Ein Mitarbeiter von Solarbakery im Senegal prüft Teiglinge im Gärraum.
Ein Container, eine maßgeschneiderte Backstube und eine 52 KW-starke Solaranlage – das sind die Grundzutaten für eine Solarbakery. Das gleichnamige Start-up will mit Brot die Welt verändern und hat dafür auf Crowdinvesting gesetzt. Im Interview berichtet Gründer Simon Zimmermann über das innovative Geschäftsmodell und die Vorteile einer Crowdfinanzierung.
Von der Idee zur Bäckerei im Container
Herr Zimmermann, Sie verkaufen Bäckereien in Containern. Wie kamen Sie darauf?
Die Grundidee entstand ungefähr im Jahr 2010 bei einer Mitfahrgelegenheit. Ich traf einen jungen Mann aus der Demokratischen Republik Kongo, der etwas in seinem Land verändern wollte. Wir waren auf einer Wellenlänge. Nach einer gemeinsamen Reise in den Kongo haben wir eine Containerbäckerei entwickelt und mit geringsten Mitteln umgesetzt. Das Geschäftsmodell kam vor Ort gut an, wir konnten für mehr als hundert Frauen Beschäftigung schaffen und mit den Einnahmen der Bäckerei eine Schule finanzieren. Zu schaffen machte uns die Stromversorgung. Es gab viele Stromausfälle und ein Dieselgenerator, den wir gekauft haben, war in der Anschaffung und im Betrieb sehr teuer. Aus diesen Erfahrungen heraus entstand im Jahr 2020 die Idee der Solarbakery mit eigener Stromversorgung aus Sonnenenergie. Mitgründer waren Torsten Schreiber, der mit Africa GreenTec umfangreiche Erfahrung mit Solarcontainern hatte und Bäckermeister Daniel Petruccelli.
Wodurch unterscheidet sich eine Solarbakery von einer normalen Bäckerei?
Die Solarbakery ist eine energieoptimierte Backstube mit einem ganz neuen Backprozess. Wir haben den Energieverbrauch der Maschinen und den Backprozess optimiert. Anstatt – wie üblich – alles nachts zu backen, findet bei uns 70 Prozent des Backens tagsüber statt. Wir nutzen so die direkte Sonneneinstrahlung. Nachts decken wir die restlichen 30 Prozent über unser Batteriespeichersystem ab und backen die Produkte zum Morgen noch einmal frisch auf.
Und warum reicht es nicht, herkömmliche Bäckereien mit Solarmodulen auszustatten?
Man müsste dafür individuelle Lösungen entwickeln, die sehr planungsintensiv sind. Wir haben für die Solarbakery in stundenlanger Arbeit die Fläche der Solarmodule auf die Leistung der Backstube und das Dach des Containers zugeschnitten. Bei konventionellen Bäckereien sind die Maschinen zudem meist nicht energieoptimiert.
Außerdem können wir durch das Containermodell schnell den Standort wechseln und vermeiden Bürokratie, die beim Bau von Gebäuden anfällt. Dadurch können wir auch in Länder gehen, wo sich die Lage schnell ändern kann.
Wo planen Sie derzeit Projekte?
Im Kongo überlegen wir die alte Bäckerei mit einer Solarbakery zu ersetzen. Den größten Fokus legen wir allerdings aktuell auf den Senegal. Wir planen dort eine eigene Kette mit 30 Bäckereien. Der zweite Fokus sind Anfragen von Entwicklungsorganisationen aus aller Welt, an die wir die Container verkaufen wollen. Momentan haben wir Anfragen aus 28 Ländern weltweit vorliegen, sodass wir auch über Afrika hinaus einen großen Bedarf für unsere Bäckereien sehen.
Wer sind vor Ort die Partner von Solarbakery?
Im Senegal sind wir auf politischer Ebene mit dem Energieministerium gut vernetzt. Auf organisatorischer Ebene kommen NGOs und Ausbildungspartner hinzu sowie Frauenkooperativen, von denen wir lokal Getreide beziehen. Wir sind auch mit großen Entwicklungs- und Nothilfeorganisationen im Gespräch, die unsere Bäckereien in Geflüchtetenlagern einsetzen möchten, wo die Infrastruktur zusammengebrochen ist. Mit dem World Food Programme (WFP) haben wir sogar Notfallpläne für das Grenzgebiet zur Ukraine ausgearbeitet.
Wie unterscheiden sich die Demokratische Republik Kongo und der Senegal in Bezug auf das Geschäftsumfeld?
Im Senegal ist die Zusammenarbeit mit den Partnern und auf politischer Ebene offener. Themen wie die Energiewende und der Klimawandel sind stark im allgemeinen Bewusstsein verankert. Im Kongo geht es aufgrund der harten Lebenssituation eher darum, wie man von Tag zu Tag die Familie ernähren kann. Das wirkt sich auch auf das Geschäftsumfeld aus. Vieles läuft im Kongo informell und es gibt eine harte Konkurrenz.
Crowdinvesting: Geld und Öffentlichkeit in Einem
Warum haben Sie sich bei der Finanzierung für Crowdinvesting entschieden?
Viele traditionelle Banken und große Institutionen verlieren schnell das Interesse, sobald man Afrika erwähnt. Wir wollten außerdem eine Community entwickeln, in der die Menschen über das Projekt sprechen. Crowdinvesting macht genau das. Von sehr klein bis mittelgroß gibt es eine sehr große Zahl unterschiedlicher Anleger. Wir haben bei unserer ersten Finanzierungsrunde am Anfang des Jahres sehr von der Öffentlichkeit der Crowdinvestingkampagne profitiert. Als es erste Medienberichte gab, haben wir aus allen Ecken der Welt unzählige Partnerschafts-, Vertriebs- und Kaufanfragen erhalten.
Wie läuft das Crowdinvesting ab?
Es gibt verschiedene Plattformen, die sich oft auf Themen spezialisiert haben. Jede Plattform hat dadurch ihre ganz eigene Crowd. Nachdem man eine passende Plattform für sich gefunden hat, werden die Konditionen der Finanzierung ausgehandelt. Von reinen Nachrangdarlehen bis zu Equity ist alles möglich. Dann bereitet man sein Projekt anschaulich auf und startet die Kampagne. Dabei ist es wichtig, dass die Menschen begeistert sind und schnell verstehen, worum es geht. Um den Stein ins Rollen zu bringen, muss man auch selbst aktiv informieren. Das kostet viel Zeit und Energie.
Bekommt man bei Crowdinvesting bessere Konditionen als bei anderen Investoren?
Das würde ich nicht sagen. Durch die Plattform hat man aber einen direkteren Draht zu seinen Investoren. Man kann Fragen beantworten, verschiedene Nuancen zeigen und erklären, warum das Konzept Potenzial hat. Diese Möglichkeit hat man bei großen Banken nicht. Hier wird oft nach Schlagworten gefiltert und dann über ein Investment entschieden.
Mit Flexibilität und klarer Struktur zum Geschäftserfolg
Wie gehen Sie mit all den unzähligen Partnerschafts-, Vertriebs- und Kaufanfragen um?
Da mussten wir tatsächlich unsere Struktur nachträglich optimieren. Mittlerweile geben wir interessierten Käufern Fragebögen an die Hand. Damit können sie selbst eine Art Marktanalyse erstellen und durchrechnen, ob das Modell für ihre Region passt.
Da müssen Sie sicherlich auch priorisieren?
Ja, auf jeden Fall. Jeder Markt ist anders. Im Senegal arbeiten wir an der Bäckereikette, in anderen Ländern kommt nur der Verkauf der Container in Frage. Langfristig haben wir noch ein Franchise-System in Arbeit. Franchising ist allerdings ein ganz anderes Level und erfordert globale Qualitätskontrollen, standardisierte Rezepte und Prozesse.
Was können klassische, deutsche, mittelständische Unternehmen von Start-ups lernen?
Flexibilität … Aber auch, Communities aufzubauen. Gerade über Netzwerke wie LinkedIn können mittlerweile handfeste Kontakte mit Partnern, Investoren und Kunden entstehen. Dabei geht es nicht darum, selbst schön dazustehen, sondern persönlich ins Gespräch zu kommen und authentisch zu sein. Das machen Start-ups oft besser als größere, etablierte Unternehmen. Und man muss am Ball bleiben. Start-ups halten immer die Augen offen, wo es Potenzial gibt, das andere noch nicht nutzen. Das trifft insbesondere für Potenziale auf dem afrikanischen Kontinent zu.
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Das Interview führte Carolina Zishiri von Germany Trade & Invest im Juni 2022.