Bauvorhaben, Infrastrukturmaßnahmen, industrielle Produktion – für erfolgreiche Projekte in Afrika brauchen Unternehmen qualifiziertes Personal vor Ort. Doch in vielen afrikanischen Ländern fehlt es an gut ausgebildeten Fachkräften.
Laut einer Studie der International Labour Organization (ILO) von 2020 suchen aktuell mehr als 100 Millionen junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren einen Job auf dem afrikanischen Arbeitsmarkt. Trotzdem finden viele Firmen, die nach Auszubildenden und Fachkräften suchen, kein passendes Personal. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen der schulischen Ausbildung und den Bedürfnissen der Wirtschaft. Zudem machen ein Viertel der Jugendlichen nach dem Schulabschluss weder eine Ausbildung noch ein Training oder haben einen qualifizierten Arbeitsplatz. Internationale Unternehmen, die vor Ort tätig sind oder es werden wollen, stellt die Suche nach geeignetem Personal daher vor große Herausforderungen.
Junge Menschen mit Hochschulabschluss erfüllen mit ihren Qualifikationen häufig nicht die Anforderungen der Unternehmen. Das führt dazu, dass auch heute noch ein Großteil der Studierten im informellen Sektor arbeitet.
Quelle: International Labour Organization (ILO), 2020
Staatliche Investitionen in Bildung
Laut Daten von UNESCO und Weltbank gaben die Länder Subsahara-Afrikas 2020 durchschnittlich 3,4 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) für Bildung aus. Dabei gibt es starke regionale Unterschiede in den Bildungsausgaben. Länder wie Namibia oder Botswana erreichten sogar etwa neun Prozent. Während Ruanda, Tansania oder Uganda mit rund drei Prozent ihres BIP hinter der Zielsetzung des Weltbildungsforums – von vier bis sechs Prozent – zurückbleiben. Im südlichen Afrika ist der Bedarf an Bildungsangeboten besonders hoch, denn hier sind rund 50 Prozent aller Jugendlichen arbeitslos. In Ostafrika liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei unter sechs Prozent. Vielerorts fehlt es an geeigneter Ausstattung von Universitäten und praxisnahen Bildungsplänen. Das heißt der Kontinent braucht vor allem langfristige Investitionen in Bildungssysteme, die darauf ausgelegt sind Kompetenzen zu vermitteln anstatt sich ausschließlich auf Abschlüsse zu fokussieren.
Podcast Weltmarkt: Das Fachkräfte-Dilemma |
Staatliche Initiativen zur Aus- und Weiterbildung in Afrika
Mit zahlreichen Initiativen engagieren sich deutsche Unternehmen, Institutionen und bildungspolitische Akteure auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung in Afrika. Ziel ist es Modelle zur Förderung dualer Bildungssysteme nach deutschem Vorbild zu etablieren. Denn die Berufsausbildung im klassischen Sinne wird auch in Afrika häufig als zweitklassiger Bildungspfad empfunden. Für Unternehmen gibt es diese staatlichen Programme:
- In Ghana, Kenia, Nigeria und Südafrika hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz „Skills Experts“ in den Auslandshandelskammern angesiedelt. Sie beraten insbesondere kleine und mittlere deutsche Unternehmen und ihre lokalen Partner zu Inhalten und Ablauf einer bedarfsgerechten dualen Berufsausbildung. Weiterhin geben sie Hilfestellungen bei der Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Ausbildung im Zusammenwirken mit den lokalen Akteuren, einschließlich Prüfung und Zertifizierung (Kontakt aufnehmen zum Skills Expert in Ghana, Kenia, Nigeria, Südafrika).
- Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern in Botsuana, Kenia und Nigeria die Initiative Fachkräfte für Afrika gegründet. Der Fokus liegt auf Berufen in der Industriemechanik, Elektronik und Mechatronik.
- Das Stipendienprogramm "Afrika kommt" bildet seit 2008 mit Partnern aus der Wirtschaft junge Führungskräfte aus Afrika in Deutschland aus. 12 Monate lang schauen die Stipendiaten Fachkräften aus dem Management über die Schulter und erhalten so einen Einblick in die Arbeitsabläufe deutscher Unternehmen. Durchführer des Programmes ist die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
- Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt mit der Sonderinitiative Ausbildung und Beschäftigung (Invest for Jobs) europäische und afrikanische Unternehmen bei ihrem Engagement in Afrika. Ziel ist es Wirtschaftsstandorte und Branchen zu fördern, Investitionen sowie den Mittelstand zu stärken.
- Die Skills Initiative for Africa (SIFA) ist eine Initiative der Kommission der Afrikanischen Union (AUC), um die beruflichen Perspektiven junger Menschen in Afrika zu stärken. Das BMZ unterstützt die Initiative. SIFA finanziert Projekte zur beruflichen Weiterbildung in Kamerun, Ghana, Äthiopien, Kenia, Nigeria, Südafrika, Tunesien und Togo. In den Ländern fördert die Initiative in erster Linie Projekte, die sich an einkommensschwache Familien richten, sowie Projekte, die arbeitsmarktrelevante Kenntnisse vermitteln, zum Beispiel digitale Fähigkeiten.
- iMOVE, die Initiative des Bildungsministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für den Berufsbildungsexport, unterstützt die Zusammenarbeit von deutschen Unternehmen der beruflichen Aus- und Weiterbildung mit internationalen Partnern. Der Fokus liegt auf der kommerziellen Zusammenarbeit. Das Angebot von iMOVE beinhaltet zum Beispiel Berufsbildungsprogramme, die Einrichtung von Werkstätten und Qualifizierungsmaßnahmen. Zu den Fokusländern in Afrika zählen Ägypten, Ghana, Kenia, Nigeria, Südafrika und Tunesien - weitere folgen.
Das deutsche duale System der beruflichen Bildung genießt in vielen afrikanischen Ländern einen sehr guten Ruf. In vielen Fällen gibt es starke Bestrebungen, Elemente einer dualen, praxisbezogenen Berufsbildung umzusetzen. Deutsche Anbieter der beruflichen Aus- und Weiterbildung können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“
Peter Pfaffe iMOVE, Regional-Manager Subsahara-Afrika
Gehälter sind in Afrika Verhandlungssache
Qualifizierte Arbeitskräfte haben ihren Preis. Vor allem dort, wo sie derzeit noch vielerorts fehlen, schießen Personalkosten schnell in die Höhe. So können etwa Fachkräfte im Ingenieurswesen in Nigeria ein ähnliches Gehalt verlangen wie in Deutschland. Auch in Marokko gleichen sich die Löhne für Personal in Führungspositionen zunehmend dem europäischen Niveau an. In Südafrika verdient man im Topmanagement mitunter mehr als im Vereinigten Königreich oder in den USA. Bei den wenigen Festanstellungen variieren die Gehälter stark, auch innerhalb eines Betriebs. Ausschlaggebend ist hierbei das Verhandlungsgeschick eines jeden Angestellten. Insgesamt betrachtet liegen die Lohnkosten in den Ländern Afrikas weit unter dem Niveau Europas. Damit ist der Kontinent ein interessanter Produktionsstandort, der sich zunehmend als eine Alternative zu Fernost entwickelt.
Der Start der afrikanischen Freihandelszone 2021 stärkt nicht nur den innerafrikanischen Warenverkehr, sondern ermöglicht auch qualifizierten jungen Afrikanern und Afrikanerinnen, sich grenzübergreifend nach Arbeitsplätzen umzusehen.
Beschäftigte in Afrika auf Dauer binden
Personal zu finden ist eine Herausforderung, die besten Talente möglichst lange im Betrieb zu halten, eine weitere. Nicht immer zahlen sich die Investitionen in die Ausbildung der Belegschaft aus. Das Abwerben von innerbetrieblich geschulten Fachkräften ist in Afrika weit verbreitet. Viele Angestellte ziehen weiter, sobald sie bei einem anderen Arbeitgeber ein besseres Gesamtpaket finden. Doppelte oder sogar dreifache Gehälter machen den Wechsel besonders attraktiv. Wichtig ist es daher herauszufinden, was sich Mitarbeitende wünschen.
Freiwillige Zusatzleistungen sind ein gutes Argument, um Arbeitskräfte zu halten und neue anzulocken. In vielen Fällen gehören Beschäftigte nicht automatisch einer Krankenkasse an, sodass Firmen entweder für eine Vertragsklinik oder private Krankenversicherung zahlen. In Ländern ohne nennenswerte Rentenversicherung ist eine gute Altersvorsorge ebenfalls ein wichtiges Argument für einen Arbeitgeber.
Darüber hinaus spielen Statussymbole wie Firmenhandy und -wagen eine Rolle. Weitere freiwillige Zusatzleistungen, mit denen Unternehmen punkten können, sind Mietzuschüsse oder Beiträge zu den Kosten für ÖPNV oder Benzin.
Aktualisiert im September 2022
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