Waya Collective Store Kampala

Einer der drei Waya Collective Stores in Ugandas Hauptstadt Kampala.

Seit 2021 ist Antonia Lorenz in Uganda. Dort hat die Wirtschaftsingenieurin Ende 2022 das Start-up Waya Collective gegründet. Das Unternehmen lässt Mode lokal fertigen und verkauft sie in eigenen Geschäften an die aufstrebende ugandische Mittelschicht. Im August 2024 eröffnete Lorenz bereits den dritten Laden in Kampala. Antonia Lorenz ist eine der wenigen deutschen Unternehmerinnen, deren Geschäftsmodell sich intensiv mit dem afrikanischen Konsummarkt beschäftigt. Groß denken und klein starten – im Interview berichtet sie von der Entwicklung ihres Unternehmens und ihren Erfahrungen.

Dynamische Städte und konsumfreudiges Umfeld in Ostafrika

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Frau Lorenz, wie sind Sie auf den afrikanischen Kontinent gekommen?

Ich habe in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Dort habe ich mich in der Start-up-Hochschulgruppe PionierGarage engagiert. Im Jahr 2019 sind wir mit dieser Gruppe nach Kenia, Ruanda und Uganda gereist – mein erster Besuch überhaupt in Afrika. Schon damals war es mein Ziel, Unternehmerin zu werden, und vor diesem Hintergrund habe ich mir die drei Länder angesehen. 

Was war Ihr erster Eindruck?

Ich war sehr positiv überrascht. Besonders die Lebhaftigkeit und der Unternehmergeist der Menschen haben mir sehr zugesagt. Auch ist mir aufgefallen, wie gerne die Leute konsumieren. Ihnen ist zum Beispiel Mode wichtig, und sie setzen sich auch gerne in ein Café und gehen aus. Natürlich ist das nicht in allen Teilen der Länder so, aber der Markt und die Bevölkerung in Städten wie Kampala und Nairobi sind sehr dynamisch. Das fand ich toll.

Warum haben Sie sich für den Standort Uganda entschieden?

Ruanda erschien mir sehr klein für mein Geschäftsmodell, und Kenia wirkte auf mich schon viel gesättigter mit entsprechend wenig Nischen. Uganda schien mir der richtige Mittelweg zu sein: ein relativ großer Markt, in dem es Vieles noch nicht gibt. Hier hatte ich das Gefühl, dass ich etwas bewegen kann. Heute denke ich, dass die Entscheidung die richtige war, auch weil der ugandische Konsummarkt anderen afrikanischen Ländern ähnelt. Kenia hingegen ist ein besonderer Markt, weil dort für afrikanische Verhältnisse schon viele Unternehmen aktiv sind und die Kaufkraft höher ist. Wenn man dort erfolgreich ist, heißt das noch nicht, dass man das Modell auf andere Länder Afrikas übertragen kann.

Drei Läden in Uganda – Groß denken, klein starten

Was war Ihr härtester Nackenschlag?

Als wir 2021 nach Uganda kamen, hatte ich noch drei Mitgründer, aus Deutschland und Frankreich. Das Team hat leider nicht gehalten und als es auseinander ging, war das für mich eine harte Erfahrung. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass wir zu unterschiedliche Vorstellungen hatten. Meine Partner hatten den Anspruch, ein Tech-Start-Up zu entwickeln, was sich nicht wirklich mit meiner Idee vereinen ließ. Wir haben Luftschlösser gebaut statt Läden. Mitte 2022 ist die Gruppe nach einem Jahr auseinander gegangen, eine unschöne Erfahrung für mich.

Und dann haben Sie allein weitergemacht?

Genau. Meine Eltern freuten sich schon darauf, dass ich wieder zurückkomme, und ich spielte auch mit dem Gedanken, habe ihn dann aber verworfen. Stattdessen habe ich mich dafür entschieden, aus den Fehlern des ersten Jahres meine Lehren zu ziehen und das Geschäft allein aufzubauen, Schritt für Schritt.  Am Anfang habe ich erstmal geringe Mengen an Kleidung produzieren lassen und verkauft. Dann passte ich die Infrastruktur an, mietete ein kleines Lager, ein Büro und besorgte einen Fahrer für die Auslieferung. Groß denken, aber klein starten!

Und was ist mit dem „Groß denken“ passiert?

Ich denke immer noch groß und ich glaube, dass wir ein sehr großes Wachstumspotenzial haben. Aber wenn man wachsen will, braucht man auch ein gutes Fundament. Den Markt kennenzulernen und eine Marke zu etablieren braucht einfach Zeit. Genauso dauert es auch, die Lieferketten und Verkaufsstrukturen in einem Markt aufzubauen, der sich noch so stark entwickelt.

Konsumenten haben Ansprüche an Modeprodukte

Was sind die positiven Erfahrungen?

Der erste Verkauf. Zu meiner ersten Kundin bin ich damals mitgefahren, um ihr das Kleidungsstück selbst auszuhändigen. Alles einmal selber zu machen war eine besondere Erfahrung für mich! Wir haben seitdem ständig expandiert. Dabei gibt es zwei Seiten: den Verkauf und die Produktion. Bei jedem Schritt muss ich überlegen, welche der beiden Seiten ich stärken muss. Als wir zum Beispiel unseren zweiten Laden eröffneten, hatten wir plötzlich viel mehr Verkaufsfläche. Diese konnten wir aber nicht auf Anhieb füllen, weil einige Lieferanten Schwierigkeiten hatten, größere Mengen zügig zu liefern. Da mussten wir nachjustieren.

Wie sieht denn die Produktionsseite genau aus?

Wir stellen unsere Produkte lokal her und nutzen so das wachsende Produktionspotenzial in Afrika. Es gibt eine Reihe lokaler Produzenten, die sich hauptsächlich auf Uniformen für Schulen, Unternehmen oder die Regierung spezialisieren. Die Anforderungen für Uniformen sind allerdings ganz andere als für Modeprodukte, die für den Endkonsumenten geeignet sind. Die Stoffe sind gröber und einfacher zu handhaben, die Qualitätsanforderungen sind geringer und die Schnitte sind sehr simpel und ändern sich nicht. In der Modeproduktion gibt es ständig neue Stoffe und Schnitte, die Konsumenten haben höhere Ansprüche. Wir mussten viele Produzenten erst einmal überzeugen, mit uns zu arbeiten, und auch wir mussten uns an die lokalen Gegebenheiten anpassen. Bei einigen Stoffproduzenten in Uganda ist die Auswahl allerdings so begrenzt, dass viel Stoff importiert wird – meist aus China und Indien.

Wie läuft Ihre Bestellung dann ab?

Wenn das Design fertig ist, bestellen wir die Stoffe direkt bei den Importeuren oder den lokalen Produzenten. Unsere Produzenten bekommen dann von uns die Stoffe und das Design, sie müssen nur noch schneiden und nähen. Einige Produzenten haben sich als zu klein oder unzuverlässig herausgestellt. Deshalb haben wir die Zusammenarbeit mit ihnen eingestellt und konzentrieren uns nun auf die leistungsstarken Hersteller. Einige von ihnen wachsen mit unserem Geschäft. Inzwischen geben wir Stückzahlen von 300 bis 1000 in Auftrag.  

Mittelweg als Nische: „Value for money“

Haben Sie Konkurrenz in Uganda?

Aus meiner Sicht besetzen wir eine Nische. Es gibt die teuren Läden, wie LC Waikiki, die importierte Ware für hohe Preise in den modernen Malls in Kampala verkaufen. Und dann gibt es zum Beispiel in Kampalas Zentrum etliche Verkäufer, die günstige Kleidung, auch Second-hand, anbieten. Hier ist das Einkaufserlebnis nicht besonders ausgeprägt, die Preise dafür oft niedrig. Was in Uganda und anderen Ländern in Afrika noch fehlt, ist der Mittelweg: modische Produkte mit zuverlässiger Qualität, solidem Einkaufserlebnis und bezahlbaren Preisen, also so etwas wie H&M oder Zara in Europa.

Ihre Kunden kommen aus der ugandischen Mittelklasse?

 Eröffnung des dritten Waya Collective Stores in Kampala Waya Collective Eröffnung des dritten Waya Collective Stores in Kampala

Die Mittelklasse ist nicht so, wie man es sich als Europäer vorstellt. Die tatsächliche Mittelklasse, die ein sehr geregeltes höheres Einkommen hat, ist extrem klein. Das heißt aber nicht, dass alle anderen arm sind. Viele Leute haben kein zuverlässiges Gehalt, aber dafür ein kleines Unternehmen oder eine selbstständige Tätigkeit und können so ihr Einkommen aufstocken. Die Kaufkraft ist mit Europa nicht zu vergleichen. Aber viele, die in den Städten leben, pflegen auch mit wenig Geld einen westlich geprägten Lebensstil und kaufen gern ein statt zu sparen. Beim Kauf wird natürlich sehr auf den Preis geachtet. Ein Kleidungsstück bei uns kostet durchschnittlich sechs Euro. Unser Credo lautet „Value for money“. Ein großer Teil unseres Designprozesses ist mit der Frage verbunden: “Wie schaffen wir es, dieses Produkt zu unseren Zielkosten herzustellen?” Wir lernen selbst jeden Tag dazu, was den Geschmack unserer Kunden betrifft. 

Mit Social Media auf dem Weg zum ‚H&M Afrikas‘

Wie erreichen Sie Ihre Kunden?

Wir nutzen soziale Medien. Die meisten sehen uns auf Instagram oder Tiktok. Bestellungen laufen häufig über WhatsApp. Wir haben auch eine Webseite, aber unsere Kunden nutzen sie noch nicht so viel.

Was ist Ihr nächster Schritt?

Ich mache mir darüber Gedanken, wann wir in einen anderen Markt expandieren sollten, und in welchen. Kenia liegt nahe, weil es ein großer Markt ist. Überraschend viele unserer Kunden kommen aber aus Juba in Südsudan. Dort gibt es so gut wie keine Bekleidungsgeschäfte. Wir geben die nach Juba gehenden Lieferungen den Reisebussen mit, die von Kampala dorthin fahren. Theoretisch könnte man sich also überlegen, wie man diesen Markt besser bedient. Andererseits: Auch den ugandischen Markt haben wir noch nicht ganz erschlossen, deshalb konzentrieren wir uns erstmal darauf. 

Nochmal zurück zum „Groß denken“: Wo wollen Sie hin?

Wir wollen in den nächsten Jahren in diverse Länder expandieren. Entweder mit eigenen Läden oder über ein Franchise-Konzept. Unser Ziel ist es, Afrikas führende Einzelhandelskette im Bereich Mode/Lifestyle/Beauty zu werden - das H&M Afrikas.

Das Interview führte Carsten Ehlers von Germany Trade & Invest im Juli 2024.

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