Techniker und Ärzte aus Kongo zu Besuch in Ravensburg
Afrika wird von etablierten Herstellern von Kernspintomografen, Röntgengeräten oder OP-Ausrüstungen als Markt oft ignoriert. Dies ist die Erfahrung der Firma SternMed, die ihre Medizintechnik auf einkommensschwache Länder ausgerichtet hat und dort die meisten Umsätze tätigt. Zum Gespräch am Firmensitz in Ravensburg kommen fünf der rund 35 Mitarbeiter des 2011 gegründeten Unternehmens. Peter Laser ist für den Vertrieb in Europa und Asien zuständig, Erick Bermudez und Mark El-Haddad verantworten unter anderem Afrika, Abteilungsleiterin Homa Milani und Ute Engelhardt arbeiten in der Geschäftsentwicklung. Ein Reizwort zu Afrika ist dabei „Spenden“.
Gute Referenzen im Privatsektor sind Türöffner
Herr Laser, in Ägypten sind Sie gut gestartet?
Unser erster Kunde dort war ein bekannter Herzchirurg. Er teilt regelmäßig Videos oder Beiträge in den sozialen Medien über seine Arbeit. So erfahren seine zigtausend Follower, wie zufrieden er mit seinen Ausrüstungen ist. Da taucht auch immer wieder mal unser Firmenlogo auf. Der Chirurg war also unser Türöffner zu weiteren Kunden in Ägypten. Wenn der Kunde glücklich ist, macht er gleich das Marketing für dich mit.
Sind Referenzen immer so wichtig für den Erfolg in einem neuen Markt?
Ärzte oder Krankenhausmanager wollen zumindest bei wenig bekannten Produkten sehen, ob und wie sie funktionieren. Am besten in einem vergleichbaren und vertrauten Umfeld, also vor Ort. Staatliche Abnehmer verlangen solche Referenzen im Land sogar in ihren Ausschreibungen. An öffentliche Kunden – mit denen wir zwei Drittel unserer Umsätze tätigen – kommen wir ohne Gerät im lokalen Einsatz also gar nicht heran. Für uns als mittelständisches Unternehmen sind solche Referenzen besonders wichtig.
Ihr erster Kunde in Ägypten war aus dem privaten Sektor. Ist das anderswo auch so?
Ja, auch in Indien, Nepal oder Pakistan. Oder in Kongo. In Brazzaville installierten wir unlängst Röntgengeräte und andere bildgebende Technik in einem privaten Krankenhaus, auch ein Kernspintomograf (MRT) wird dort bald stehen. Private Kunden sind weniger an rigide Ausschreibungsregeln gebunden und entscheiden auch schneller. Sie sehen, dass wir genau auf ihre Anforderungen eingehen und damit auch wirtschaftlicher sind – gerade in Afrika.
Afrikanische Partner einzuladen zahlt sich aus
Und wie überzeugen Sie Ihre Abnehmer?
Gerne indem wir sie nach Ravensburg einladen. Das kostet zwar, aber umgekehrt reisen wir, zumal zur Kundenakquise, eher wenig nach Afrika. Uns geht es darum, die Partner besser kennenzulernen, sie auszubilden und mit unserem Konzept und der Technik vertraut zu machen. Wie die zehn Besucher aus Kongo neulich. Die waren hier auch bei der Endmontage „ihrer“ Geräte dabei. Der angenehme Nebeneffekt solcher Besuche: Wir bereiten weitere Umsätze vor; ein Krankenhaus braucht ja eine Vielzahl an Ausrüstungen. Natürlich müssen wir als mittelständisches Unternehmen dabei immer auf die Kosten achten, daher lehnen wir überzogene Erwartungen in diesem Zusammenhang generell ab. Mit Partnern aus Afrika passiert das allerdings kaum.
Wie können Sie eigentlich, mit 35 Mitarbeitern, so komplexe Ausrüstungen wie MRTs herstellen?
Wir stellen vormontierte Ausrüstungen zum Endprodukt fertig, die wir dann mit Software ausstatten und testen. Der Punkt ist: Wir designen die Geräte selbst, und zwar nach den typischen Anforderungen von einkommensschwachen Märkten, die von den etablierten Herstellern vernachlässigt werden. Und Afrika ist besonders vernachlässigt. Der Kontinent bildet, neben Lateinamerika sowie Indien, Pakistan und Bangladesch unseren Hauptmarkt.
Die passenden Angebote für vernachlässigte Märkte
Anbieter von Medizintechnik lassen Afrika links liegen?
Unsere kongolesischen Kunden hatten davor von anderen Anbietern nur Absagen erhalten. Die großen, etablierten Hersteller konzentrieren sich auf umsatzstarke Märkte. Sie wollen sich nicht mit Ländern herumschlagen, wo sie viel Ärger und wenig Ertrag erwarten. Zudem haben sie oft nicht das passende Angebot. Sie drehen, im Wettbewerb untereinander, immer mehr an der technologischen Spirale ihrer Produkte. Kunden von uns in Afrika beklagen sich, dass man ihnen nur extrem hochpreisige High-End-Ausrüstungen verkaufen will, die sie weder brauchen noch bezahlen können. Dabei gibt es dort einen riesigen Bedarf an Medizintechnik, für dessen Deckung durchaus Mittel vorhanden sind.
Was ist denn das passende Angebot für afrikanische Länder?
Ein millionenteurer MRT-Scanner mit einem Magneten von 3 Tesla Stärke eher selten. Eher das viel günstigere 0,35- oder 0,5-Tesla-Modell mit Permanentmagnet, nicht zuletzt wegen des geringeren Energieverbrauchs. Die Anwender brauchen auch eine über die Lebensdauer kostenlos aktualisierte Software, um nicht auf eine teure Exklusiv-Wartung des Herstellers angewiesen zu sein. Und der Kundendienst muss stimmen, mit schnellen Antwortzeiten und kurzen Lieferfristen für benötigte Ersatzteile und Verbrauchsmaterialien.
Und das alles leisten Sie?
Unsere Geräte zeichnen sich durch gering gehaltene Lebenszykluskosten über die gesamte Lebensdauer aus. Die Erfahrung zeigt, dass SternMed je nach Umfeld günstiger ist als andere etablierten Hersteller. Nur was der Kunde wirklich braucht, verwenden wir auch in unserer Produktion. Wir sorgen dafür, dass die Geräte einwandfrei und zuverlässig laufen: durch die Ausbildung der angehenden Nutzer und des technischen Personals vor Ort und mit dem sorgfältigen Einsatz von Fernwartungsmöglichkeiten.
Bekommen Sie auch Anfragen nach Toptechnik?
Ja, auch aus Afrika. Zusammen mit dem Kunden prüfen wir jede Anfrage auf Machbarkeit. Wenn wir nach der Beratung überflüssige Komponenten feststellen, reduzieren wir auch mal das Paket. In der Realität geht es doch häufig um einfache Ausrüstungen – wie zum Beispiel in Ghana: Dort rüsteten wir für eine Art mobile Krankenstation Lkw mit Mammografie-Geräten aus.
Erfahrungen mit Konkurrenz und warum Spenden nach hinten losgehen können
Haben Sie keine Konkurrenz durch niedrigpreisige Anbieter etwa aus China?
Doch, allerdings sind die Kunden nach unserer Erfahrung etwas abgerückt von den Chinesen. Auch in Afrika und im staatlichen Sektor. Der typische chinesische Anbieter ist sehr schwach im Service. Wenn ein Gerät nicht läuft, rechnet sich auch ein niedriger Verkaufspreis nicht.
Sind Akteure der Entwicklungszusammenarbeit in Afrika eher Kunden oder Konkurrenten für Sie?
Weltbank, Weltgesundheitsorganisation und andere Geber oder auch Nichtregierungsorganisationen finanzieren dort tatsächlich viel Medizintechnik. Aber auch deren Ausschreibungen definieren oft realitätsferne, überzogene und damit kostspielige Anforderungen. Die zudem so komplex und aufwändig zu bearbeiten sind, dass wir uns gar nicht daran beteiligen.
Etablierte Hersteller spenden ihre Ausrüstungen in Afrika manchmal auch?
Ja, allerdings ohne sich um den Kundendienst oder die Ausbildung der Anwender zu kümmern. Zudem sind die Geräte untereinander oft nicht kompatibel. Dadurch stehen sie nach kurzer Zeit regelmäßig nur noch herum. „Diese Spenden sind für uns wie Gift“, hören wir nicht nur in Afrika immer wieder. Sie sind auch für uns ein Ärgernis, weil sie wenig nachhaltiges Handeln fördern und weil potenzielle Nutzer dadurch letztlich auch weniger kaufen.
Vertriebswege zwischen Messe, Suchmaschine und Social Media
Nochmal zurück zum Herzchirurgen in Ägypten, wie kamen Sie mit ihm in Kontakt?
Über unseren Händler in Kairo. So ist das auch anderswo. Diese Partner pflegen die Kontakte zu Ärzten und anderen Meinungsführern und natürlich auch zu potenziellen Kunden.
Sie brauchen also gute Händler; wie finden Sie die?
Oft auf Messen. Wir besuchen jährlich abwechselnd drei internationale Veranstaltungen wie die Medica in Düsseldorf oder die Arab Health in Dubai; letztes Jahr waren wir zudem auf der Africa Health in Johannesburg. Dort stellen wir nach Möglichkeit in einem deutschen Gemeinschaftsstand aus, von dessen Infrastruktur und Image wir profitieren. Mögliche Partner können sich auch direkt auf unserer Webseite bewerben. Wir investieren permanent in Suchmaschinenoptimierung, wodurch uns Google weit oben platziert. Zudem ruft unser vierköpfiges Team in der Geschäftsentwicklung Partner an und ist viel unterwegs auf Instagram, LinkedIn & Co.
Wie arbeiten Sie üblicherweise mit Ihren Händlern zusammen?
Sie übernehmen für uns die gesamte Marktbearbeitung, bewerben sich also auf Ausschreibungen oder wickeln die Importe ab. Wir unterstützen sie durch eingehende Ausbildung sowie mit Informationen zum Markt und derlei. Handelsfirmen arbeiten oft auf Kommission für uns, Einzelpersonen eher als Eigenhändler. Diese Leute kaufen also Geräte von uns und verkaufen sie in ihrem Markt weiter. In einem kleinen Land wie Ruanda haben wir nur einen Händler. Größere oder bevölkerungsreiche Staaten können wir nur durch mehrere Partner abdecken.
Mit starkem Einzeleinsatz bis zum Showroom
Und wie prüfen Sie die Qualität möglicher Vertriebspartner?
Wir schauen vor allem auf die Ausbildung und den beruflichen Hintergrund der Kandidaten. Dafür fordern wir zunächst immer einen aussagekräftigen Lebenslauf ein. Den zu bekommen ist übrigens manchmal gar nicht so trivial, wenn der Adressat der aktuelle Arbeitgeber der Person ist. Die haben Angst, dass wir ihnen die Leute abwerben, gerade in Afrika mit seinem Mangel an gut ausgebildetem Personal.
Welchen Hintergrund haben Ihre Vertreter üblicherweise?
Unser Schwerpunkt liegt auf etablierten Firmen mit gutem Netzwerk. Wir arbeiten aber auch mit einzelnen Ingenieuren, die sich selbständig machen wollen und sich dann für uns, ihren oft einzigen Partner, sehr stark einsetzen. In Burkina Faso begann so ein Partner, mit drei von uns günstig erstandenen Patientenmonitoren einen kleinen Showroom einzurichten. Oder mit Ärzten, die sich ein zweites berufliches Standbein aufbauen. Wie ein Chirurg in Nigeria, der nun ebenfalls eine kleine Ausstellung mit unseren Geräten führt.
Das Interview führte Ulrich Binkert von Germany Trade & Invest im Dezember 2023.
Weitere Informationen
|