Die Geräte des deutschen Unternehmens Dilo kommen beim Ausbau der Stromnetze in Afrika gut an.
Es ist einer jener Hidden Champions, bei dem Christian Scheller 2011 als Geschäftsführer anfing: Dilo in Babenhausen bei Memmingen fertigt Geräte, die bei der Herstellung und Wartung von Hochspannungsschaltanlagen zum Einsatz kommen. "Unser Name steht für eine ganze Produktgattung", sagt Scheller, "das ist wie bei Tempo und Taschentüchern". Den Gewinn von Dilo mag der gebürtige Dortmunder (55), da schon ganz schwäbisch, nicht nennen; er muss aber auskömmlich sein. Dafür erklärt er im Interview und beim Rundgang durch den Betrieb mit seinen 350 Mitarbeitern und zuletzt 56 Millionen Euro Umsatz, warum das Streben nach mehr Klimaschutz sein noch junges Geschäft in Afrika ankurbelt.
Ausbau der Stromnetze schafft Nachfrage
Herr Scheller, warum interessieren Sie sich für Afrika?
Fliegen Sie mal nachts über den Kontinent, da sieht es unten ziemlich dunkel aus. Nirgendwo sonst ist es so nötig, Stromnetze auszubauen. Das Beispiel Äthiopien zeigt, dass dieser Ausbau tatsächlich läuft. Und unser Geschäft wird in dem Maße zunehmen, wie die Netze wachsen.
Warum, was machen Ihre Geräte genau?
Weltweit werden Hochspannungsnetze mit großen, millionenteuren Schaltern gesteuert, die ein perfektes Isolationsmedium brauchen – Schwefel-Hexafluorid, kurz SF6. Leider hat dieses Gas eine 23.000-mal so starke Klimawirkung wie CO2. Dilo-Geräte sorgen dafür, dass beim Umgang damit nichts in die Atmosphäre entweicht. Mit diesen Geräten erzielen wir etwa die Hälfte unseres Umsatzes, den Rest mit dazugehörender Mess- und Analysetechnik sowie mit Ventilen und anderem Zubehör. Schon 10 Prozent erlösen wir mit Geräten für alternative Gase. Dieses Geschäft wächst, weil die Europäische Union den Einsatz von SF6 verbieten will.
Ihre Kunden sind also Schalterhersteller und Netzbetreiber?
Genau. Zur ersten Gruppe, die für gut die Hälfte unserer Erlöse steht, gehören Firmen wie ABB und Siemens, aber auch Hitachi in Japan, Hyundai und Hyosung in Korea oder Shanghai Chint. Diese Unternehmen befüllen in ihrer Produktion mit unseren Geräten neue Schalter mit SF6. Oder sie ersetzen damit das Gas bei den bereits installierten Schaltern der Netzbetreiber; SF6 wird mit der Zeit feucht oder anderweitig verunreinigt und isoliert dann nicht mehr perfekt. Die Netzbetreiber wiederum, Firmen wie Tennet oder Amprion, warten ihre Schalter teils auch selbst; an sie setzen wir knapp die andere Hälfte der Geräte ab.
Afrika ist für Sie ein neuer Markt?
In Südafrika verkaufen wir bereits seit längerem selbst. In die anderen afrikanischen Länder haben lange Zeit die Schalterhersteller unsere Geräte lediglich "mitgebracht". Für uns selbst waren diese Märkte eine Art Black Box, seit gut zehn Jahren aber suchen wir dort verstärkt eigene Vertreter.
Klimaschutz bei afrikanischen Netzbetreibern hoch im Kurs
Steigt der Bedarf an Ihrer Technik außer durch den Netzausbau auch durch mehr Umweltbewusstsein?
Absolut. In Addis Abeba bemerkte ich bei einem Besuch 2017 überall in den Energiebehörden Plakate zum Carbon Footprint oder andere Aufrufe zum Klimaschutz. Die Netzbetreiber in Afrika achten seit etwa 2010 viel mehr auf den Umgang mit SF6, sei es beim Bau neuer Leitungen oder bei der Wartung bestehender Netze. Damit geschieht dort dasselbe wie in Europa vor gut 40 Jahren und in China nach der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls 1997.
Wann verkaufen Sie in Afrika Ihre Servicegeräte für SF6-Handling?
Bislang zu 80 Prozent beim Bau neuer Leitungen. Das Anwachsen des Netzparks steigert aber auch den Bedarf für die Wartung bereits installierter Schalter. Üblicherweise haben diesen Job in Afrika die Schalterhersteller übernommen, manchmal auch externe Dienstleister. Jetzt tun dies die Netzbetreiber vermehrt selbst, und sie achten dabei viel mehr als früher darauf, dass kein SF6 entweicht.
Bei der Marktbearbeitung können Sie aber sicher nicht überall gleichzeitig anfangen, oder?
Nein, mit Unterstützung des Hamburger Afrika-Beraters Tom Pause identifizierten wir dafür ab 2012 in einem ersten Schritt – nach dem Maghreb – ein halbes Dutzend weiterer Länder: Nigeria, Äthiopien, Kenia, Angola, Ghana und Côte d´Ivoire. In einigen Ländern wie Äthiopien und Ghana lief das sehr gut an, anderswo weniger. Wir wollen die Märkte aber langfristig entwickeln, gerade in Afrika geht das gar nicht anders. Hohe Anfangsinvestitionen und Fehlschläge gehören dazu. Doch wir erlösen dort schon heute mehr, als wir reinstecken – nicht zuletzt wegen des gut laufenden Geschäfts in Südafrika.
Aus Fehlschlägen lernen
Erzählen Sie doch mal von den Fehlschlägen.
Ein paar Mal kam die Politik dazwischen, die Netzbetreiber als unsere Kunden sind in Afrika ja noch überwiegend staatlich. Beim National Power Training Institute of Nigeria war 2018 quasi schon das rote Band für ein Schulungszentrum mit unseren Geräten gespannt, das ich als einzufliegender Geschäftsführer nur noch durchschneiden sollte. Leider waren durch eine politische Rochade plötzlich die Entscheidungsträger weg, zu denen unser Vertreter mühsam den Kontakt aufgebaut hatte.
Korruption behindert Sie auch?
Das ist tatsächlich ein Thema. Vor etwa zehn Jahren bekam ich eher zufällig mit, wie einer unserer afrikanischen Vertreter sich zu einem dreitägigen Besuchsprogramm in Deutschland hatte einladen lassen, Neuschwanstein und so. Eigentlich war er zur technischen Schulung hier, nachdem er uns einen großen Auftrag vermittelt hatte. Dass er dann plötzlich 20 Prozent Provision verlangte statt der üblichen 10 Prozent, traf mich danach nicht mehr völlig unerwartet. Es stellte sich heraus, dass er Geld zum Schmieren seiner Kunden brauchte. Wir trennten uns sofort von dem Vertreter und stoppten das Geschäft.
Langfristige Zusammenarbeit mit Vertretern zahlt sich aus
Aber ansonsten machen Sie gute Erfahrungen mit Ihren Vertretern?
Absolut, das war eine bedauerliche Ausnahme. Unsere heutigen Vertreter für Kenia und Libyen zum Beispiel lernte ich schon 2012 auf der Messe Middle East Electricity in Dubai kennen, den Partner für Ägypten hatten wir bereits vor 2011. Wir streben immer eine langfristige Zusammenarbeit an auf der Basis von Vertrauen, so wie wir das als familiengeführtes Unternehmen auch hier halten. Von zehn Vertretern, mit denen wir anfangen zu arbeiten, bleiben bestimmt sieben als langfristige Partner übrig.
Wie viele Vertreter haben Sie schon in Afrika?
Um die 15 und immer nur einen pro Land, da wir ihnen Exklusivität in ihrem Markt garantieren. Üblicherweise beliefern unsere Partner bereits Netzbetreiber, so vertritt unser Repräsentant in Kenia zum Beispiel auch Prüf- und Messtechnik der US-Firma Megger. Manche warten selbst Spannungsschalter als externer Dienstleister oder haben das einmal gemacht.
Haben Sie keine Konkurrenz?
Wenig. Mit unserer Technik besitzen wir annähernd die Hälfte eines Weltmarktes von vielleicht 130 Millionen Euro. Das ist eine typische Nische und wird auch nie ein Milliardenmarkt werden. Unser nächstgrößter Wettbewerber, Henan Relations aus China mit unter 10 Prozent Anteil, dürfte angesichts des begrenzten Wachstumspotenzials kaum das nötige Kapital bekommen, oder auch gute Ingenieure, die es für ein aggressiveres Auftreten braucht. Wir machen hier zwar keine Raketentechnik, die effiziente Fertigung von Geräten mit absolut abgedichtetem Gas-Handling muss man aber erst mal konsistent hinbekommen.
Deutsche Technik besteht auch vor Konkurrenz aus China
Kunden in Afrika schauen oft sehr auf den Preis. Werden Sie von den Chinesen nicht unterboten?
Chinesische Wettbewerber sind vielleicht 30 Prozent billiger als wir. Die kopieren aber bislang nur, wir sind technisch stets mindestens einen Schritt voraus. Selbst chinesisch finanzierte und gebaute Stromnetze, die in Afrika in den letzten Jahren ja das Bild bestimmt haben und meist aus chinesischen Komponenten bestehen, verwenden unsere Technik. So wie bei einem aktuellen Projekt in Äthiopien. Die Ingenieure des Netzbetreibers bestanden bei den Schaltern auf Siemens-Technik und konnten sich damit durchsetzen. Damit waren auch unsere Servicegeräte mit dabei.
Finanzierungsprobleme der Kunden sind für Sie auch kein Thema?
Wir liefern nur gegen Vorkasse oder Akkreditiv, gerade in Afrika. Und unsere Kunden, die Netzbetreiber, besitzen dafür auch immer mehr die finanziellen Mittel, seit es in Afrika den politischen Willen gibt, Ausbau und Wartung der Stromnetze klimafreundlich zu gestalten.
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Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Januar 2023.