Uushona Nghiumbwavali von global office in Windhoek, Namibia
Der Telefondienstleister global office aus Montabaur hat 2021 einen Unternehmensstandort für telefonische B2B-Kundenkommunikation in Namibia aufgebaut. In Windhoek bietet global office medizinische Hotlines, Auftragsabwicklung, Buchungen und Terminvereinbarungen sowie technischen Support an. Von Anfang an dabei ist Uushona Nghiumbwavali. Seine persönliche Verbindung zu Deutschland ist eng: Im Rahmen eines Hilfsprogramms kam er als Kind nach Deutschland und wuchs in der DDR auf. Dieses Jahr absolvierte Nghiumbwavali eine vierwöchige Weiterbildung in der global office-Zentrale in Montabaur. Wie er zum Unternehmen kam und wie er die Zeit in Deutschland erlebte, berichtet er im Interview.
Wie kamen Sie zu global office?
Ich war Autotester in Namibia und verlor während der Coronapandemie meinen Job. Im Lockdown wurden die Testfahrten für Neuentwicklungen von Audi und VW komplett eingestellt, weil die Fahrzeuge nicht mehr nach Namibia eingeführt werden konnten. Ich sah die Stellenausschreibung für das neue Dialog Center in Windhoek auf Facebook und bewarb mich. Ich wollte besonders gerne für ein deutsches Unternehmen arbeiten, weil ich schon im Alter von drei Jahren Deutsch gelernt habe.
Wie kam es dazu, dass Sie als Kind Deutsch gelernt haben?
Wegen des Bürgerkrieges in Namibia Ende der 1970er-Jahre verbrachte ich meine ersten drei Lebensjahre in einem Flüchtlingslager in Angola. Die SWAPO (damals Befreiungsbewegung, heute politische Partei in Namibia) bat die DDR-Führung damals, Kinder aus Flüchtlingslagern aufzunehmen und auszubilden, bis sie wieder ins eigene Land zurückkehren konnten. So kam ich mit drei Jahren mit meinen Betreuern und 100 anderen Kindern in das ehemalige Jagdschloss Bellin in Mecklenburg. Ich habe nicht mehr viele Erinnerungen an diese Zeit, weil ich noch sehr klein war. Ich habe es aber als glückliche Zeit empfunden, die mich positiv geprägt hat. Das Beste war, dass wir mit vielen anderen Kindern völlig frei im Park mit viel Wald spielen durften und es Schnee gab.
Als die Mauer fiel und der Krieg in Namibia zu Ende ging, lief das Hilfsprogramm der DDR aus. Wir wurden nach Namibia zurückgeflogen und am Flughafen untergebracht, bis unsere Familien uns abholten. Erst mit sechs Jahren lernte ich meinen Vater kennen, der plötzlich einen Sohn hatte, der nur noch Deutsch sprach. Mein Vater schickte mich daher auf die deutsche Schule nach Windhoek, damit ich meine Sprachkenntnisse für meine weitere Ausbildung nutzen konnte.
Wie sieht Ihr Arbeitstag bei global office in Windhoek aus?
Ich führe zwischen 80 und 90 Telefonate pro Tag, zu ganz unterschiedlichen Themen. Es kommen Anrufe für die Hotellerie, Physiotherapie-Praxen, Immobilienmakler, Rechtsanwälte, Notare oder Ärzte herein. Das macht den Job bei global office anspruchsvoll und spannend. Am liebsten telefoniere ich für Autohäuser, weil ich mich in der Branche besonders gut auskenne. Was für mich jedoch völlig neu war, ist der saisonale Reifenwechsel, der in Deutschland anfällt. Es gibt in Namibia keine ausgeprägten Jahreszeiten und daher auch keine Sommer- oder Winterreifen, die regelmäßig gewechselt werden müssen.
Wie ist die Idee entstanden, eine Hospitation in der deutschen Zentrale zu machen?
Die Idee, im Rahmen eines von global office organisierten Austauschprogramms nach Deutschland zu gehen, kam von Johanna Krämer, die Aufbau, Entwicklung und Leitung des Tochterunternehmens in Namibia verantwortet. Ich habe sofort zugestimmt. Dies ist eine ideale Weiterbildungsmöglichkeit für mich. Bisher nahm ich nur über Microsoft Teams an Besprechungen teil, hier in Montabaur bin ich live dabei. So verstehe ich viel besser, wie alles funktioniert und lerne die Kolleginnen und Kollegen persönlich kennen.
Haben Sie sich Ihren Aufenthalt in Deutschland so vorgestellt?
Ich war darauf eingestellt, in der deutschen Zentrale von global office meinen ganz normalen Job in der Telefonie zu machen. Darüber hinaus rechnete ich damit, in ein freies Büro gesetzt zu werden – mit sehr viel Literatur über das Unternehmen. Stattdessen erwartete mich eine spannende Reise durch die verschiedenen Abteilungen. Ich wurde in alle Fachbereiche eingeladen und ich verstehe global office jetzt noch besser. Zudem war ich überrascht, dass die Kolleginnen und Kollegen aktiv auf mich zukamen, um mir alles selbst zu zeigen.
Künftig sollen alle Führungs- und Assistenzkräfte unseres Dialog Centers in Windhoek in Deutschland weitergebildet werden. So garantieren wir, dass die Teams unserer Standorte in Deutschland und in Namibia einen engen Bezug zueinander haben.
Was wünschen Sie sich für die Entwicklung der deutsch-namibischen Beziehungen?
Die Verbindungen sollen enger werden. Wir teilen eine problematische Geschichte. Heute gibt es eine große deutsche Community in Namibia, die bereits in vierter Generation hier lebt. Die meisten Touristen, die nach Namibia reisen, sind Deutsche. Sowohl in der Wirtschaft als auch im Bildungsbereich können wir viel voneinander lernen. Am meisten beeindrucken mich das duale Ausbildungssystem in Deutschland und die vielen handwerklichen Berufe, die jenseits einer akademischen Universitätslaufbahn angeboten werden. Hiervon kann Namibia lernen. Es gibt nur ganz wenige Handwerksberufe, in denen man ausgebildet werden kann: Automechaniker, Elektriker, Schreiner und Maurer. Jedes Jahr gibt es viele Schulabgänger, die weder studieren können, noch eine Ausbildung oder Arbeit finden. Die Arbeitslosenquote unter den 30-Jährigen ist hoch. Von daher wäre es sehr gut, wenn global office in Namibia weiterwachsen und beispielsweise in Swakopmund noch einen Standort aufbauen würde.
Was schätzen Sie an der Arbeit von global office in Namibia?
Global office hat in Namibia schon jetzt einen guten Einfluss mit Vorbildcharakter. Dieses Jahr soll unser Büro in Windhoek auf 30 bis 40 Mitarbeitende wachsen. Das zusätzliche Engagement von global office wie der Bau einer Schule in Otjirumbu im wenig entwickelten Norden des Landes schätze ich sehr. So können die Kinder in ihrer Community bleiben und haben eine Chance auf Bildung. Wir brauchen diese Unterstützung in den ländlichen Regionen, weil Namibia es aus eigener Kraft noch nicht schafft, überall eine Schulinfrastruktur aufzubauen.
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Das Interview führte Charlotte Rostek vom IHK-Netzwerkbüro Afrika im September 2022.