Eine der Herausforderungen für Unilever in Äthiopien war es, Vorprodukte im Land zu beschaffen.
Der Konsumgüterriese Unilever baut in Äthiopien eine Produktionsstätte nach der anderen. Künftig sollen von dort aus sogar Nachbarländer bedient werden. Warum der britische Konzern gerade in Äthiopien so erfolgreich ist – und welche Rolle Zahnpasta dabei spielt.
Es ist eine Geschichte, wie sie wohl nur neue Märkte schreiben. Als Unilever 2019 in der Eastern Industry Zone bei Addis Abeba seine Produktionslinie für Zahnpasta in Betrieb nahm, war das laut Firmenwebseite erst die dritte Fabrik dieser Art in Afrika. In Äthiopien ist es immer noch die einzige. Sie beschert dem Konsumgüterriesen eine hervorragende Marktstellung in dem Land mit der zweitgrößten Bevölkerung Afrikas. Und das bei einem längst nicht ausgeschöpften Absatzpotenzial; ist doch nirgendwo auf der Welt der Griff zu Zahnbürste und -pasta bisher so wenig ausgeprägt wie unter den geschätzt 120 Millionen Äthiopiern. Die traditionelle Reinigung mit Stäbchen mag zwar ebenfalls für perfekte Zahnreihen sorgen. Die Methode dürfte allerdings angesichts des vermehrten Konsums von Limonade, süßen Keksen oder auch nur Brot aus Weizenmehl an ihre Grenzen stoßen.
Ähnlich gut wie bei Zahnpasta ist Unilever bei Brühwürfeln in Äthiopien vertreten, auch bei Seife und Waschmitteln sind die Marktanteile beachtlich. Nach der Gründung der Niederlassung von Unilever Manufacturing Ethiopia 2015 war der Millionenumsatz des Konzerns 2021 bereits dreistellig. Allein im Jahr 2021 lag das Wachstum bei 70 Prozent. Schon 2025 soll Äthiopien für Unilever in Afrika der drittwichtigste Umsatzbringer sein, nach Südafrika und Nigeria.
Seine Produkte für den äthiopischen Markt produziert der Konzern inzwischen ausschließlich in der eigenen Fabrik in der Eastern Industry Zone, heißt es in der Landeszentrale, 30 Kilometer entfernt im Zentrum von Addis Abeba. 60 Millionen Euro habe man bisher in Äthiopien investiert. Nach der Inbetriebnahme der dritten Produktionsstätte vor einigen Monaten seien die Maschinen für die vierte und fünfte Produktionsstätte bereits bestellt.
Der Konzern aus Europa passt damit ziemlich perfekt in die Strategie der Industrialisierung der äthiopischen Regierung. Riesige, oft chinesisch dominierte Gewerbeparks wie eben die Eastern Industry Zone spielen dabei eine wichtige Rolle, ebenso der Wunsch nach einer größeren, nach Möglichkeit integrierten Wertschöpfung im Land.
Typisch sind allerdings auch die Herausforderungen, Vorprodukte im Land zu beschaffen. Anfangs hatte es dabei selbst beim Salz für die Brühwürfel Probleme gegeben. Es war immer wieder mit allerlei "Stöckchen und Steinchen" verunreinigt, erfährt man aus der Zentrale in Addis Abeba. Auch passende Verpackungen sind in Äthiopien rar, die kamen für die Brühwürfel zu Beginn noch aus Indien. Von 70 Zulieferern sitzen nur fünf in Äthiopien. Der Anteil der in Äthiopien beschafften Vorprodukte steigt laut Management jedoch, inzwischen sei man bei rund 60 Prozent angelangt. In der Unilever-Landeszentrale in Addis Abeba hielten sie es für "großartig, wenn [dieser Textbeitrag] Hersteller entlang der Wertschöpfungskette zu einer Investition in Äthiopien inspirieren würde."
Importe zu reduzieren ist indes nicht nur ein Wunsch der Regierung in Addis Abeba, es ist angesichts des großen Devisenmangels im Land eine pure wirtschaftliche Notwendigkeit. Unilever erwägt, künftig aus seiner äthiopischen Fabrik in andere Länder der Region zu exportieren, um auf diese Weise an Dollar heranzukommen.
Grundlage des Erfolgs in Äthiopien ist neben der eigenen Fabrik vor Ort die Ausdehnung des Vertriebsnetzes. Inzwischen verkaufen landesweit 80.000 Kioske und andere kleine Verkaufsstellen Seife, Waschpulver, Brühwürfel, Zahnpasta oder demnächst auch Shampoo des Konzerns aus Europa. Beliefert werden diese Verkäufer von gut 50 Großhändlern, die auch – nicht konkurrierende oder komplementäre - Produkte anderer Hersteller im Programm führen.
Das Interview, auf dem der Erfahrungsbericht basiert, führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Mai 2022.