Arbeit bei Iceaddis in Äthiopien
Äthiopien hat unter ausländischen Investoren einen eher zweifelhaften Ruf. Auch Start-ups tun sich schwer mit dem rigiden Geschäftsumfeld in dem ostafrikanischen Land. Unterstützung können sie von Iceaddis bekommen, einem Inkubator und Accelerator, den Markos Lemma 2011 gegründet hat. Im Interview in Addis Abeba berichtet Lemma, dass die Behörden seine Szene inzwischen richtig hip finden und warum ihm das auch Sorge macht.
Aufbau eines Ökosystems für Startups
Herr Lemma, was genau macht Ihr Unternehmen?
Wie helfen jungen, innovativen Unternehmen beim Start und durch die erste Zeit des Firmenaufbaus. Damit versuchen wir eine Art Biotop für Gründer zu schaffen, wie man das auch in München oder Berlin tut. Das Umfeld allerdings ist bei uns in Äthiopien ganz anders.
Ein Beispiel?
Eine unserer Firmen ist 3BL, ein Wasserversorger, der Trinkwasser in bisher unversorgte Dörfer bringt. Das funktioniert, weil die Kosten nicht einmal ein Zehntel so hoch wie sonst üblich sind. Zum Beispiel kartieren sie das Gelände nicht mit einem teuren Ingenieurbüro, sondern mit Google Maps und einer selbst entwickelten App. Verbrauchszähler braucht es auch keine, weil jeder Nutzer ein vorab fest gelegtes bestimmtes Quantum bekommt. Das Wasser ist ohnehin extrem billig, weil die Gemeinde es kostenlos zur Verfügung stellt. Die Verwaltung ist schließlich glücklich über den Service, durch den sie ihre Einwohner erstmals mit Wasser versorgen kann. Das System ist eine äthiopische Entwicklung und versorgt bisher 2.000 Haushalte. Typisch sind auch die Gründer, ein Äthiopier und ein US-Amerikaner – Ausländer und Landsleute aus der Diaspora sind bei unseren Start-ups stark vertreten.
Wie hat Iceaddis dieser Firma konkret geholfen?
Wir haben bei der Firmengründung unterstützt und beim Umgang mit den Behörden, ein großes Thema in Äthiopien. Später besorgten wir ihnen einen IT-Fachmann und assistierten bei der Entwicklung der Apps. Zudem berieten wir sie bei der Werbung, um zahlende Gemeinden als Kunden zu gewinnen; solche Dinge. Bei Neugründungen schießen wir üblicherweise 5.000 bis 10.000 US-Dollar als Investitionshilfe zu.
Hohe Erfolgsquote
Wie groß ist denn ihr Ökosystem mit solchen Unternehmen schon?
Wir haben seit unserer Gründung 2011 um die 90 Firmen unterstützt. Davon sind 70 noch aktiv. Ein Grund für die hohe Erfolgsquote ist, dass wir die Ideen vor einer Zusage sehr genau prüfen. Von rund 200 Anträgen, die uns jedes Jahr erreichen, nehmen wir nur sechs bis zehn ins Programm auf. Zu den aktuell 36 Vollzeit-Mitarbeitern von Iceaddis, darunter 16 Frauen, gehören dementsprechend Analysten, die eine bei uns eingehende Idee fachlich einschätzen können. Daneben arbeiten bei uns hauptsächlich IT-Spezialisten, Finanzexperten sowie Ausbilder.
Wie finden die Behörden das alles?
Bei Gründung von Iceaddis hatten wir eine schwere Zeit. Der Bildungsminister meinte sogar, in Äthiopien gebe es keinen Platz für Start-ups. In den letzten fünf Jahren hat sich diese Einstellung aber total gedreht. Die Regierung erhofft sich von der Start-up-Szene inzwischen geradezu Wunderdinge, den schnellen Erfolg, vor allem Arbeitsplätze. Zu diesem Umschwung haben wir viel beigetragen. Der Erfolg macht mir aber auch etwas Sorgen.
Warum das denn?
Es liegt es in der Natur der Start-up-Szene, dass bei der Entwicklung die Privatpersonen am Steuer sitzen. Nun aber hat die Regierung, die das hip findet, da Platz genommen, auf ihre Art und unter ihren Bedingungen. Es gibt keine Start-up-Konferenz mehr, die nicht von Behörden veranstaltet ist. Sie laden dazu Leute aus der Entwicklungszusammenarbeit ein und gerne auch gegenseitig sich selbst. Da halten dann Theoretiker Vorträge vor Bürokraten. Ich überlege mir inzwischen sehr genau, zu welchen Veranstaltungen ich noch hingehe.
Theorie und Praxis treffen aufeinander
Aber die Gesetzgebung für Start-ups hat die Regierung verbessert?
Enorm. Seit diesem Jahr hat Äthiopien sogar einen Start-up-Act. Der gesetzliche Rahmen ist für Unternehmen gar nicht schlecht hier. Leider hapert es an der Umsetzung.
Ein Beispiel?
Der Ärger für Mekina.net, einer unserer Gründungen. Das ist eine Onlineplattform für den Handel mit neuen und gebrauchten Autos, ähnlich wie AutoScout24 in Deutschland. Zu Spitzenzeiten wurden in Äthiopien 70 Prozent aller Autos über diese Seite gehandelt. Dass es jetzt weniger sind, liegt hauptsächlich daran, dass es inzwischen konkurrierende Portale gibt. Eine super Sache also: Ein Start-Up ist erfolgreich, Konkurrenz kommt auf und das belebt das Geschäft. Die Portale drücken gleichzeitig die Kosten für den Kauf von Autos, die in Äthiopien wegen extrem hoher Abgaben sehr teuer sind.
Aber?
Da ist die Sache mit den Rechnungen. Der Verkäufer eines Autos zahlt dem Portal eine Gebühr fürs Hochladen der Autobilder und -beschreibung und bekommt dafür eine digitale Rechnung, so wie bei Ihrer Bestellung bei Amazon. Ein Händler will diese Kosten von der Steuer absetzen. Es gibt auch ein Gesetz, das dafür die Nutzung digitaler Rechnungen erlaubt. Nur akzeptiert das Finanzamt die nicht. Es besteht darauf, dass Mekina.net in Addis Abeba die Rechnung mit einer „VAT Machine“ ausdruckt, einem behördeneigenen System mit Ausweis der Mehrwertsteuer (VAT). Der Händler muss dafür zu Mekina. Wenn er in der Hauptstadt sitzt, ist das umständlich genug, für Leute aus der Provinz ist es eine Katastrophe.
Was zahlen Ihnen die Start-ups eigentlich für Ihre Unterstützung?
Nichts, wir erhalten wie weltweit im Start-up-Ökosystem üblich einen 10-prozentigen Anteil an der Firma. Die Idee dabei ist natürlich, dass wir diesen Anteil später für gutes Geld verkaufen. Das ist bisher aber erst einmal gelungen. Eine ausländische Firma kaufte uns unsere Anteile an einem Entwickler von IT-Security-Software ab.
Gibt es nicht genügend Kaufinteressenten für Start-ups?
Das ist einer der Gründe: Ausländische Firmen dürfen bei uns in viele Dienstleistungssektoren nicht investieren, zum Beispiel in die Werbebranche. Zudem gibt es für Ausländer eine hohe Schwelle durch den vorgeschriebenen Mindest-Invest von 200.000 US-Dollar (150.000 bei einem Joint-venture mit einem Äthiopier). Das ist viermal so viel wie zum Beispiel in Kenia. Etablierte einheimische Unternehmen wiederum sind oft konservativ. Sie glauben, dass sie die Dinge besser selbst entwickeln können, und sind auch gegenüber der ihnen unvertrauten Start-up-Szene misstrauisch. Außerdem gibt es in Äthiopien noch keine Wertpapierbörse. Die wird aber demnächst eröffnet.
Wie finanzieren Sie sich dann?
Mit Consulting und anderen Dienstleistungen für Drittkunden. Dafür allerdings können wir unsere Leistungen als Start-up-Inkubator sehr gut als Referenzen fürs Marketing nutzen. So erhielten wir auf Basis unseres Erfolgs mit 3BL Verträge mit vier Kunden, die ebenfalls aus der Wasserbranche kommen, mit einem Umsatz von insgesamt einer Million US-Dollar. Seit vier Jahren schreiben wir schwarze Zahlen. Ein sehr wichtiger Auftraggeber, besonders am Anfang, war für uns übrigens immer die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Dezember 2024.
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