Beim Bau von drei riesigen Gaskraftwerken in Ägypten gab es ein Problem: Fachkräftemangel.
Mit fast 100 Millionen Einwohnern hat Ägypten einen enormen politischen und kulturellen Einfluss auf die arabische Welt und auf den afrikanischen Kontinent. So ist das Land am Nil auch für eines der weltweit größten Unternehmen der Elektrotechnik interessant: Der deutsche Technologiekonzern Siemens unterhält seit 1901 einen Standort in Kairo und hat dort heute mehr als 1.000 Beschäftigte.
Die Technologien des Unternehmens finden Einsatz in Ägyptens Infrastrukturprojekten zur Energieerzeugung, in Krankenhäusern und in der Gebäudetechnik. Doch auch ein Großkonzern wie Siemens stößt immer wieder an Grenzen: Bei der Planung und dem Bau von drei Kraftwerken in Ägypten konnten nur wenige ausgebildete Fachkräfte gefunden werden. Ahmed El-Saadany, Head of Siemens Professional Education Middle East and Africa, berichtet, wie das Unternehmen darauf reagiert hat.
Neue Wege in der Personalsuche
Herr Saadany, wie wichtig ist das Afrikageschäft für Siemens?
Wir sind dabei, uns in Afrika zu etablieren. In einigen Ländern sind wir damit schon weit gekommen, beispielsweise in Südafrika und Ägypten. In anderen Ländern wie Ghana schauen wir uns gerade potenzielle Projekte an. Wir untersuchen dabei immer die Bedarfe im jeweiligen Land: Was brauchen die Menschen vor Ort? Was ist in dem Land möglich und welche Grundlagen müssen wir noch schaffen, um unsere Projekte umsetzen zu können?
Welche Grundlagen sind das typischerweise?
Wir benötigen für unsere Projekte vor Ort gut ausgebildete Arbeitskräfte. Wenn es die nicht gibt, dann versuchen wir, die notwendigen Strukturen selbst aufzubauen und Fachkräfte auszubilden. Davon profitieren die Menschen, der Arbeitsmarkt im Land und natürlich auch Siemens.
In Ägypten hat das gerade sehr gut funktioniert: Wir planten den Bau von drei riesigen Gaskraftwerken, mit denen wir über 40 Prozent mehr Strom in das ägyptische Netzwerk einspeisen können. Dies trägt nicht nur dazu bei, die häufigen Stromausfälle zu reduzieren, sondern auch weitere Investoren anzuziehen und so das Wirtschaftswachstum im Land anzukurbeln. Allerdings gab es dabei ein Problem – den Fachkräftemangel.
Wir konnten nur wenige qualifizierte Arbeitskräfte für unser neues Megaprojekt finden. So entschlossen wir uns, gemeinsam mit dem ägyptischen Bildungsministerium und der deutschen Regierung in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren. Innerhalb nur eines Jahres bauten wir eine Berufsschule für Elektronik, Elektroinstallation und Industriemechanik komplett um. Wir schulten Lehrkräfte, beschafften moderne Geräte und brachten die Infrastruktur auf den neuesten Stand.
Unterstützt wurden wir dabei von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, die im Auftrag der deutschen Regierung mit uns zusammenarbeitete. Nach deutschem Vorbild vermitteln die Lehrkräfte heute neben theoretischem Wissen auch praktische Fähigkeiten. Die Auszubildenden können an 3-D-Druckern arbeiten und virtuell schweißen lernen.
Der erste Jahrgang begann 2018 mit der Ausbildung. Wenn die Auszubildenden 2021 fertig werden, erhalten die besten von ihnen die Chance auf eine berufliche Weiterbildung in unserer neuen Akademie oder ein Angebot direkt bei Siemens einzusteigen.
Können Sie sich das auch in einem anderen Land vorstellen?
Natürlich, aber wir kopieren unsere Projektansätze nicht einfach, sondern schneiden unsere Projekte immer wieder neu und passgenau zu. Jedes Land hat eigene Herausforderungen und Potenziale, unterschiedliche Bedarfe und Pläne.
Was allerdings meiner Meinung nach immer vorhanden sein muss, ist eine gute Teamarbeit. Wir hatten in der Schule in Ägypten ein engagiertes und motiviertes Team auf allen Ebenen sowie eine effektive Kooperation mit der GIZ. Wir hatten zwar wenig Zeit, aber die Zielstrebigkeit und Leidenschaft aller Beteiligten hat dazu geführt, dass alles geklappt hat. Gemeinsam haben wir alle an einem Strang gezogen, konnten langfristige Strukturen schaffen und zur nachhaltigen Entwicklung im Land beitragen.
Siemens hat viele Ressourcen und zudem starke Partner. Wie können auch kleinere Firmen an so einer Entwicklung teilhaben und davon profitieren?
Auch hier ist Kooperation das A und O. Wir suchen beispielsweise immer wieder Partner aus dem Privatsektor, die mit uns zusammenarbeiten. Sie können unsere Strukturen nutzen und auf dem aufbauen, was wir geschaffen haben. Sie bringen ihre firmeneigenen Stärken und Kompetenzen mit und gemeinsam können wir viel bewegen.
Weiterführende Informationen
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Das Interview fand im Rahmen des EZ-Scout Programms (seit 2021: Business Scouts for Development) im Juni 2020 statt.