Textilfabrik in Äthiopien

Für die meisten deutschen Geschäftsleute ist Äthiopiens Textilbranche unerforschtes Gebiet. Nicht so für die deutsche Beratungsfirma texulting. Das Unternehmen kennt die Hürden und Besonderheiten des Marktes. Vor allen Dingen geeignete Fachkräfte zu finden, gestaltet sich schwierig.

Fachkräftemangel in Äthiopien als Geschäftsidee

Herr Michael, als promovierter Maschinenbauer beraten Sie heute Firmen in der Textilbranche. Was machen Sie konkret in Ihrem Unternehmen?

texulting Markus Michael, Geschäftsführer bei texulting


Mit texulting beraten wir Firmen im Bereich der technischen Textilien weltweit. Das kann ein Konzept sein oder die Planung einer neuen Anlage, wenn beispielsweise ein Unternehmen ein neues Produkt herstellen möchte, aber noch nicht genug über notwendige Maschinen und Prozesse weiß. Häufig begleiten wir entlang der gesamten Lieferkette, also von den Stoffen bis hin zu Produktionsanlagen.

Wie können wir uns Ihr Geschäft in Afrika vorstellen?

Wir waren in der Vergangenheit vor allem in Südafrika, Marokko und Tunesien aktiv. Hier haben wir unter anderem mit Firmen gearbeitet, die Textilverschnitte recyceln: Stoffreste werden aufgerissen, neu verarbeitet und als Putzlappen an große Firmen, etwa in der Automobilindustrie, verkauft. Man sollte meinen, dass eine derartige Arbeit in jedem Land machbar ist – wir haben allerdings festgestellt, dass es nicht so einfach ist, ein Konzept von einem Land in ein anderes zu übertragen.

In zahlreichen Ländern Afrikas gibt es ja große Fabriken, in denen Bekleidung hergestellt wird und Textilreste abfallen. Im Jahr 2018 berieten wir einen Unternehmer, der Stoffreste in Äthiopien neu verwerten wollte. Wir erfuhren bei unserer Reise, dass es dort viele ausgebildete Näherinnen und Näher gibt, aber kaum Fachkräfte, die sich mit Maschinen auskennen, also „Meister“ oder Maschinenführer. Wir hatten da eine Lücke im System gefunden, die geschlossen werden sollte, wenn man eine gute Qualität produzieren will. So reifte in uns die Idee einer Facharbeiterausbildung in Äthiopien.

Das ist ja eigentlich nicht Ihre Profession…

Das ist richtig, diese Idee konnten wir nicht alleine umsetzen. Wir suchten Partner und waren überrascht, wie viele Institutionen im Feld der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) interessiert waren! Ein Treffen in der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Chemnitz war dann vielversprechend: Konstantin Kotsas, der als EZ-Scout im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) an die IHK entsandt ist, beriet uns rund um die Kooperationsmöglichkeiten. Er organisierte eine Reise für Unternehmen nach Äthiopien, bei der wir neben Textilfirmen wichtige Ansprechpersonen aus Politik und Wirtschaft trafen.

Die Hauptstadt Äthiopiens, Addis Abeba, ist recht sicher und international gut angebunden. Viele wichtige Organisationen, Stiftungen und auch die Afrikanische Union haben dort einen Standort. Das ist natürlich bei der Partnersuche von Vorteil, und auch der EZ-Scout hat uns weiterhin gut betreut. So entwickelten wir nach der Reise und weiteren Treffen mit der Entwicklungsorganisation sequa gGmbH und dem Verband der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (vti) eine sechsmonatige Kleinmaßnahme zur konkreten Vorprüfung der Idee einer „German-Ethiopian-Textile School“. Dort sollen Facharbeitende ausgebildet und Praktika angeboten werden.

Der Austausch wäre auch für deutsche Unternehmen gewinnbringend, die über ihr Engagement den äthiopischen Markt kennenlernen könnten, ohne direkte Risiken einzugehen. Ein Ergebnis der Kleinmaßnahme soll die Projektskizze für eine größer angelegte mehrjährige Berufsbildungspartnerschaft oder ein PartnerAfrika-Projekt über sequa sein.

Welche Rolle haben Sie dabei?

Antragssteller der Maßnahme ist der vti. Wir verstehen uns in diesem Projekt als Ideengeber und Türöffner. Eine der größten Herausforderung ist es nun, alle Partner an einen Tisch zu bringen und dafür zu sorgen, dass jeder sein Ziel erreichen kann.

Zeitlich und logistisch hat uns aber die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Moment wären persönliche Gespräche essenziell, allerdings liegt eine geplante Delegationsreise erst mal auf Eis. Wir planen jetzt um und nutzen die Zeit, um neue Partner zu identifizieren. Insgesamt ist die Idee, die beiden Textilmärkte Deutschlands und Äthiopiens zusammen zu bringen, aber so spannend, dass wir dranbleiben werden.


Logobanner texulting, BMZ, GIZ und sequa Logobanner texulting, BMZ, GIZ und sequa

Das Interview fand im Rahmen des EZ-Scout Programms (seit 2021: Business Scouts for Development) im September 2020 statt. 

Erfahrungsberichte von Unternehmen aus der Textil- und Bekleidungsindustrie

Verantwortungsvoll: Modeproduktion in Tunesien

Ghazi El Biche ist Geschäftsführer der tunesischen Tochterfirma von Van Laack. Im Interview verrät er, wie er das Betriebsklima verändert hat.

Anspruchsvoll: Mode für die Mittelschicht in Uganda

Waya Collective bedient mit lokal gefertigter Mode die ugandische Mittelschicht - und nimmt bereits weitere Märkte in Ostafrika in den Blick, berichtet Gründerin Antonia Lorenz.

Kleidung in Ghana produzieren – mit Finanzierung aus Deutschland

Das Unternehmen DTRT (Do the Right Thing) Apparel produziert in Ghana nachhaltig Kleidung. Die Finanzierung von der DEG war entscheidend für den Aufbau der Produktion.

Komplexe Vertriebswege: Japanische Nähmaschinen für Westafrika

Japanische Nähmaschinen über Deutschland nach Afrika verkaufen? Das hört sich bereits kompliziert an und ist in Wirklichkeit noch weitaus verwickelter.

Nur für Fleißige: Der Vertrieb von Textilmaschinen in Afrika

Der Vertrieb von Textilmaschinen in Afrika ist mühsam. Zwei Vertriebsprofis der Karl Mayer Stoll Group berichten, mit welchen Strategien sie die Konkurrenz dennoch schlagen.

Bekleidungsproduktion: Ersetzt Sourcing aus Nordafrika China?

Nordafrika ist bei der Beschaffung von Bekleidung in den Fokus von deutschen Einkäufern gerückt. Aber Asien bleibt Deutschlands größter Lieferant.

Modeindustrie: Lohnt sich Beschaffung in Nordafrika?

Viele europäische Bekleidungsketten haben ihre Beschaffung diversifiziert und kaufen nun verstärkt in Tunesien, Marokko und Ägypten ein.

Bekleidungstechnik: Produktionsverlagerung nach Nordafrika steigert Nachfrage

Viele europäische Bekleidungsketten haben ihre Produktion von Asien und Europa nach Nordafrika verlagert. Davon profitiert auch der italienische Textilmaschinenhersteller Macpi.

Zertifiziert: Mehr chinesische Textilproduktion in Äthiopien

Das chinesische Unternehmen Shanghai Textile produziert Bekleidung in äthiopischen Industrieparks für den Export. Dabei spielen Zertifizierungssysteme eine wichtige Rolle.

Bio-Baumwolle aus Uganda: Nachhaltig vom Feld bis in den Shop

Elmer & Zweifel verfeinert deutsche Textilien mit biologisch angebauter Baumwolle. Das Ergebnis ein langlebiges und faires Produkt, das den Bio-Anbau in Uganda stärkt.

Mit Qualität punkten: JP Textile über Chancen in Äthiopien

Chinesen finden chinesische Maschinen erneuerungsbedürftig – das ist doch eigentlich eine interessante Nachricht für deutsche Maschinenbauer.