen.
Und Sie steuern dieses Geschäft vom Niederrhein aus?
Ja, allerdings nicht direkt. Akquiriert hat dieses Projekt unser zertifizierter Händler in Dubai, der für uns den westafrikanischen Markt betreut. Er hat ein eigenes Büro in Nigeria mit drei Mitarbeitern. Dieses Büro in Nigeria stellt Kontakte zu möglichen Kunden in Westafrika her, so auch zu der Firma in Togo. Nach demselben Muster bearbeitet unser Händler in Dubai auch Ostafrika, mit einer Niederlassung in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba.
Textile Wertschöpfungskette mit Komponenten aus Asien und Europa
Klingt kompliziert. Was für Produkte bekommen Kunden in Afrika und aus welchen Werken liefert Brother?
Das ist ganz unterschiedlich. Die wesentlichen Komponenten kommen aus Brother-Werken in China oder Vietnam, das sind der Nähkopf und die Steuerung. Der Tisch stammt aus Italien, das Gestell aus Polen. Wir in Emmerich fügen diese Komponenten zur kompletten Nähmaschine zusammen, die wir dann nach Westafrika liefern. Andere Kunden, zum Beispiel in Ägypten, steuern den Tisch oder auch das Gestell typischerweise selbst bei. Sie beziehen nur die Kernkomponenten von uns und stellen die Maschine selbst zusammen.
Hat Ihr Händler in Dubai außer Brother auch andere Marken und Produkte im Programm?
Ja, er führt auch Spinn-, Web- und Strickmaschinen sowie Veredelungstechnik wie Färbereianlagen. Damit deckt er einen großen Teil der textilen Wertschöpfungskette ab. Das ist für Kunden attraktiv, weil sie dann aus einer Hand alles bekommen können, und davon profitieren auch wir. Er verkauft sogar Nähmaschinen einer anderen Marke, die weltweit einen hohen Marktanteil hat.
Akquise profitiert von guten Kontakten zur Konkurrenz
Ihr Händler vertreibt Ihre eigene Konkurrenz?
Ja, die sind aber nicht nur Konkurrenz, sie können auch eine Ergänzung sein. Für einen Kunden, der Leder verarbeitet, hätten wir kein passendes Produkt gehabt. Der Konkurrent schon. Mit dessen Maschinen kam unser Händler ins Geschäft mit dem Kunden. Der brauchte aber auch Nähmaschinen, wie wir sie liefern. Dieser Teilauftrag ging dann an uns. Das Geschäft hätten wir vermutlich nicht bekommen, wenn unser Händler nicht das Entrée mit der Konkurrenzfirma gehabt hätte. Somit profitieren alle davon.
Wie unterstützen Sie Ihren Händler in Dubai bei der Marktarbeit in Afrika?
Er bekommt eine Provision für alle abgeschlossenen Geschäfte in seinem Vertragsgebiet in Afrika. Zudem unterstützen wir seinen Vertrieb von Emmerich aus kaufmännisch und technisch, Marktforschung allerdings machen wir nicht für ihn.
Er übernimmt für die Kunden in Afrika auch den Service?
Ja, gestützt auf seine Partner vor Ort, wie in Nigeria. Der Kundendienst gestaltet sich in Afrika übrigens relativ einfach. Die Produktmanager der Kunden, die auch die Nähmaschinen in Schuss halten, sind insgesamt gut ausgebildet. Um diese Ausbildung kümmern sich in Ostafrika oft engagierte und kompetente Fachleute indischer Abstammung, dies gilt auch weitestgehend für Westafrika.
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Juni 2023.
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