Wer heute in Addis Abeba eine Firma besucht, bekommt keinen Kaffee mehr gereicht, sondern Wasser. Die blauen Flaschen gibt es in der äthiopischen Hauptstadt an jeder Ecke zu kaufen. Nach dem Produktionsstart des ersten Abfüllers 1991 gibt es inzwischen über 100 lizenzierte Anbieter im Land. Mit einem Anteil von 16 Prozent sieht sich Top Water als Marktführer.
Das Unternehmen wurde erst vor vier Jahren gegründet. Innerhalb einer Firmengruppe mit Bau, Außenhandel und Immobilien sowie insgesamt über 1.000 Mitarbeitenden erwirtschaftet die Wassersparte mittlerweile den größten Umsatz. Bei der weiteren Expansion will Top Water nun auf teure europäische Technik setzen. Bisher besitzt die Firma, wie praktisch die gesamte Branche, nur chinesische Abfülllinien. Marketingchef Shimeles Ajema erklärt im Interview die Gründe.
Fünfte Abfüllanlage kommt - trotz steigender Materialkosten
Shimeles Ajema, Ihr Geschäft brummt?
Unsere Branche ist seit 2019 jährlich um rund 15 Prozent gewachsen, Top Water war in der Region Oromia rund um Addis Abeba im letzten Jahr der größte Steuerzahler. Seit einem Jahr allerdings machen uns die Probleme in den globalen Lieferketten schwer zu schaffen. Der importierte PET-Kunststoff für die Wasserflaschen hat sich in dieser Zeit fast um das Vierfache verteuert. Allein dieses Material frisst schon 45 Prozent des Verkaufserlöses, bei einem Preis ab Werk von umgerechnet 25 US-Cent pro Liter.
Sie sehen sich als Marktführer, warum erhöhen Sie nicht die Preise?
Man kann hier nicht einfach so die Preise erhöhen, dagegen hat die Regierung etwas. Wir leiden in Äthiopien schon unter einer der höchsten Inflationsraten weltweit. Außerdem würden wir unseren eigenen Markt kaputtmachen, weil sich dann viele Leute das Wasser irgendwann nicht mehr leisten könnten. Wir müssen diese Durststrecke überstehen, notfalls mithilfe unserer Firmengruppe.
In vier Jahren von Null zum Marktführer, wollen Sie weiter investieren?
Die letzte unserer vier Abfülllinien ging erst vor acht Monaten in Betrieb, damit schaffen wir jetzt 138.000 Flaschen pro Stunde. Mit einer weiteren Linie nächstes Jahr hoffen wir dann in die Nähe von 200.000 kommen. Die Nachfrage ist da, und außerdem wollen wir aus Marketinggründen "Brand of Ethiopia" werden, so wie zum Beispiel auch Ethiopian Airlines. Dafür braucht es eine hohe Kapazität und Verlässlichkeit - ohne die Lieferschwierigkeiten, wie sie bei einer Produktion in Äthiopien oft vorkommen.
Woher stammen Ihre Abfüllanlagen?
Aus China, von den beiden Firmen Newamstar und Huihe. Niedrigpreisige chinesische Technik hat bislang perfekt zu unserer Branche gepasst. Die vielen jungen Anbieter in Äthiopien haben wenig Geld, und etliche probieren sich in dem Geschäft erst einmal aus. Da muss die Investition möglichst niedrig sein und schnell wieder reinkommen. Wir haben verglichen: Eine chinesische Maschine kostet vielleicht ein Drittel von dem, was zum Beispiel Krones aus Deutschland verlangt.
Langfristig ist hochwertige Technik preiswerter
Setzen Sie weiterhin auf chinesische Technik?
Nein, wir wollen uns künftig an europäischen Anbietern orientieren, Sidel aus Frankreich vielleicht, oder auch Krones. Inzwischen haben wir mit unserem schnellen Wachstum so viel Kapital angesammelt, dass wir längerfristig kalkulieren können. Und da ist hochwertige Technik preiswerter. Bei der intensiven Auslastung unserer Maschinen muss man chinesische Anlagen nach etwa fünf Jahren nicht nur kalkulatorisch abschreiben, es lohnt sich auch der physische Ersatz. Die Produktion sinkt oder fällt immer wieder aus, die Wartung wird sehr teuer oder man muss lange auf Ersatzteile warten. Newamstar hat einen ganz brauchbaren Service, mit Huihe sind wir insgesamt weniger zufrieden.
Haben deutsche Anbieter mit ihren leistungsfähigen Maschinen künftig bessere Chancen, wenn die großen Wasserabfüller die kleinen schlucken?
Ich denke, in drei Jahren wird tatsächlich die Hälfte der Abfüller in Äthiopien verschwunden sein. Die verbliebenen Unternehmen sind dann stärker und werden ab einer kritischen Größe auch die Beschaffung teurerer Technik ins Auge fassen, so wie wir heute. Die Konsolidierung unter den Anbietern wird allerdings nicht durch Übernahmen erfolgen. Wir zum Beispiel haben bislang keinen einzigen Konkurrenten gekauft, das ergibt keinen Sinn: Unsere leistungsfähigen Abfülllinien passen nicht zu den kleinen und vermutlich ausgeleierten Maschinen der übernommenen Firmen. Das lässt sich nicht sinnvoll kombinieren.
Export bald auch in Nachbarländer und nach Saudi-Arabien
Wo verkaufen Sie Ihr Wasser?
Inzwischen in ganz Äthiopien, über Großhändler. Allerdings nur in den urbanen Gebieten bis hinunter in die kleineren Städte, die Landbevölkerung bleibt vorerst außen vor. Sie kann sich das Flaschenwasser nicht leisten, und zudem ist die Logistik auf dem Land schwierig. Wir haben allerdings bereits mit potenziellen Abnehmern in Saudi-Arabien gesprochen. Letzte Woche war ich mit Blick auf einen Export auch in Dschibuti, da ist Bedarf, ebenso in Südsudan.
Wo und wie produzieren Sie eigentlich Ihr Wasser?
In vier unterschiedlichen Anlagen rund um Addis Abeba. Wir gewinnen das Wasser über Bohrlöcher, so wie die meisten Betriebe hier, aus 130 bis 160 Metern Tiefe. Einige wenige nutzen Quell- oder Grundwasser. Wir reinigen das Wasser dann mit Kohle- und Sandfiltern und versetzen es mit Chlor, das man durch eine Nachbehandlung später nicht mehr schmeckt. Zur Reinigung setzen wir europäische Maschinen ein. In einer anderen Anlage recyceln wir die Plastiksorte PET aus gebrauchten Flaschen.
Äthiopien wird ja auch das "Regendach Afrikas" genannt.
Es gibt genügend Wasser im Land, trotzdem müssen wir mit den Ressourcen sparsam umgehen. Wir müssen schon jetzt immer tiefer bohren. Für 100 Liter abgefülltes Wasser braucht unsere Branche in Äthiopien derzeit 135 Liter.
Wo bekommen Sie Ihre Verpackungen her?
Wir importieren die Kunststoffsorten PET und HDPE und stellen daraus dann die Flaschen beziehungsweise Deckel her. Dafür nutzen wir chinesische Maschinen der Marke Haitian. Gleiches gilt künftig für LDPE, für dessen Verarbeitung zu Folienetiketten wir gerade eine türkische Maschine installieren; bisher importieren wir noch die fertigen Folien. Die Kunststoffe beziehen wir aus Dubai, China oder auch Dschibuti.
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Mai 2022.