Die Ethiopian Horticulture Producer Exporters Association (EHPEA) will für äthiopisches Obst und Gemüse eine durchgehende Kühlkette aufbauen.
Der moderne Flughafen von Addis Abeba steht im Zentrum des Erfolgs von Äthiopiens Blumenbranche. Deutschland ist der größte Zielmarkt und eine durchgehende Kühlkette ermöglicht den reibungslosen Export. Genau solche Kühlmöglichkeiten aber fehlen für äthiopisches Obst und Gemüse, das deshalb oft verfault oder gar nicht erst produziert wird. Die Ethiopian Horticulture Producer Exporters Association (EHPEA) will dies ändern und mit einem Logistikprojekt an den Erfolg bei Blumenexporten anknüpfen. Wie das passieren soll, erläutert Verbandsgeschäftsführer Tewodros Zewdie im Interview.
Export steht und fällt mit Kühlkette
In meinem Hotel hier in Addis Abeba gibt es zum Frühstück frische Erdbeeren. Kommen die aus Äthiopien?
Mit Sicherheit, wir exportieren sie sogar. Die äthiopischen Erzeuger verladen ihre Erdbeeren in die Flugzeuge, die bereits unsere Blumen nach Europa bringen. So sind sowohl Transportweg als auch Absatzmarkt gesichert, wodurch sich auch der Anbau lohnt. Die Produktion steigt, und damit gib es auch für Ihr Hotel und den gesamten lokalen Markt ein verlässliches Angebot.
Bei anderen Obstsorten funktioniert das nicht?
Sie können Mangos oder Avocados schlecht in ein Flugzeug packen, von Kartoffeln oder Zwiebeln ganz zu schweigen. Denn der Versand auf dem Luftweg wäre viel zu teuer und auch ökologisch unsinnig. Obst und Gemüse gelangen mit dem Lkw oder der Bahn zum Hafen und von dort per Schiff in drei Wochen zum Beispiel nach Europa. Gekühlt werden muss es aber auch, und genau daran hapert es.
Das alte Henne-Ei-Problem also?
Mich erreichen jede Woche Anrufe von Supermärkten hier in Äthiopien, die an keine Mangos, Avocados oder Papayas herankommen. Es gibt für diese Früchte bei uns zwar beste Anbaubedingungen, aber keine durchgängige Kühlkette. Weil also die Logistik für den Marktzugang fehlt, verfault das Obst oder die Landwirte produzieren es gar nicht erst. Die Logistiker wiederum investieren nicht, weil es wegen der fehlenden Produktion nicht viel zu transportieren gibt.
Neuer Logistikhub für gekühltes Obst und Gemüse
Und dieses Problem wollen Sie nun durch den "Cool Port Modjo" angehen?
Modjo liegt unweit von Addis Abeba an der Bahnlinie nach Dschibuti. Über den dortigen Hafen wickelt Äthiopien praktisch seinen gesamten seegestützten Außenhandel ab und exportiert hoffentlich bald auch gekühlte Agrarerzeugnisse. Die Idee ist: Über Modjo kommt der Export von Obst und Gemüse in Kühlcontainern über die Bahn in Gang, womit die Farmer dann einen sicheren Absatzkanal hätten. Wenn ein Teil dieser Produktion auch die Nachfrage im Inland bedient und Logistiker investieren, kommt der ganze Markt in Schwung. So ähnlich also wie bei den Erdbeeren: Nachdem der Export gesichert war, haben die lokalen Erzeuger Kühllager gebaut, die sie jetzt für die Belieferung auch Ihres Hotels nutzen.
Wie ist der Stand des Modjo-Projekts?
Nach letzten Gesprächen bin ich sehr zuversichtlich, dass der Bau dieser Lager- und Umpackstation jetzt losgeht. Es geht um zunächst rund 20 Millionen Euro, die das niederländische Konsortium Flying Swans um die Entwicklungsbank FMO investieren will.
Ist das auch für deutsche Firmen interessant?
Deutsche Technik oder logistische Lösungen sind willkommen. Der Cool Port soll expandieren und in Zukunft auch Verarbeitungsbetriebe beherbergen. Dann kann Modjo der bestimmende Umschlagplatz für den Export von äthiopischem Obst und Gemüse werden. Europa und die Länder des Nahen Ostens importieren exotische Früchte bislang meist aus Lateinamerika, dabei liegen wir im Vergleich geographisch viel günstiger. Mit der Entwicklung eines leistungsfähigen Obst- und Gemüseanbaus in Äthiopien entstünde auch für deutsche Lieferanten ein guter Markt - für Traktoren und andere Technik, auch für Dünger oder Pflanzenschutzmittel.
Beginnen wollen Sie in Modjo mit rund tausend Kühlcontainern?
Die sind zunächst am wichtigsten. Heute sind in Äthiopien kaum welche verfügbar, in Modjo gerade einmal zehn. Die nächstverfügbaren Kühlcontainer stapeln sich in Dschibuti. Äthiopische Erzeuger oder Logistiker zahlen derzeit an die 2.500 Euro, um einen dieser Container nach Addis Abeba zu bekommen, für eine Strecke.
Blumen: äthiopischer Exportschlager und Devisenbringer
Mit einer Kühlkette für Obst und Gemüse wollen Sie den Erfolg der Blumenbranche wiederholen?
Genau. Äthiopien ist beim Blumenexport in Afrika inzwischen hinter Kenia die Nummer zwei und weltweit die Nummer vier, nach Kolumbien und Ecuador. Blumen bringen unserem Land die drittmeisten Devisen, nach Kaffee und Gold. Neben idealen Anbaubedingungen für Blumen hier im Hochland bekommen wir die nötigen Flächen sehr günstig vom Staat zur Verfügung gestellt. Auch die Kosten für Strom und Arbeit sind sehr niedrig. Der entscheidende Faktor ist jedoch Ethiopian Airlines (EAL).
Das müssen Sie erklären.
Mit EAL haben wir die afrikaweit führende Fluggesellschaft direkt vor der Tür. Sie bringt unsere Blumen in sieben Stunden nach Lüttich - und von dort geht es entweder direkt zu den Kunden oder zum Auktionszentrum in Aalsmeer (Niederlande). Unsere Konkurrenten in Kenia oder Uganda sind da schlechter aufgestellt. Für Sambia oder Simbabwe, die ebenfalls den Blumenexport aufbauen wollten, ist das Fehlen einer solchen Logistik der Hauptgrund ihres Scheiterns. Wegen der guten Kühlinfrastruktur sowie exklusiver Verträge mit EAL haben wir auch die Coronapandemie relativ gut überstanden. Wir haben keine Beschäftigten entlassen, anders als etwa die Branche in Kenia, die danach erst wieder Tritt fassen musste.
Wie funktioniert die Kühlkette für den Export äthiopischer Blumenstecklinge?
Gewächshäuser und Felder unserer Erzeuger liegen allesamt im Umkreis von 150 Kilometern um die Hauptstadt. Nach der Ernte gehen die Stecklinge in ein gekühltes Lagerhaus der Farm und von dort per Kühllaster auf den kurzen Weg zum Flughafen Addis Abeba. Dort am Bole Airport hat EAL, unterstützt von der Regierung, Cargokapazitäten von inzwischen 600.000 Tonnen aufgebaut. Die Stecklinge sind selbst beim Beladen der Flugzeuge gekühlt.
Die Kühlinfrastruktur entstand maßgeblich auch durch die Initiative der Blumenwirtschaft?
Ja. Das Know-how kommt von den niederländischen Firmen, die weltweit das Geschäft mit den Blumen dominieren. Wie unser Marktführer Sher Ethiopia, der mit seinen drei Farmen der größte Rosenerzeuger der Welt ist. Mit dem Ausbau der Logistik hier stärken die Niederländer auch ihre Position gegenüber den Chinesen, die auf globaler Ebene mit günstigen Konditionen in den Blumenhandel drängen. Die Kühlinfrastruktur von EAL wird natürlich auch für den Transport von Produkten wie Arzneimitteln oder Milch genutzt - ein großer Standortvorteil für Äthiopien.
Engagieren sich auch deutsche Firmen in Äthiopiens Blumenbranche?
Im zweitgrößten Erzeuger Dümmen Orange steckt neben niederländischem auch deutsches Kapital. Ansonsten sind mir keine deutschen Investitionen in der Branche bekannt.
Ist Deutschland ein wichtiger Zielmarkt für äthiopische Blumen?
Der wichtigste, mit einem Anteil von rund der Hälfte. Insgesamt verkaufen wir etwa 80 Prozent der äthiopischen Blumen in Europa. Von den Niederlanden aus erfolgt die weitere Belieferung der Zielmärkte. Jeweils zehn Prozent gehen nach Fernost und in die Länder des Nahen Ostens. Aktuell versuchen wir, auch an der nordamerikanischen Ostküste Fuß zu fassen, obwohl wir geographisch dafür nicht so günstig liegen wie für Europa und Nahost. Hilfreich sind aber auch hier die guten Flugverbindungen von EAL.
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Mai 2022.